Neue Regierung in Brandenburg: Von Eierköniginnen, Fachfremden und Wagenknecht-Getreuen
Die neue Brandenburger Landesregierung aus SPD und BSW steht. Am Mittwoch sollen die elf Minister:innen vereidigt werden. So jedenfalls der Plan.
Aufseiten der SPD, die sieben Ressorts erhält, hat eine Besetzung dabei schon vorab hohe Wellen geschlagen. Die designierte Landwirtschafts- und Umweltministerin Hanka Mittelstädt war bislang Chefin eines Agrarlobbyverbands. Zugleich ist sie Geschäftsführerin des Massentierhaltungsbetriebs Ucker-Ei.
Auch diesen Posten müsste die 37-Jährige bis Mittwoch eigentlich abgeben. So ist es gesetzlich vorgeschrieben. Einem Bericht der B.Z. zufolge ist offen, ob es der „Eierkönigin“ Mittelstädt bis dahin gelingt, einen Termin beim Notar zu bekommen, um das Unternehmen an ihre Mutter zu überschreiben.
Wirtschaftsminister ohne Expertise
Beim neuen SPD-Wirtschaftsminister Daniel Keller drohen zwar, so weit bekannt, anders als bei Mittelstädt keine Interessenkonflikte. Allerdings ist er bislang auch nicht durch Expertise in Sachen Wirtschaft aufgefallen. Dafür gilt der bisherige SPD-Fraktionschef als Machtfaktor in der Landespartei.
Der 38-Jährige beerbt seinen Parteifreund Jörg Steinbach, der maßgeblich mit dafür gesorgt hatte, dass die US-Autobaufirma Tesla nach Grünheide geholt wurde. In einer Koalition mit der Wagenknecht-Partei wollte Steinbach nicht weiter als Minister zur Verfügung stehen.
Weit weniger Berührungsängste mit dem BSW hat die neue Innenministerin Katrin Lange. Als bisherige Finanzministerin hatte die Genossin vom rechten SPD-Flügel immer wieder die Russland-Sanktionen kritisiert. Nun wird die 52-Jährige dafür zuständig sein, eine harte Linie in der Innenpolitik durchzudrücken. Das heißt laut Koalitionsvertrag vor allem eines: deutlich mehr Abschiebungen.
Ansonsten setzt die SPD auch auf Kontinuität. So bleibt die Leitung der Staatskanzlei in der Hand von Kathrin Schneider, Steffen Freiberg wird weiterhin das große Problemressort Bildung beackern und die in der Partei beliebte Manja Schüle als Wissenschaftsministerin weitermachen. Neu im Minister-Boot ist Benjamin Grimm. Der bisherige Digitalisierungsbeauftragte des Landes Brandenburg und Chef des SPD-Kreises Oberhavel soll Justizminister werden.
Finanzen, Infrastruktur und Gesundheit gehen an BSW
Wie Grimm, aber eben auch Landwirtschaftsministerin Mittelstädt und Wirtschaftsminister Keller haben auch die drei designierten Ressortchef:innen des BSW keine Erfahrung in der Leitung großer Häuser. Zwei der drei gelten schon länger als gesetzt.
So wird das bisher von der Sozialdemokratin Lange geführte Ressort Finanzen an den BSW-Landeschef und ehemaligen SPD-Genossen Robert Crumbach fallen. Im taz-Interview kündigte der 62-Jährige schon mal einen knackigen Sparkurs an.
Das für Bau und Verkehr zuständige Infrastrukturministerium soll der Wagenknecht-Getreue Detlef Tabbert übernehmen. Der langjährige Linken-Bürgermeister von Templin hatte die Stadt zu einer Vorreiterin für einen kostengünstigen ÖPNV gemacht. Für gut vier Euro im Monat können die Templiner:innen unbegrenzt den Nahverkehr nutzen. Seinen Wechsel zum BSW begründete der 64-Jährige unter anderem mit seiner Unzufriedenheit über die Flüchtlingspolitik der Linken.
Ursprünglich aus der SPD kommt wiederum die neue Gesundheitsministerin Britta Müller. Die inzwischen Parteilose ist die einzige Überraschung auf dem Ticket des BSW. Müller ist aktuell Chefin der Pflegekasse der AOK in Sachsen-Anhalt. Am Dienstag erklärte die 53-Jährige, sie werde die Krankenhausreform umsetzen. Das BSW hatte das Vorhaben – wie zuletzt auch Woidke – bitter bekämpft.
Ob der Regierungswechsel von SPD, CDU und den schon zuvor gefeuerten Grünen zu SPD und BSW letztlich so glatt über die Bühne geht, wie Ministerpräsident Woidke und seine Vize in spe Crumbach im Vorfeld suggeriert haben, wird sich zeigen. SPD und BSW haben im Landtag nur eine Stimme mehr als die notwendige Mehrheit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei