Neue Regierung in Katalonien: Koalition für die Unabhängigkeit

Die Befürworter der Abspaltung von Spanien, die im Februar eine Mehrheit in Katalonien erzielten, haben sich auf eine Regierung geeinigt.

Der katalonische Politiker Pere Aragnones steht in einem Parlamentssaal mit roten Samtsitzen

Pere Aragones nach seiner Wahl zum „Präsidenten der Generalitat“ in Barcelona Foto: Alberto Estevez/reuters

MADRID taz | Die Region Katalonien hat eine neue Regierung. Nach drei Monaten zäher Verhandlungen und einer gescheiterten Amtseinführung im März wählte das Parlament in der katalanischen Hauptstadt Barcelona im Nordosten Spaniens am Freitagnachmittag Pere Aragonès zum neuen „Präsidenten der Generalitat“, so der offizielle Titel des katalanischen Ministerpräsidenten.

Der 38-jährige Politiker steht einer Koalition aus seiner Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) und der Junts per Catalunya (JxCat – Gemeinsam für Katalonien) des im Brüsseler Exil lebenden ehemaligen katalanischen Regierungschefs Carles Puigdemont vor. Die antikapitalistische CUP unterstützt Aragonès ebenfalls.

Der neue katalanische Regierungschef vereinigt somit das gesamte Spektrum derer hinter sich, die eine Loslösung Kataloniens von Spanien wollen. Die Befürworter der Unabhängigkeit erzielten am 14. Februar gemeinsam 50,8 Prozent der Stimmen und halten seither 74 der 135 Sitze im katalanischen Parlament, so viele wie nie zuvor. Sie alle stimmten für Aragonès, der Rest dagegen.

„Mit einer Hand werden wir gegen Covid und die Krise kämpfen, mit der anderen werden wir in Richtung Unabhängigkeit voranschreiten“, versprach Aragonès in seiner Vorstellungsrede. Er hofft, dass die kommenden vier Jahre entscheidend werden auf dem Weg zu einer unabhängigen Republik Katalonien. Er will den Dialog mit der spanischen Linksregierung unter dem Sozialisten Pedro Sánchez suchen. Das Ziel: „Die Sache mit Schottland möchte ich für Katalonien. Und dass Spanien die gleiche Rolle wie das Vereinigte Königreich übernimmt“, erklärte er und verwies damit auf überwältigenden Wahlsieg der schottischen Unabhängigkeitsbefürworterin und Präsidentin Nicola Sturgeon, die die Abhaltung ein zweites Unabhängigkeitsreferendums verlangt.

Aragonès sieht ein Vorbild: Schottland

Auch Katalonien hat im Oktober 2017 bereits einmal abgestimmt. Doch wurde der Urnengang von Madrid verboten und die Verantwortlichen zu bis zu 13 Jahren Haft verurteilt. Unter ihnen der Parteichef von Aragonès' ERC, Oriol Junqueras, der zur Amtseinführung seines Genossen Freigang erhielt. Er war einst Vizeregierungschef unter dem exilierten Puigdemont, gegen den ein Auslieferungsgesuch wegen „Aufstand“ läuft.

Sein Ziel sei „das Referendum und die Amnestie“ für die Inhaftierten, erklärte Aragonès. „Großbritannien hat versucht, die Schotten zu verführen. Und das möchte ich hören. Dass der Staat uns erklärt, warum wir in Spanien weitermachen sollen, was sie uns vorschlagen. Und vor allem, dass sie keine Angst vor der Wahlurne haben und auch keine Angst davor, zu verlieren“, fügte er hinzu.

Die vorgezogenen Wahlen am 14. Februar waren notwendig geworden, nachdem die spanische Justiz den damaligen Präsidenten der Generalitat, Quim Torra, des Amtes enthoben hatte, weil er sich in einem früheren Wahlkampf geweigert hatte, der Wahlaufsicht Folge zu leisten und ein Transparent in Solidarität mit den Inhaftierten und Exilierten abzuhängen. Aragonès war damals Vize-Regierungschef.

Am 14. Februar erreichte ERC mehr Stimmen als JxCat. Eine Koalition unter umgekehrter Reihenfolge zu schmieden war nicht leicht. JxCat wollte weiterhin ihren exilierten Chef Puigdemont in die katalanische Politik einbinden. Das gelang schließlich auch. Das Abkommen zur Regierungsbildung sieht vor, dass ein breites Bündnis aus Parteien und Vereinigungen, darunter auch der „Rat der Republik“ von Puigdemont, gemeinsam entscheidet, welchen Kurs die Unabhängigkeitsbewegung einschlägt. Dieses Bündnis wird auch die Verhandlungen von Aragonès mit der Zentralregierung bewerten.

Mit Aragonès steht erstmals seit den 1930er Jahren ein ERC-Politiker und nicht ein Präsident aus dem Mitte-Rechts-Spektrum der Generalitat vor. Der letzte linksrepublikanische Präsident, Lluís Companys, ging während des spanischen Bürgerkrieges ins Exil. 1940 wurde er nach seiner Festnahme im besetzten Frankreich durch die deutsche Gestapo an das faschistische Spanien ausgeliefert, dort gefoltert und schließlich hingerichtet.

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