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Neuer Fußballtrainer beim HSVKein Kompromisskandidat

Viel Vertrauen nach vier Spielwochen: Merlin Polzin, Assistent des im November entlassenen Steffen Baumgart, wird Cheftrainer beim Hamburger SV.

Bekam die gute Nachricht zwei Tage vor Heiligabend: Merlin Polzin Foto: Axel Heimken/dpa

Hamburg taz | So ziemlich alles hat der Hamburger SV in den vergangenen sechseinhalb Jahren in der zweiten Fußball-Bundesliga versucht, um die Aufstiegs-geeignete Symbiose zwischen Trainer und Mannschaft hinzubekommen – einen Coach aus den eigenen Reihen, Christian Titz, einen Reformer, Hannes Wolf, die Variante Spielervater in Dieter Hecking. Dann einen Menschenfreund, Daniel Thioune. Als der Anführer der Wagenburg in Rautenform an seinem Starrsinn scheiterte, war auch Tim Walter Geschichte. Besser wurde es auch mit einem nicht, der in HSV-Bettwäsche geschlafen hatte und die Schiebermütze mit der „72“ zum Bestseller machte.

Seit einer guten Woche ist klar, dass Steffen Baumgarts Assistent Merlin Polzin Cheftrainer der Hamburger im Unterhaus sein wird. Polzin ist 34 Jahre alt, war loyaler „Ko“ des Ende November entlassenen Baumgart und überzeugte die Vorgesetzten nun durch acht Punkte aus vier Spielen, darunter der beste Saisonauftritt am Samstag vor einer Woche beim 5:0 gegen Fürth und das 3:1 in Karlsruhe. Immerhin als Tabellendritter geht der HSV in den Jahreswechsel.

Weil Kuntz von seinem vormaligen Favoriten Bruno Labbadia offenbar nicht vollends überzeugt war und die leicht exotischen Kandidaten Danny Röhl (Sheffield Wednesday) und Henrik Lidström (Malmö FF) im Winter ebensowenig zu bekommen waren wie der Paderborner Lukas Kwasniok, der nach Kicker-Informationen ebenfalls kontaktiert worden war, bekam Polzin zwei Tage vor Heiligabend die schönste Bescherung.

Spitzenspieler warben für Polzin

„In den knapp vier Wochen gemeinsamer Trainingsarbeit ist eine deutliche Entwicklung erkennbar, auf die wir in 2025 aufsetzen und aufbauen wollen. Merlin und sein Team genießen nicht nur in der Mannschaft, sondern auch bei uns Verantwortlichen volles Vertrauen“, sagte Kuntz in den gewohnt blumigen Worten einer Pressemeldung.

Ein Kompromisskandidat ist das im Profibereich unbeschriebene Blatt aber keineswegs, hatte sich Kuntz schon vorher beeilt zu versichern. Man habe nur alle Varianten überprüft. Kuntz, selbst unter Druck, weil in seine Phase die schlechteste Hamburger Hinrunde der zweiten Liga fällt, hatte sich schon länger vom „Trainertalent“ Polzin überzeugt gezeigt.

Das strahlten auch die Führungsspieler Davie Selke, Sebastian Schonlau und Miro Muheim aus, die für Polzins Weiterbeschäftigung geworben hatten. Immerhin hatte der schon mal Chef spielen dürfen, als der HSV nach Tim Walters Entlassung Mitte Februar 2:2 in Rostock spielte. Dann kam Baumgart. Polzin war die gesamte Zeit unter Walter dessen Assistent gewesen.

Fan mit Credibility

Verändert hat er einiges. Der junge Coach hatte bis zur Oberliga Hamburg gespielt, dann aufgrund von Verletzungen aufgehört, wurde ab 2014 beim VfL Osnabrück als Trainer sozialisiert. Er kehrte in seinen vier Spielen als Interims-Chef zum gewohnten 4-3-3 zurück, was der Mannschaft sichtbar Sicherheit gab, sie vor einer desolaten Halbzeit in Ulm aber nicht bewahrte. Auch stellte er den trickreichen Jean-Luc Dompé in die Startelf; anders als Baumgart, der ihn gern von der Bank brachte.

Insbesondere die Vorbereitung im neuen Jahr bis zum ersten Spiel 2025 gegen den Tabellenführer 1.FC Köln am 18. Januar soll Mannschaft und Trainer einander noch näher bringen. Dann wird auch Stürmer Robert Glatzel nach seinem Sehnenriss zurückerwartet.

Dass Polzin eine Vergangenheit als HSV-Fan mit Street Credibility hat, weil er „Allesfahrer“ war, taugte nur zur Randnotiz – Steffen Baumgart hatten seine jungen Jahren im Zeichen der Raute doch auch nicht weitergeholfen.

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1 Kommentar

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  • Ich hab in der Einleitung abgebrochen.



    Diese Mützen gabs zwar mit Raute zu kaufen, aber ohne 72 im Fanshop.