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Neue Regeln zum Schutz des WassersBauern müssen weniger düngen

Bundesrat billigt umkämpfte Verordnung: In belasteten Gebieten muss 20 Prozent weniger gedüngt werden. Bauern und Wasserwerke sind unzufrieden.

Oft zu viel des Guten: Ein Feld in Niedersachsen wird mit Gülle gedüngt Foto: Philipp Schulze/dpa

Berlin taz | Deutschland verschärft zum Schutz des Wassers vor der potenziell gesundheitschädlichen Stickstoffverbindung Nitrat die Regeln gegen Überdüngung. Der Bundesrat stimmte am Freitag trotz erbitterten Protests von Bauern der Reform der Düngeverordnung zu. Sie sieht vor allem vor, dass in besonders nitratbelasteten Gebieten 20 Prozent weniger gedüngt werden muss, als bislang erlaubt war. Zudem werden die Schutzstreifen an Gewässern und die Zeiträume vergrößert, in denen nicht gedüngt werden darf.

Im Schnitt bringen die Bauern mehr Stickstoff aus, als die Pflanzen aufnehmen können. So gelangt Nitrat ins Grundwasser, aus dem das meiste Trinkwasser gewonnen wird. Außerdem trägt Überdüngung zu Artensterben und Klimawandel bei. Weil die Nitratgrenzwerte immer wieder überschritten werden, droht Deutschland eine Geldstrafe der EU.

Landwirte befürchten, dass sie wegen der Düngereduzierung weniger ernten, das Getreide schlechtere Qualität hat und sie die Gülle ihrer Tiere nicht mehr so leicht entsorgen können. Die Erträge der Ackerkulturen sinken Experten zufolge im Schnitt um 5 Prozent, wenn sie mit 20 Prozent weniger Stickstoff gedüngt werden.

Deshalb versprach Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) den Landwirten Fördermittel. Verbraucher würden entlastet: „Denn je sauberer das Grundwasser wird, desto weniger kostet die Trinkwasseraufbereitung, die jeder einzelne Haushalt bezahlen muss“.

„Zu viele Ausnahmen und Schlupflöcher“

Der Bauernverband kritisierte, dass die Pflanzen nicht mehr „bedarfsgerecht“ gedüngt werden dürften. Die Bauernprotestbewegung „Land schafft Verbindung“ drohte Klagen an. Nun müssten die Gebiete, in denen weniger gedüngt werden muss, möglichst klein festgelegt werden. Es sei ein Erfolg der Proteste, dass die Regeln erst bis 1. Januar 2021 und nicht wie ursprünglich geplant 3 Monate vorher umgesetzt würden.

Die Deutsche Umwelthilfe dagegen sprach von einem „wichtigen Schritt“. Der Naturschutzbund hält die Verordnung für unzureichend und forderte, die Zahl der Tiere pro Hektar zu verringern, damit sich die stickstoffhaltige Gülle nicht so stark konzentriert. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft kritisierte, auch die neuen Regeln enthielten „zu viele Ausnahmen und Schlupflöcher“, so dass die Überdüngung in den belasteten Gebieten nicht nachhaltig sinken werde.

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18 Kommentare

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  • Die Deutschen Landwirte haben nie bestritten, das sie, eben weil sie die Flächen bearbeiten ( ca. 50 % von D ),einen Teil am Nitrat beitragen, aber halt nicht alleine. 18000 Tonnen Stickstoff werden jedes Jahr aus Kläranlagen in Oberflächengewässer eingeleitet, dazu kommt noch der Stickstoff aus der Luft ( Verkehr, Industrie ), der bei Regen anfällt. Und es findet in jedem Boden, verschieden stark, eine Natürliche Nitrifikation statt.



    Deutschland wurde von der EU nicht nur wegen des Nitrat im Grundwasser, sondern auch wegen Nitrat im Oberflächenwasser und der Ostsee, verklagt.



    Untersucht wird aber nur Grundwasser, und da nur unter Landwirtschaftlichen Flächen. Das Bundesumweltamt gibt selber zu das 22 % des Nitrates aus Kläranlagen stammen, und das ca. 20 % des Kanalnetz undicht sind, und somit Abwasser in den Boden eindringt.



