Neue europäische Rakete Ariane 6: Start mit Schönheitsfehler
Europas Schwerlastrakete Ariane 6 hebt erfolgreich ab. Doch zum Schluss lief doch nicht alles nach Plan und ein Hilfsmotor stotterte.
Bis kurz vor Schluss läuft der Start der neuen Ariane 6 perfekt: Europas neu entwickelte Schwerlastrakete hebt vom Weltraumbahnhof in Kourou, Französisch-Guyana, in den tropisch-blauen Himmel ab. Die Booster werden abgetrennt, die Hauptstufe zündet, die komplett neu entwickelte Oberstufe funktioniert und setzt in drei Stufen verschiedene Kleinsatelliten und Experimente in etwa 600 Kilometern Höhe aus. Europa hat wieder einen eigenen Zugang zum All. Oder, wie Josef Aschenbacher, Chef der Europäischen Raumfahrtagentur Esa, sagt: „Europa ist zurück.“
Matthias Wachter, Raumfahrtexperte beim Industrieverband BDI, hebt die strategische und gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Mission hervor, schließlich sollen Satelliten für Erdbeobachtung, Kommunikation, Wettervorhersage und Militär ins All gebracht werden. Knapp ein Jahr lang mussten europäische Satelliten mit US-amerikanischen SpaceX-Raketen starten, weil Ariane 6 noch nicht fertig war.
Zum Ende des Fluges läuft dann doch nicht alles nach Plan. Dieser Teil ist ohnehin eher experimentell. Während sehr viel vorab berechnet und getestet werden kann, ist das hier nicht möglich gewesen, wie Martin Sion, Chef des Raketenbauers ArianeGroup, nach dem Start erklärt. Wegen der Schwerelosigkeit, die sich im Labor nur schwer simulieren lässt. Die Triebwerke der Oberstufe sollten erneut gezündet werden, um zwei weitere Experimente auszusetzen und die Oberstufe dann kontrolliert abstürzen und verglühen zu lassen. Doch ein Hilfsmotor läuft nicht wie gewünscht, das Triebwerk bleibt aus. Und so kreist die Oberstufe jetzt weiter im All.
Ariane 6 ersetzt Ariane 5, die zwischen 1996 und 2023 insgesamt 117 Mal gestartet ist. Benannt ist die Rakete nach der Fruchtbarkeitsgöttin aus der griechischen Mythologie – im Französischen heißt sie Ariane, nicht Ariadne. Ariane 6 ist etwas größer als die Vorgängerin, hat einen Durchmesser von 5,4 Metern und wiegt beim Start mit Sprit und Nutzlast bis zu 870 Tonnen.
In der kleineren Version ist sie 56 Meter hoch und mit zwei Boostern bestückt. Die große Version mit 62 Metern Höhe und vier Boostern kann mehr transportieren oder weiter fliegen. Insgesamt hat die Entwicklung seit 2015 rund vier Milliarden Euro gekostet. Und sie war vier Jahre später als geplant fertig.
Auch wenn der Jungfernflug im Wesentlichen erfolgreich lief: Die Rakete ist nicht das Maß der Dinge. Das setzt SpaceX mit der Falcon 9, die 2023 fast 100 Mal abhob. Für 2024 sind mehr als 140 Starts geplant, für Ariane 6 einer. Die Amerikaner können so häufig abheben, weil die Falcon 9 wiederverwertbar ist. Von einer Ariane 6 dagegen verglüht das meiste in der Erdatmosphäre. Jedes Mal hebt eine neue Rakete ab. Entsprechend unterscheiden sich die Kosten für einen Start: umgerechnet um die 62 Millionen Euro bei der Falcon 9, geschätzt 100 bis 120 Millionen Euro bei der Ariane 6. Immerhin ist sie schon rund 40 Prozent günstiger als ihre Vorgängerin. Die nächste Generation der Rakete soll dann auch wiederverwertbar sein.
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