Neue britische Premierministerin: Scheitern vorprogrammiert
Liz Truss hat ihre Amtszeit mit einer blutleeren Rede begonnen – uund setzt sich große Ziele. Das kann nicht gut gehen.
D as kann nicht gut gehen. Liz Truss, die neue Premierministerin des Vereinigten Königreichs, hat am Dienstagabend vor ihrem Amtssitz in der Londoner Downing Street eine erstaunlich emotionslose und blutleere Rede gehalten, die vor Worthülsen strotzte.
Sie will dafür sorgen, dass Großbritannien von der Brexit-Leine gelassen werde und wieder funktioniere, dass Krankenhäuser, Schulen und Straßen gebaut werden, dass die Energiekrise gemeistert werde, und dass niemand lange auf einen Arzttermin warten müsse. Hehre Ziele, keine Frage, aber nach zwölf Jahren Tory-Herrschaft ist das recht dünn. Warum sind ihre Vorgänger nicht auf die Idee gekommen?
Es liegt an der Realität. Seit zehn Jahren gehört Truss den verschiedenen Regierungen an. Seitdem sind Wachstum und Produktivität sowie das Haushaltseinkommen in Großbritannien langsamer als in allen anderen EU-Ländern außer Zypern und Griechenland gestiegen, es herrscht die höchste Inflation seit 40 Jahren. Und jetzt kommt auch noch eine Steigerung der Energiepreise um 400 Prozent hinzu.
Von all dem lässt sich Truss nicht die Laune verderben, man kann die Realität ja ignorieren. Gut, es war ihre erste Rede als Regierungschefin, und da darf man vielleicht nicht allzu viel erwarten. Aber im Wahlkampf um die Nachfolge von Boris Johnson hatte sie ihre Pläne konkretisiert. Sie will den Karren durch Steuererleichterungen im Wert von 30 Milliarden Pfund aus dem Dreck ziehen, aber dieses Geld wird laut ihren Plänen vor allem den Reichsten zugutekommen. Und sie will für den Abbau von Bürokratie sorgen – ein Schlagwort, in das sich Politiker flüchten, wenn ihnen sonst nichts einfällt.
Truss sucht Streit mit der EU
Großbritannien steht vor großen Herausforderungen. Truss erweckt nicht den Eindruck, als wäre sie ihnen gewachsen. Und im Hintergrund lauert immer noch das Nordirland-Protokoll, das Teil des Brexit-Vertrags ist. Es regelt, dass Nordirland Teil des EU-Binnenmarkts bleibt, um eine harte Grenze auf der irischen Insel zu vermeiden. Weil Nordirland dadurch anders behandelt wird als der Rest des Vereinigten Königreichs, haben die Unionisten die Regionalregierung in Belfast im Februar zu Fall gebracht.
Truss hat ihnen versprochen, das Protokoll außer Kraft zu setzen, ein entsprechendes Gesetz ist auf den Weg gebracht. Aber ist sie wirklich bereit, dafür einen Handelskrieg mit der EU zu riskieren? Ihre Sprache ist jedenfalls kriegerisch: „Wir haben von der Geschichte gelernt, dass die EU nur eins versteht, nämlich Stärke.“ Truss hat eigentlich genug dringendere Probleme.
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