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Neuer Militärmachthaber in Burkina FasoSchon wieder ein Putsch

Zum zweiten Mal in diesem Jahr erlebt Burkina Faso einen militärischen Staatsstreich. Dessen Befürworter treten prorussisch auf.

Ouagadougou am Sonntag: Unterstützer des neuen Putsches mit aufschlussreicher Fahne Foto: ap

Cotonou taz | Nach dem Umsturz am Wochenende kehrt in Burkina Faso langsam wieder etwas Ruhe ein. Militärmachthaber Paul-Henri Damiba, der erst Ende Januar durch einen Putsch an die Macht gekommen war und seinen Sturz durch unzufriedene Soldaten am vergangenen Freitag offenbar erst nicht hinnehmen wollte, ist nach Gesprächen mit Kirchen, der muslimischen Gemeinschaft sowie der Zivilgesellschaft am Sonntag formell zurückgetreten.

Offiziell heißt es, er wolle weitere Konflikte vermeiden. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) begrüßte die „friedliche Lösung“.

Mittlerweile hält sich Damiba im Nachbarland Togo auf. Sein Nachfolger, der 34-jährige Ibrahim Traoré, betonte, er wolle nicht dauerhaft an der Macht bleiben. Möglicherweise könnten Wahlen bereits früher als geplant stattfinden – spätestes Datum ist der 1. Juli 2024.

Der Putsch hatte am frühen Freitagmorgen begonnen. Stundenlang war unklar gewesen, wie sich die Lage entwickelt. Noch am Samstag wurde in Ouagadougou geschossen. Zunächst sprach der Generalstab der Armee von einem „inneren Konflikt“, bis Verhandlungen zu einer Machtübergabe von Damiba an Traoré führten.

Ein Aufbegehren gegen Frankreich

In Burkina Faso wird der zweite Putsch in diesem Jahr vor allem als ein Aufbegehren gegen Frankreich gewertet, die ehemalige Kolonialmacht, die in Burkina Faso immer noch Spezialkräfte stationiert hat. De­mons­tran­t*in­nen zündeten am Sonntag Autoreifen vor der französischen Botschaft an. Französische Geschäfte sowie das Sprachlern- und Kulturzentrum Institut français in der zweitgrößten Stadt Bobo-Dioulasso wurden ebenfalls angegriffen.

Die Kritik an der einstigen Kolonialmacht hatte im vergangenen Jahr stark zugenommen. Als im September 2021 bekannt wurde, dass russische Wagner-Söldner mit Malis Junta kooperieren, hieß es in Burkina Faso oft: Das Nachbarland ist souverän, und der Westen hat sich nicht einzumischen.

Im November und Dezember wurden französische Militärkonvois, die über Burkina Faso Rüstungsmaterial aus der Elfenbeinküste nach Niger bringen sollten, tagelang blockiert.

Damiba galt bei seinem Putsch im Januar 2022 als Gegenentwurf zu Malis Militärherrscher Assimi Goïta und als jemand, der gut mit Europa zusammenarbeiten konnte. Das bestätigt die Aussage der Junta vom Samstag, in der es heißt, Damiba habe in der französischen Militärbasis Kamboisin nördlich von Ouagadougou Zuflucht gesucht, um eine Gegenoffensive zu planen. Damiba und Frankreichs Außenministerium dementierten dies.

Zu hören ist außerdem der Vorwurf, Frankreich habe zu sehr diktiert, wie Burkina Faso den Terrorismus bekämpfen müsse. Gespräche mit Terrorgruppen hatte Ex-Präsident Kaboré offiziell stets abgelehnt. „Dabei sind es doch unsere Brüder. Wir müssen das unter uns regeln“, sagt Prosper Nikiema, Schulleiter am Stadtrand von Ouagadougou.

Nikiema spricht eine verbreitete Hoffnung aus: Es möge wieder jemand wie der einstige Nationalheld Thomas Sankara an die Macht kommen. Der junge Militärherrscher, der 1987 ermordet wurde, hatte in seinen Jahren an der Macht deutlich die Einflussnahme des Westens auf Afrika kritisiert. In dem Prozess zur Aufklärung von Sankaras Ermordung in den vergangenen Monaten kam all dies erneut hoch.

Traoré hat die Gewalt gegen französische Einrichtungen mittlerweile verurteilt und Frankreich als einen Partner wie jeder andere bezeichnet.

Als neuer Verbündeter wird Russland gehandelt. In sozialen Medien kursieren Videos von Demonstrationen in Ouagadougou, in denen russische Flaggen zu sehen sind. Leutnant Jean-Baptiste Kabré erklärte am Samstag, man müsse sich „andere Partner“ suchen, ohne explizit Russland zu nennen. Eine russische Militärmission war im Juli im Land.

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1 Kommentar

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  • Die ehemals franz. Lieferländer sind seit 10 Jahren prorussisch . Was sollen sie denn sonst machen? Natürlich setzen sie jetzt alle Hoffnungen auf das Land, das die Grenzen noch nicht zu hat für Westafrikaner. Glaubt irgendjemand, Burkina gäbe seine Rohstoffe an die EU, die ebendiese Menschen im Mittelmeer absaufen lässt?