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Neue Sprecherin des Auswärtigen AmtsSteinmeiers Stimme

Die Berlinerin Sawsan Chebli spricht zukünftig für das Auswärtige Amt. Zuvor war sie Referentin des Berliner Senats für interkulturelle Angelegenheiten.

War bis zu ihrem 14. Lebensjahr staatenlos: Sawsan Chebli. Bild: dpa

Bei Regierungssprechern spielt die Religionszugehörigkeit meist keine Rolle. Doch dass mit Sawsan Chebli künftig eine gläubige Muslimin als Vize-Sprecherin für das Auswärtige Amt wirken wird, lässt jetzt manche Augenbraue hochgehen, zumal die Berlinerin mit ihrem Glauben nie hinter dem Berg gehalten hat. „Man sieht mir das nicht an, weil ich kein Kopftuch trage“, sagt die 35-jährige. „Aber ich bete, ich faste, ich esse kein Schweinefleisch und trinke keinen Alkohol.“

Für den Berliner Senat entwickelte sie zuletzt außerdem das Projekt „Jung, muslimisch, aktiv“, kurz „Juma“, das jugendliche Muslime motivieren sollte, sich politisch zu engagieren. Sie selbst ging damit immer mit bestem Beispiel voran.

In die Wiege gelegt wurde ihr die steile Karriere allerdings nicht. Chebli stammt aus einer deutsch-palästinensischen Familie, die nach 1970 aus einem Flüchtlingslager im Libanon nach Berlin kam und hier Asyl fand. Ihr Vater war Analphabet, zu Hause wurde nur Arabisch gesprochen, doch die Familie legte viel Wert auf Bildung. Bis zu ihrem 14. Lebensjahr war Chebli staatenlos – den deutschen Pass bekam sie erst 1993. Chebli ist das elfte von dreizehn Kindern, die meisten ihrer Geschwister wurden im Libanon geboren. Ihr ältester Bruder lebt heute als Imam in Schweden.

Zuletzt arbeitete Chebli beim Berliner Senat als Referentin für interkulturelle Angelegenheiten, ihre Kollegen dort loben ihre Verbindlichkeit und Klarheit. Das Amt geschaffen hatte der ehemalige SPD-Innensenator Erhard Körting. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) setzt mit seiner Personalie gleich in doppelter Hinsicht ein Zeichen, für seine Partei und sein Ministerium.

Weiblich, jung, mit Migrationshintergrund: diese Kombination scheint derzeit eine gute Voraussetzung zu sein, um bei den Sozialdemokraten eine steile Karriere zu machen. Aber auch in das Auswärtige Amt bringt die Quereinsteigerin frischen Wind. Dort findet man in den höheren Rängen noch heute mehr Adelstitel als anderswo, und die Sprecher des Ministeriums waren bislang immer Berufsdiplomaten.

Doch Chebli bringt außenpolitisches Fachwissen mit. Während ihres Politikstudiums an der Freien Universität Berlin konzentrierte sie sich auf Internationale Beziehungen, speziell die Nahost-Politik, und sie hat schon an zahlreichen außenpolitischen Denkfabriken mitgewirkt. „Mein Traum ist, dass jeder in diesem Land beurteilt wird nach dem, was er kann – nicht nach seinem Hintergrund“, sagte sie einmal dem Zeit-Magazin. Für sie ist dieser Traum in Erfüllung gegangen.

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4 Kommentare

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  • B
    Balduin

    Da werden wieder einige Leute Probleme mit der Herkunft dieser Frau haben.

  • P
    philippa

    "Ihr Vater war Analphabet, zu Hause wurde nur Arabisch gesprochen, doch die Familie legte viel Wert auf Bildung."

    Bitte machen Sie sich Gedanken über die logischen Verknüpfungen, die Sie in diesem Satz herstellen. Inwiefern steht "Arabisch-Sprechen" im Gegensatz ("doch") zum "viel Wert auf Bildung" legen? Würden Sie dieselbe Formulierung auch in Zusammenhang mit anderen Sprachen verwenden? "Zuhause wurde nur Englisch gesprochen, doch die Familie legte viel Wert auf Bildung." Funktioniert schon wiel weniger, nicht wahr?

    Das liegt daran, dass es für die "Bildung" des Kindes völlig unerheblich ist, welche Sprache zuhause gesprochen wird, und welchen Status diese Sprache in der Mehrheitsgesellschaft genießt. "Bildung" kann in jeder Sprache stattfinden. Es sollte nur möglichst eine Sprache sein, die die Eltern gut bzw. muttersprachlich beherrschen und in der sie sich dementsprechend auf einem hohen Niveau ausdrücken können. Welche Sprache das ist (ob Englisch, Kurdisch, Berber, Deutsch, Arabisch oder eine Gebärdensprache) ist absolut irrelevant für die kognitive Entwicklung des Kindes bzw. für dessen "Bildung" - solange es zu einem gegebenen Zeitpunkt auch mit der Mehrheitssprache der Umgebung in Kontakt kommt und bei deren Erwerb möglichst unterstützt wird (am besten aber auch hier von kompetenten Sprechern der Sprache, und nicht von Eltern, die diese Sprache selber erst vor wenigen Jahren zu lernen begonnen habene).

    Ansonsten ein erfreulicher Artikel zu einem erfreulichen Thema :-)

  • S
    Sören

    Sicher ist es ein positives Signal, wenn die Vielfältigkeit unserer Gesellschaft sich auch in Führungspositionen in Politik und Wirtschaft wiederspiegelt. Sie ist für die Aufgabe qualifiziert, und zufällig auch muslimischen Glaubens.

     

    Die Debatte um den Aufstieg von Migranten erinnert an die Debatten, die es gab, als Frauen innerhalb der Gesellschaft für sich neue Bereiche erobert haben. Auch damals verbargen sich hinter der Kritik vor allem die Angst vor neuer Konkurrenz um Jobs und Karrieren, aber kaum sachliche Gründe.

     

    Mit Blick auf die Wahlen stimmt sicher, dass die SPD bei (jungen) Frauen aufholen muss, und bei Menschen mit Migrationshintergrund ein größeres Potential hat. Aber ich habe starke Zweifel, ob viele ihre Wahlentscheidung von der Sprecherin des AA abhängig machen. Dem AfD-Anhang traue ich ein solches intellektuelles Niveau aber durchaus zu.

  • A
    Abwarten

    Jung, muslimisch, aktiv. Der Bruder ein Iman - da fühlen sich offenbar die SPD-Wähler vertreten. Es regiert allerdings auch die CDU irgendwie mit, obwohl sie die Wahl offensichtlich nach der Wahl verloren hat. Ob sich jetzt die CDU-Wähler auch vertreten fühlen wird man eventuell schon bei der Europawahl merken. Bei den Stimmen der AfD. Es könnten auch SPD-Wähler dabei sein. Seit ähnliche Politik in Frankreich schon dazu führt, daß der Front National Wahlfavorit ist und nun schon die Sozialisten zumindest in Teilen versuchen dessen Themen hinterherzuhecheln, wird man bei uns in 4 Jahren sehen wie erfolgreich die SPD/CDU die Interessen ihrer Wähler vertritt.