piwik no script img

Neue Regierung in GriechenlandKaum vereidigt, schon reduziert

Wegen antisemitischer und menschenverachtender Tweets und Facebook-Posts: Griechenlands Infrastruktur-Staatssekretär Dimitris Kammenos ist zurückgetreten.

Wieder ein Grund weniger zum Lachen. Oder einer mehr? Alexis Tsipras. Foto: dpa

Athen afp | Bereits kurz nach der Vereidigung der neuen griechischen Regierung hat diese eines ihrer Mitglieder wegen umstrittener Äußerungen verloren. Der Infrastruktur-Staatssekretär Dimitris Kammenos aus der rechtspopulistischen Partei Unabhängige Griechen (Anel) reichte am Mittwochabend in Athen seinen Rücktritt ein.

Damit wolle er „das gute Funktionieren der neuen Regierung“ sicherstellen. Der 49-Jährige reagierte damit auf Kritik an einem Facebook-Eintrag, in dem er im Juni die Spar- und Reformauflagen von Griechenlands internationalen Gläubigern mit dem NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verglichen hatte.

Der linke Ex-Abgeordnete Petros Tatsopoulos verbreitete zudem über den Kurznachrichtendienst Twitter eine Äußerung von Kammenos aus dem Jahr 2013. Darin hatte er über eine angebliche jüdische Verschwörung hinter den Terroranschlägen in den USA vom 11. September 2001 spekuliert.

Die Wochenzeitung To Vima berichtete, Kammenos habe die Homosexuellen-Kundgebung Gay Pride in Athen im Juni als „erbärmlich“ bezeichnet. Kammenos erklärte, seine Facebook-Seite sei nicht von ihm selbst, sondern von seinen Mitarbeitern betrieben und überdies mehrfach gehackt worden.

Nunmehr gehören noch vier Anel-Politiker der Regierung des linken Ministerpräsidenten Alexis Tsipras an, darunter Anel-Chef Panos Kammenos, der erneut zum Verteidigungsminister ernannt wurde.

Wie aus Regierungskreisen verlautete, hatte sich Tsipras am Mittwoch gezwungen gesehen, vom EU-Sondergipfel in Brüssel aus Anel-Chef Panos Kammenos anzurufen, um den Rücktritt von dessen Namensvetter zu veranlassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Sollte Herr Tsipras wirklich nicht vorher gewusst haben, wen er sich da ins Regierungs-Boot holt? Kaum anzunehmen. Wahrscheinlich ging er bewusst das Risiko ein, um an der Macht zu bleiben. Niemand sonst wollte schließlich mit ihm koalieren.

     

    Im Moment ist die ANEL keine Gefahr. Sie war und ist nur Mehrheitsbeschafferin für die Syriza und wird ansonsten klein gehalten, so wie Frau Merkel es mit der (inzwischen fast vergessenen) F.D.P. tat.

     

    Aber wehe, wenn die Syriza die versprochenen Erfolge schuldig bleibt und stattdessen weitere Fehler macht: Dann könnte nach einer nächsten Wahl die „Goldene Morgenröte“, die jetzt schon auf Platz 3 steht, weiter aufrücken und vielleicht ihrerseits die ANEL als Mehrheitsbeschafferin benutzen. Dann gäbe es statt einer Links/Rechts-Regierung eine Rechts/Ganz Rechts-Regierung. Prost Mahlzeit!

  • Ein Grund zum Lachen und einer zum Heulen. Die griechische Regierung hat eindeutig klar gestellt, wo ihre roten Linien verlaufen. Zugleich hat sie ihrem Koalitionspartner die Chance gegeben, Dimitris Kammenos zu ihrem "rechten Arm" zu machen, zu einer Art außerparlamentarische Opposition. Und wenn's nun in der Politik ein Ende gäb, könnte man sagen: Der, der ganz zuletzt lacht, lacht am besten. Gibt leider keines. Gott sei Dank.