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Neue Tierart durch KlimawandelSich mal wie eine Blüte fühlen

Blau-schwarzes Etwas von bis zu drei Zentimetern: Die Holzbiene hat Berlin erobert und breitet sich von da in den Osten und Norden Deutschlands aus.

Eine Holzbiene tut sich an den Blüten eines Muskatellersalbei gütlich Foto: dpa/David Ebener

Berlin taz | Huch, was ist das denn für ein riesiges Ding? Ein blau-schwarzes Etwas fliegt auf einmal vor meiner Nase, das nach einer Mischung von Hummel und Biene aussieht, nur eben irritierend groß, die Flügel schillern violett. War das so etwas wie eine Fata Morgana? Schließlich ist es ein heißer Tag im Garten. Eine Minute später ist das eindrucksvolle Insekt wieder da und sogleich wieder weg, diesmal auf Brusthöhe. Man kommt sich wie eine große Blüte vor, die mal eben, wohl wegen des bunten T-Shirts, auf Pollen abgecheckt wird. Aber bei mir ist nichts zu holen, das Tier fliegt weiter. Keine Chance, es genauer zu betrachten.

Doch die Nachbarin im Garten nebenan in der Kleingartensiedlung in Niederschönhausen (also Pankow) weiß Bescheid. Denn bei ihr lebt das seltsame, mir unbekannte Tier, sozusagen zur Untermiete. „Es ist total friedlich“, sagt sie, und „wohnt bei uns im Apfelbaum.“ Der ist längst abgestorben und steht ohne Rinde da. Auf solch totes Gehölz fliegen die Holzbienen, erzählt die Nachbarin. Schon seit letztem Jahr sei die Holzbiene da.

Mit ihren Mundwerkzeugen bauen sie Nestgänge ins Totholz für den Nachwuchs. Die wärmeliebenden Bienen sind in den Tropen und Subtropen verbreitet, kommen aber (außer im hohen Norden) weltweit vor. Nun also in der Hauptstadt.

Wieder eine neue Art entdeckt, denke ich. Und höre von einem taz-Kollegen, dass sich die Holzbiene hier und da in Berlin schon seit Längerem blicken lässt.

Vor neun Jahren das erste Mal gesichtet

„Das stimmt“, sagt Derk Ehlert, der Wildtierbeauftragte des Berlins Senats, der am Telefon als Erstes fragt, in welchem Stadtteil die Sichtung erfolgte. „Das ist kein neues Phänomen und doch noch etwas Neues.“ Die blau-schwarze Biene wurde vor etwa neun Jahren das erste Mal in Berlin offiziell beobachtet. „Die großen Brummer fallen halt auf.“

Dass die Meldungen über das auffallende Insekt seit Kurzem zugenommen haben, hätte mit Corona zu tun, sagt Ehlert. Die Menschen sind eben öfter draußen als in früheren Jahren und zudem aufmerksamer in der Natur unterwegs.

Wie sind die Tiere nach Berlin gekommen? Aus wärmeren Gegenden, etwa dem Tessin in der Schweiz, eingeflogen? „Das könnte durchaus sein“, sagt Ehlert, „aber wahrscheinlicher wäre es, dass die Holzbiene unbewusst mit einem Gütertransport zu uns kam.“ Und sie fühlt sich wohl, ist ein nun ständiger Gast und überwintert hier, die Winter werden ja tendenziell immer milder – auch das ein Aspekt des Klimawandels.

Und von Berlin aus „breitet sich die Holzbiene weiter nach Osten und Norden aus“, wie Ehlert sagt. „Holzbienen sind harmlos“, betont er, „und streng geschützt.“ Und nützlich, weil die Holzbienen Pflanzen bestäuben. Auch bei uns im Garten.

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