Neuer Chef von schottischer Regierungspartei: Von Punjab nach Edinburgh
Gesundheitsminister Humza Yousaf ist neuer SNP-Vorsitzender. Der 37-Jährige wird erster nicht-weißer First Minister Schottlands.
Yousafs Vater stammt aus Pakistan. Seine Mutter, die indischer Abstammung ist, wuchs in Kenia auf. Als dort der rassistische Hass auf Menschen aus Indien anwuchs, flüchtete ihre Familie nach Schottland, nachdem Yousafs Großmutter mit einer Axt angegriffen worden war. Yousaf selber erblickte das Licht der Welt am 7. April 1985 in Glasgow.
Mit 16 wurde er als Muslim von Altersgenossen gefragt, warum Muslime Amerika hassen, erzählte er in einem Interview. Yousaf hat einen Magister in Politik von der University of Glasgow. 2011 wurde er als jüngster Abgeordneter Schottlands ins Regionalparlament gewählt. „Von Punjab ins Parlament“ beschrieb er jetzt in seiner Siegesrede seinen Lebensweg und betonte, man müsse „den Weg der Migranten feiern“.
Er will auf Konfrontationskurs mit London gehen
So regieren nun in Edinburgh wie auch in London Premierminister mit Wurzeln in Indien. Unter den drei KandidatInnen für Sturgeons Nachfolge war Yousaf der einzige, der mit der britischen Regierung in London auf Konfrontationskurs gehen will, mit dem Ziel der schottischen Unabhängigkeit, und auch derjenige, der am ehesten die linkszentristische Linie seiner Vorgängerin vertritt. Er will das progressive Besteuerungsmodell „bis zum Maximum“ ausreizen, sagte er im Wahlkampf, und Kinderarmut durch Besteuerung der Reichen abschaffen.
Mit Yousafs Wahl entgeht Schottland einer Regierungskrise, denn die Grünen sichern im schottischen Parlament der SNP die Mehrheit und hatten am Wochenende gewarnt, dass dies ohne ein Bekenntnis zu progressiver Politik nicht garantiert sei. Mit Yousafs Hauptkontrahentin Kate Forbes, die zum christlich-konservativen Lager gehört und jetzt auf 47,9 Prozent kam, hätten sie nicht zusammengearbeitet.
Doch Yousafs politische Bilanz wurde während des Wettkampfes bloßgestellt. Als Verkehrsminister hatte er Mitverantwortung für den Bau zweier Fähren, womit die schottische Regierung ein fast bankrottes Unternehmen beauftragte. Sie sind bis heute nicht fertig und kosten nun das Dreifache des veranschlagten Preises. Als Gesundheitsminister musste sich Yousaf Vorwürfe zu den Rekordwartelisten im schottischen Gesundheitssystem gefallen lassen und zur höchsten Drogenabhängigkeit in Europa. Seine angeblich offene Haltung zur LGBTQIA+-Community wird von manchen angezweifelt, weil er bei der Abstimmung zur Legalisierung der Homoehe in Schottland im Jahr 2014 aufgrund eines religiösen Termins nicht zur Wahl ging.
In Umfragen unter der schottischen Allgemeinbevölkerung schnitt Yousaf vergangene Woche mit einem Negativsaldo von 20 Prozent ab. Er übernimmt nun eine lädierte Partei, die nicht nur Nicola Sturgeon verloren hat, sondern auch ihren Geschäftsführer Peter Murrell, den Ehemann Sturgeons. Schottlands Labour-Chef Anas Sarwar glaubt, dass es jetzt leichter für Labour werde, da Yousaf das Kaliber Sturgeons nicht einmal ansatzweise erreiche. „First Minister“ wird Yousaf am Dienstag, wenn die Abgeordneten in schottischen Parlament Holyrood zur Wahl schreiten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen