Neue Stars bei der WM: Jugend forsch

Wer spricht bei der WM noch von Rapinoe, Sinclair oder Marta? Längst haben junge Ausnahmespielerinnen die Bühne übernommen. Unsere Elf des Aufbruchs.

Aitana Bonmati lässt am Boden liegende Gegenspielerin hinter sich

Augenweide im Zweikampf: Spaniens Aitana Bonmati setzt sich gegen Jackie Groenen (Niederlande) durch Foto: Molly Darlington/reuters

Torhüterin

Daphne van Domselaar (23): Die Niederländerin steht für eine neue Generation von Torhüterinnen, die das Spiel der Keeperinnen auf ein neues Niveau gebracht haben. Dies ist eine der bemerkenswertesten Entwicklungen dieses Turniers. Van Domselaar besticht durch ihre Sprungkraft und Athletik, verfügt über ein gutes Stellungsspiel und kann ins Aufbauspiel eingebunden werden. Ihren Paraden hatten die Niederländerinnen vor allem ihre Viertelfinalteilnahme zu verdanken. Bei der EM vor einem Jahr war sie noch als Ersatz vorgesehen, ehe sie eine Verletzung der Stammkeeperin ins Spiel brachte. Seither kann keiner mehr sie sich von diesem Posten wegdenken.

Abwehr

Naomi Girma (23): Über Innenverteidigerinnen wird selten viel gesprochen. In den USA richtete sich alle Aufmerksamkeit auf das offensive Zukunftsversprechen Alicia Smith. Bestnoten von der einheimischen Presse bekam jedoch dann Girma, weil sie mit Ruhe und Überblick für Stabilität sorgte. Im vergangenen Jahr wurde sie in der National Women Soccer League zum Rookie des Jahres gewählt. Bei der WM hatte sie schon die Ausstrahlung eines Routiniers.

Ellie Carpenter (23): So, wie das deutsche Team für viele nur Popp und Co ist, ist das australische immer noch nur Kerr und Co. Dabei hat die bislang kaum gespielt. Eigentlich müsste sich längts Carpenter und Co eingebürgert haben. Die Rechtsverteidigerin bringt bei dieser WM die Gegnerinnen dazu, das Spiel lieber auf die andere Seite zu verlagern. Mit ihrer Schnelligkeit sind ihre Vorstöße nach vorne von größtem Wert. Die meisten Durchbrüche, so hat es die Fifa gezählt, gingen im australischen Team auf sie zurück. Kein Wunder, dass sie fester Bestandteil im erfolgreichsten europäischen Team bei Olympique Lyon ist. Vom asiatischen Fußballverband wurde sie bereits 2020 zur Spielerin des Jahres gewählt – vor Sam Kerr.

Ashleigh Plumptre (25): Nigerias Außenverteidigerin wird in Erinnerung bleiben – nicht nur wegen ihres gewaltigen Schusses an die Latte im unglücklich verlorenen Achtelfinale gegen England. Ihre Ballsicherheit, ihre taktische Disziplin und ihr Offensivdrang waren eine wahre Offenbarung. Und auch ihre Auftritte neben dem Feld hatten es in sich: „Ich habe es satt, wenn es immer nur heißt, afrikanische Teams sind stark oder schnell, und taktische oder technische Fähigkeiten unerwähnt bleiben“, sagte sie nach dem Englandspiel. Ihr Vertrag bei Leicester City ist gerade ausgelaufen. Bitte zugreifen!

Mittelfeld

Aitana Bonmati (25): Vieles spricht dafür, dass die Spanierin Nachfolgerin von Alexia Putellas als Weltfußballerin wird. Es ist eine Augenweide, wie sie bei dieser Weltmeisterschaft dem Spiel ihres Teams den Rhythmus vorgibt, weiß, wann es Zeit für Spielbeschleunigung oder -beruhigung ist. Ihre Fantasie, Räume zu sehen, die den allermeisten verborgen bleiben, ist ohnehin einmalig. Ist der Ball vor ihren Füßen, weiß man, dass er bald zu einer Mitspielerin finden wird – oder ins Tor. Einen guten Torabschluss hat sie nämlich auch noch. Drei Treffer hat sie bei der WM erzielt. Die amtierende Weltfußballerin Putellas sitzt derweil auf der Bank.

Jun Endo (23): Die Ballsicherheit der Japanerin im Mittelfeld gibt ihren Kolleginnen Sicherheit, und wie sie mit ihrem linken Fuß die Bälle verteilt, sucht seinesgleichen. Endo gehörte dem Team an, das 2018 die U20-WM gewonnen hat, und ist Sprössling der Nachwuchsakademie des japanischen Verbands. Wie man sich gegen gestandene Profis durchsetzt, hat sie bei Angel City gelernt, für den sie seit 2022 in der US-Liga NWSL spielt. Japans Trainer weiß seine Offensivkraft zu schätzen: „Sie ist eine Spielerin, die immer wieder etwas Neues ausprobiert.“ Wohl wahr.

Hinata Miyazama (23): Bis zum Scheitern im Viertelfinale gegen Schweden war die Mittelfeldspielerin mit ihren fünf Treffern Topkandidatin für den Goldenen Schuh. Den erhält, wer die meisten Tore erzielt. Es wäre eine große Überraschung gewesen, denn Miyazama ist bislang noch nicht auf dem Radar der großen Vereine in den USA oder Europa. Sie spielte in der heimischen Liga für Mynavi Sendai. Das könnte sich bald ändern. Ihre Stärke bei diesem Turnier war ihr Gespür für die Schnittstellenpässe, welche die Japaner so kunstvoll zu spielen wussten. Dreimal hat sie mit rechts getroffen, zweimal mit links. Flexibel ist sie also auch noch. Ihre eigentliche Expertise liegt aber eigentlich in der Torvorbereitung. In der heimischen Liga hat sie jüngst nur viermal getroffen und brauchte 39 Spiele dafür.

Melchie Dumornay (19): Wer die Meisterschaft des Nord- und Mittelamerikanischen Fußballverbands 2022 verfolgt hat, dem war die Offensivkraft im Mittelfeld gewiss aufgefallen. Aber wer hat das schon? Dass sie zur besten Nachwuchsspielerin des Turniers in Mexiko gewählt wurde, das immerhin hat sich herumgesprochen. Und schließlich waren es ihre beiden Tore in den Playoffs gegen Chile, die dem Team aus Haiti die WM-Qualifikation beschert haben. In Frankreich weiß man schon länger um ihre Fertigkeiten am Ball und ihre Übersicht. Zur kommenden Saison wechselt sie von Reims zu Olympique Lyon, einer der besten Adressen im europäischen Fußball.

Sturm

Linda Caicedo (18): Wie ein Magnet scheint die Kolumbianerin die Bälle anzuziehen. Die 18-Jährige war auch im Achtelfinale gegen Jamaika die meistangespielte Protagonistin auf dem Platz. Ihre Mitspielerinnen wissen, dass sie mit dem Ball wahlweise ihre Gegenspieler schwindlig spielen oder einfach davonziehen kann. Unzählige Sprints sind von ihr bei dieser WM notiert. Ganz schön viel Verantwortung für eine, die gerade volljährig geworden ist und in diesem Jahr schon ihr drittes großes internationales Turnier spielt. Im Training musste sie einmal behandelt werden, als sie ohne Gegnerinnenkontakt erschöpft zu Boden ging. Auf der WM-Bühne scheint sie die Belastung und Erwartungen einfach wegzulächeln.

Casey Phair (16): Als sie in der 78. Minute des ­Vorrundenspiels Südkorea–Kolumbien eingewechselt worden ist, hat die Angreiferin Geschichte geschrieben. Sie ist die jüngste Spielerin, die bei einer WM eingesetzt wurde, 16 Jahre und 26 Tage war sie da alt. Normalerweise spielen Schülerinnen, die gerade aufs College vorbereitet werden, nicht bei einer WM. Phair, die in den USA aufwächst, ist aber längst gescoutet worden. Sie wird in einer Fußballakademie in New Jersey geschult. Viel ist da nicht mehr zu tun, wird denken, wer sie im Gruppenspiel gegen die Deutschen sah.

Lauren James (21): Es war ein dämlicher Tritt auf den Rücken ihrer nigerianischen Gegenspielerin, der ihr eine Rote Karte einbrachte. Eine Dummheit, für die sie sich entschuldigt hat. Und schade für alle, die sich bis dahin am Spiel der Angreiferin berauscht hatten. Beim 6:1 gegen China war sie an fünf von sechs Treffern beteiligt, zwei hat sie selbst geschossen, drei vorbereitet. Das Spiel gegen Dänemark hat sie mit dem einzigen Tor des Tages alleine entschieden. James sorgt mit ihrem Blick dafür, wo das Tor steht oder eben eine Mitspielerin, für die Überraschungsmomente im englischen Spiel. Wenn sie bei der WM nicht mehr zum Einsatz kommen sollte, kann man sie beim FC Chelsea spielen sehen. Es lohnt sich.

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