Neue Regierung in der Ukraine: Selenski regiert durch
Die ersten 100 Tage laufen für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski gut. Nun hat er seine Wunschkandidaten in der Regierung untergebracht.
Gontscharuk unterstützte noch im April Vorgängerpräsident Petro Poroschenko, wurde jedoch kurz darauf unter Selenski zum stellvertretenden Leiter des Präsidentenbüros ernannt. Dennoch stimmten 290 bei 226 notwendigen Abgeordneten in Kiew für ihn. In seiner Kandidatenrede sprach er davon, ein Wirtschaftswachstum von fünf bis sieben Prozent für das verarmte Land anzustreben. Die Ukraine ist eine der wenigen ehemaligen Sowjetrepubliken, die bis heute das Wirtschaftsniveau von 1990 nicht wieder erreicht hat.
Zudem wurde der Unternehmer Andrej Sagorodnjuk auf direkten Vorschlag des Staatschefs zum Verteidigungsminister gewählt. Bei seiner Wahl zum Außenminister erhielt der ebenso von Selenski vorgeschlagene Karrierediplomat Wadim Pristaiko 310 Stimmen. Iwan Bakanow, ein Jugendfreund Selenskis, wurde zum neuen Chef des Geheimdienstes SBU ernannt. Der Chef der Präsidentenpartei Sluha Narodu (Diener des Volkes), Dmitri Rasumkow, wurde neuer Parlamentsvorsitzender.
Selenski, ein ehemaligen Schauspieler und Komiker, ist erst im April zum Staatschef gewählt worden. Der 41-Jährige hatte Poroschenko, der nach fünf Jahren Krieg im Osten des Landes sehr unbeliebt war, im Amt abgelöst. Bei der Parlamentswahl im Sommer sicherte sich Selenski mit seiner Partei die absolute Mehrheit. Die Partei stellt mit 254 Abgeordneten die stärkste Fraktion und braucht keinen Koalitionspartner. Insgesamt wurden 424 Abgeordnete feierlich vereidigt – darunter auch Poroschenko.
Selenski sagte, dass er mit den Ergebnissen des ersten Sitzungstags im Parlament sehr zufrieden sei. „Ich bin überzeugt, dass das Land jetzt endlich den fünften Gang einlegen und sich sicher auf dem Weg der Veränderungen bewegen kann“, sagte er in seiner Rede. Er hoffe darauf, dass die Abgeordneten ohne Schlägereien auskämen und den Sitzungen nicht fernblieben. Das Staatsoberhaupt gab den Abgeordneten ein Jahr als Probezeit.
Treffen im Normandie-Format im September
Viele Ukrainer hoffen auch, dass mit der neuen Regierung wieder Bewegung in den festgefahrenen Friedensprozess kommt. In dem Konflikt zwischen Regierungssoldaten und prorussischen Separatisten sind nach UN-Schätzungen rund 13.000 Menschen getötet worden. Bei einem möglichen Treffen im September wollen unter anderem Deutschland und Frankreich im sogenannten Normandie-Format erneut zwischen den Konfliktparteien vermitteln.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) telefonierte dazu am Donnerstag mit Kremlchef Wladimir Putin. Die Vereinbarungen des Minsker Friedensabkommens sollten vorangetrieben werden, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit. Auch der Kreml betonte, es sei wichtig, einen möglichen Gipfel ernsthaft vorzubereiten, „um konkrete positive Ergebnisse erzielen zu können“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben