Neue US-Präsidentensprecherin: Kein Gegenmittel, aber ein Signal
Karine Jean-Pierre ist die erste schwarze und offen homosexuelle Sprecherin. Es ist ein Signal an eine Community, die gerade unter Druck gerät.
K arine Jean-Pierre weiß, dass sie Geschichte schreibt: Wenn sie Mitte Mai das Amt von ihrer Vorgängerin Jen Psaki übernimmt, wird mit ihr zum ersten Mal eine schwarze Frau zur Sprecherin eines US-Präsidenten – sowie eine Frau, die offen und selbstverständlich mit ihrer Partnerin zusammenlebt. „Ich verstehe, wie wichtig es für so viele Menschen da draußen ist“, antwortete Jean-Pierre auf Fragen zu ihrer Ernennung.
Es ist wichtig, denn „da draußen“ wird derzeit vielen Menschen, die sich als LGBTQI identifizieren, das Leben schwerer gemacht. In vielen US-Bundesstaaten gab es letzthin Initiativen für Gesetze, die Bürgerrechtler*innen und Aktivist*innen ganz klar als Angriff auf sie sehen: Fast 240 Anti-LGBTQI-Gesetzesvorschläge zählte der Fernsehsender NBC in einer Analyse von Anfang bis Mitte März 2022.
In Florida unterschrieb der republikanische Gouverneur Ron DeSantis Ende März ein Gesetz, das Kritiker*innen „Don’t say gay“-Gesetz nennen, weil es das Sprechen über Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung an Schulen erschwert. Andere Staaten wie etwa Ohio wollen nachziehen. Man kann sich nur zu gut vorstellen, wie erdrückend das für queere Jugendliche sein muss.
Jean-Pierre ist hoch qualifiziert – schließlich stand sie bereits selbst auf dem Sprecherinnenpodium, als sie Psaki vertrat. Sie ist die Tochter haitianischer Immigranten, ihre Mutter Pflegerin, ihr Vater Taxifahrer, und kennt den Betrieb und die Hauptstadtreporter*innen gut, da sie in der Regel mit im Raum war, wenn Psaki die Pressefragen entgegennahm. Außerdem begleitete sie US-Präsident Joe Biden auf seinen Reisen. Einfacher wird ihr Job in der kommenden Zeit nicht, schließlich sind im November Halbzeitwahlen in den USA.
Natürlich ist die Berufung der 44-Jährigen kein direktes Gegenmittel gegen die LGBTQI-feindlichen Initiativen, mit denen konservative Politiker*innen ihre Wähler*innenschaft vor den Halbzeitwahlen im November beeindrucken wollen. Aber sie ist zumindest ein Signal für alle, die nun schändlicherweise durch Gesetze vermittelt bekommen, dass ihr Sein in der Öffentlichkeit nicht vorkommen darf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers