piwik no script img

Neue VerfassungsrichterinAsylexpertise für Karlsruhe

Mit der Göttinger Rechtsprofessorin Christine Langenfeld ist eine Asylexpertin neue Verfassungsrichterin in Karlsruhe. Was heißt das?

Demonstration nach dem Asylpaket I in Hamburg Foto: dpa

Seit einer Woche ist mit Christine Langenfeld erstmals eine Asylexpertin als Richterin am Bundesverfassungsgericht tätig. Die Göttinger Rechtsprofessorin war seit 2012 Vorsitzende des Sachverständigenrats für Migration und Integration. Obwohl Langenfeld CDU-Mitglied ist, warb sie für Einwanderung. Und als CSU-Chef Horst Seehofer Anfang des Jahres von einer „Herrschaft des Unrechts“ sprach, verteidigte Langenfeld Kanzlerin Merkel. Seehofer sei „europarechtlich extrem uninformiert“. Es hätte also interessant werden können, wenn Bayern tatsächlich die angedrohte Verfassungsklage für besseren Schutz der deutschen Grenzen in Karlsruhe eingereicht hätte.

Nun sitzt Langenfeld zwar in dem für Asylrecht zuständigen Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts, federführend für Asylfragen bleibt aber ihr Kollege Ulrich Maidowski, das heißt, er wird entsprechende Urteile vorbereiten. Maidows­ki ist ein ehemaliger Bundesverwaltungsrichter, kosmopolitisch aufgewachsen in Tokio und Kabul. Im achtköpfigen Senat hat allerdings jeder Richter eine Stimme, und als Asylexpertin hätte Langenfeld sicher eine besonders gewichtige Stimme.

Bei den jüngsten Asyldiskussionen ging es mehrfach um Verfassungsfragen, zum Beispiel bei der geplanten Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als „sichere Herkunftsstaaten“. Pro Asyl wies darauf hin, dass Karlsruhe 1996 gefordert hatte, dass die Freiheit von Verfolgung „landesweit und für alle Bevölkerungsgruppen“ bestehen muss. Da dies zumindest für Homosexuelle eindeutig nicht gegeben ist, könnte eine Verfassungsklage interessant werden. Noch aber ist das vor allem symbolisch wichtige Gesetz nicht beschlossen.

Dagegen erhalten vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, die nicht unverschuldet an der Ausreise gehindert sind, schon seit dem 1. November 2015 nur noch Unterkunft, Ernährung, Körper- und Gesundheitspflege. Damit sind in der Regel Leistungen des sozialen Existenzminimums (für Telefonate, Verkehr, Medien, Kultur) ausgeschlossen. Pro Asyl sah darin eine Verletzung von Menschenwürde und Sozialstaatsprinzip. Doch es gibt noch keine entsprechenden Fälle in Karlsruhe.

Geld für Asylbewerber fast zwanzig Jahre lang nicht erhöht

Die letzte große Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Flüchtlingsrecht war 2012 im Ersten Senat, der Sozialleistungen für Flüchtlinge für „evident unzureichend“ hielt. Die Sätze des seit 1993 geltenden Asylbewerberleistungsgesetzes waren fast zwanzig Jahre lang nicht erhöht worden. Nun mussten sie auf knapp unter Hartz-IV-Niveau angehoben werden. Federführend war hier die einst von den Grünen nominierte feministische Rechtsprofessorin Susanne Baer.

Derzeit sind aber weder am Ersten noch am Zweiten Senat in Karlsruhe grundlegende Asylprobleme anhängig. Das könnte auch damit zu tun haben, dass das Asylgrundrecht 1993 von Union und SPD weitgehend abgeschafft wurde. Auf das Grundrecht kann sich nur noch berufen, wer per Flugzeug ankommt und nicht über einen sicheren Drittstaat einreist.

Dass es heute immer noch ein Asylrecht gibt, hat andere Gründe, vor allem dass die EU Mindeststandards für Asylverfahren und -anerkennung vorgibt. Diese Standards sind höher als früher beim Asylgrundrecht. So gibt es jetzt auch fast gleichwertigen Schutz für Bürgerkriegsflüchtlinge.

Für die Auslegung des EU-Asylrechts ist aber nicht das Bundesverfassungsgericht zuständig, sondern der Europäische Gerichtshof in Luxemburg. Der EuGH hat etwa entschieden, dass von Homosexuellen nicht verlangt werden kann, dass sie in ihren Herkunftsländern heimlich leben sollen, um nicht verfolgt zu werden.

Eine ergänzende Rolle spielt auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Er hat zum Beispiel 2011 durchgesetzt, dass Abschiebungen nach Griechenland unzulässig sind, weil Flüchtlinge dort nicht ausreichend versorgt werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Kaffeesatzlesen am Sonntagmorgen.

    Man muß es mögen - oder auch nicht;)

    Aber gut - daß jemand mal wieder drüber gesprochen hat.