Neue Verteilmethode für MigrantInnen: Wegweiser mit Haken
Erstmals wurden gut 200 Flüchtlinge mit der Malta-Methode auf vier Länder verteilt. Die Wartezeiten sind kürzer, aber manche Länder profitieren nicht.
F ünf Tage – länger musste keiner der 213 Schiffbrüchigen auf der „Ocean Viking“ verbringen, einem von Ärzte ohne Grenzen und SOS Méditerranée betriebenen Rettungsschiff, bevor sie am Sonntag in Messina auf Sizilien von Bord gehen konnten. Von dort aus sollen sie in andere EU-Staaten weiterreisen.
Dass sie keine wochenlange Odyssee auf einem völlig überladenen Schiff über sich ergehen lassen mussten wie viele andere Flüchtlinge in den letzten 18 Monaten, hat die Malta-Methode, ein neuer Verteilmechanismus, möglich gemacht. Der Mechanismus, auf den Italien, Deutschland, Frankreich und Malta sich im Spätsommer einigten, hat einige Haken: Er gilt nur für ganz bestimmte Regionen. Griechenland und Zypern etwa können nicht davon profitieren.
Zudem ist noch immer unklar, welche weiteren Staaten zur Aufnahme bereit sind. Auf einem EU-Innenministertreffen in Luxemburg war jüngst eine entsprechende Erklärung erst einmal vertagt worden. Trotzdem ist der Mechanismus in mehreren Punkten politisch wegweisend, denn er erkennt an, dass Fortschritte in der EU-Asylpolitik nur dann möglich sind, wenn Staaten wie Ungarn oder Polen nicht länger alles blockieren können, was nicht noch mehr Abschottung bedeutet.
Das ist möglich, vorausgesetzt man akzeptiert, dass sie nicht dabei sind. Die Malta-Methode signalisiert vor allem Italien, dass es vorangehen kann, auch was die Entlastung der Außengrenzenstaaten angeht. Der Mechanismus ist zwar kein Ersatz für die ausstehende Dublin-Reform, aber er macht Hoffnung, dass es eine solche geben kann. Und das kann helfen, die Post-Salvini-Koalition in Rom zu stabilisieren.
Keinesfalls aber darf angesichts dieses Fortschritts vergessen werden, dass die Malta-Methode nur eine Facette eines Regimes ist, das gleichzeitig ganz gezielt Seenotrettung verhindert. Stattdessen setzt die EU auf die libysche Küstenwache, damit sie ihr das Problem vom Hals hält. Seit Ende Juni liegt etwa die „Sea-Watch 3“ als eines der wenigen verbleibenden zivilen Rettungsschiffe beschlagnahmt im Hafen von Licata auf Sizilien.
Und das hat schlimme Folgen, denn es vergeht praktisch keine Woche, ohne dass Menschen vor Europas Südküste ertrinken. Allein am Samstag starben bei einem Unglück vor Lampedusa 20 Menschen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen