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Neue Zahlen zu Flüchtlingen2020 deutlich weniger Abschiebungen

Wegen Corona wurde in diesem Jahr deutlich weniger abgeschoben. Wie die taz berichtet, steigen die Zahlen inzwischen aber wieder.

Ankommen statt abgeschoben werden – Geflüchtete aus einem griechischen Lager kommen in Kassel an Foto: dpa

Berlin afp/dpa/taz | Die Zahl der Abschiebungen aus Deutschland ist während der Corona-Pandemie im ersten Halbjahr auf einen Tiefstand gesunken. 4.616 Menschen wurden in den ersten sechs Monaten abgeschoben, wie die Neue Osnabrücker Zeitung in ihrer Donnerstagsausgabe unter Berufung auf Angaben des Bundesinnenministeriums berichtet. Im entsprechenden Vorjahreszeitraum waren es noch 11.496 Menschen und damit weit mehr als doppelt so viele gewesen.

In 362 Fällen zwischen Januar und Juni benutzten die Einsatzkräfte demnach Gewaltmittel, um Ausländer abzuschieben. 448 versuchte Abschiebungen seien gescheitert, heißt es der Zeitung zufolge in einer Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion. In 74 Fällen hätten Piloten oder Fluggesellschaften die Beförderung verweigert.

Wie die taz bereits Ende Juli berichtet hatte wurden insbesondere im Frühjahr kaum Menschen aus Deutschland abgeschoben. Inzwischen steigt die Zahl der Abschiebungen aber wieder dramatisch. Wie aus Zahlen des Bundesinnenministeriums hervorgeht, wurden im Juni schon wieder 406 Menschen aus Deutschland abgeschoben. Das sind zwar deutlich weniger als im Januar und Februar – als die entsprechenden Zahlen jeweils über 1.500 lagen –, aber viel mehr als im April (30) und Mai (92).

Diese U-Kurve in der Abschiebungsstatistik findet sich auch, wenn man die Zahlen auf die einzelnen Bundesländer aufschlüsselt: Nach einem Tiefpunkt in April und Mai geht es bei fast allen mittlerweile wieder steil nach oben. Und die unvollständigen Angaben, die es bisher für Juli gibt, deuten darauf hin, dass die Zahl weiter gestiegen ist. In Hamburg etwa wurden zwischen dem 1. und 23. Juli deutlich mehr Menschen abgeschoben als im kompletten Juni.

Grenze bei Familiennachzug nicht erreicht

Die Länder setzen damit um, was auf der Innenministerkonferenz in Erfurt im Juni beschlossen wurde: Damals sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums der taz, die „Rückführungen“ sollten „langsam wieder anlaufen“.

Neue Zahlen gibt es mittlerweile auch zum Familiennachzug: Die in der Bundesregierung vereinbarte Obergrenze von 1.000 Menschen pro Monat für den Nachzug zu subsidiär Schutzberechtigten wird derzeit nicht ausgeschöpft. Seit August vergangenen Jahres vergaben deutsche Auslandsvertretungen jeden Monat weniger als 900 Visa für Angehörige dieser Flüchtlingsgruppe, zu der viele Syrer gehören. Das geht aus aktuellen Zahlen des Auswärtigen Amts hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen. Insgesamt würden zwischen August 2019 und Juni dieses Jahres 5.921 Visa ausgestellt. Zahlen für den Juli lagen noch nicht vor.

Subsidiären oder eingeschränkten Schutz bekommt, wem in der Heimat ernsthafter Schaden droht, zum Beispiel die Todesstrafe, Folter oder Krieg. Mit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie ist die Zahl der Einreisegenehmigungen für Angehörige dieser Gruppe noch einmal eingebrochen, wie auch beim Familiennachzug insgesamt. Wurden im März noch 480 Visa für Angehörige von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus vergeben, so waren es im April nur noch vier, im Mai eins. Im Juni stieg die Zahl wieder auf 43. Viele deutsche Auslandsvertretungen, wo man die Anträge stellen muss, arbeiten wegen der Pandemie nur eingeschränkt.

Subsidiär Schutzberechtigte sind schlechter gestellt als Ausländer, die sich auf politische Verfolgung berufen können, oder Flüchtlinge nach der Genfer Konvention, denen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe Verfolgung droht.

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1 Kommentar

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  • "Subsidiär Schutzberechtigte sind schlechter gestellt"

    Hier fände ich Genauigkeit (Beispiel, Einordnung der Dimension) hilfreich, denn zB eine Aufenthaltserlaubnis ist hier (durch die Ausländerbehörden) genauso zu erteilen, wie eine Arbeitserlaubnis. Man muss sich dabei ebensowenig dem s.g. Fachkräfteeinwanderungs- und -anerkennungsverfahren unterwerfen. Der Zugang zu Jobcenterleistungen ist grundsätzlich identisch.