    Die Landwirte verlangen nichts anderes, als das alle Faktoren berücksichtigt werden.



    Anbei noch ein Artikel zu dem Messsystem :

    www.wochenblatt-dl...es-eigentor-560754

  • Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) verspricht den Landwirten Fördermittel. Wozu? Warum?

    Die EU-Kommission hat heute darauf hingewiesen: Zweck der Düngeverordnung ist die Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie in Deutschland. Diese hatten die EU-Staaten im Jahr 1991 mit dem Ziel beschlossen, „die Wasserqualität in Europa zu verbessern, indem die Verunreinigung von Grund- und Oberflächenwasser durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen verhindert und der Einsatz beispielhafter landwirtschaftlicher Verfahren gefördert wird“.

    Selbst jetzt, 19 Jahre später, schwafeln Landwirte von „Eilverfahren“ und entblöden sich nicht im jahrzehntelangen Kampf der Agrar-Lobby für unbeschränkten Naturverbrauch sogar die Opfer der Corona-Pandemie vor ihre Traktoren zu spannen und zu melden „vor dem Hintergrund der Herausforderungen der Corona-Krise sei es folgenschwer, die Verordnung im Hauruck-Verfahren durchzusetzen.“

    Wir dürfen gespannt sein, welche Verzögerungen und Aufweichungen die Agrar-Lobby noch zu Wege bringt. Hoffentlich bleibt die EU-Kommission wachsam.

    • @hinnerk untiedt:

      Erstens sind es 29 Jahre nach 1991 …

      Warum müssen Deutsche Landwirte dafür büßen, das bewusst verfälschte Nitratwerte nach Brüssel gemeldet werden ???



      Es ist auf neudeutsch Racial Profiling, wen nur eine Gruppe als Verursacher hingestellt wird, und dies mit HÖCHST umstrittenen Maßnahmen ( Belastungsnetz ) gerechtfertigt wird.



      Erklärung Racial Profiling :

      de.wikipedia.org/wiki/Racial_Profiling

      • @Günter Witte:

        Dann erklären sie das doch bitte mal. Wo kommt das Nitrat im Grundwasser her? Gibt es da etwa natürliche Schwankungen und der Mensch hat überhaupt nur einen marginalen Anteil daran? Ich wittere alternative Fakten :)

        • @this.is.ridiculous:

          "Wittern"

          Ja man die Ausbringung von Nitrat wittern. Gülle stinkt mancherorts bis zum Himmel.

        • @this.is.ridiculous:

          Das Landvolk Niedersachsen hat ein Firma aus Berlin mit einem Gutachten der Grundwassermessstellen in Niedersachsen beauftragt. Diese Überprüfung ergab dass 190 von 648 Messstellen gravierende Mängel aufwiesen. Weitere 194 wiesen leichte Mängel auf. In 264 Fällen war die Dokumentation unzureichend. Wenn mein Auto gravierende Mängel aufweist, darf ich damit nicht mehr auf der Straße fahren. Wenn ein Landwirt seine Pflanzenschutz und Düngemaßnahmen nicht richtig dokumentiert wird eine Sanktion verhängt. Aber das Land Niedersachsen und der Bund dürfen mit Messbrunnen, die gravierende Mängel aufweisen, einen Nitratwert ermitteln, der unter Umständen, einfach gesagt, falsch ist, Landwirte davon abhalten, Nahrungsmittel zu produzieren. Schöne Logik. Übrigens hat kaum ein Land auf der Welt, so sauberes Trinkwasser, wie Deutschland. Und es werden im Schnitt etwa 1% des gesamt geförderten Wassers deutschlandweit denitrifiziert. Das sagt doch was aus.

          • @Le Kralle:

            Haha 190+194+264=648.



            Bei der Behauptung, dass keine einzige Messstelle vernünftig gemessen hat, kann ich nur Lachen. Genauso wie bei der Behauptung, dass lediglich 1% des Grundwassers gereinigt werden muss.

            Wer behauptet denn sowas? [...]

             

            Kommentar bearbeitet. Bitte beachten Sie die Netiquette.

        • @this.is.ridiculous:

          1. Es kann Jahrzehnte dauern, bis eine Düngung im Grundwasser messbar ist. Die heute nachgewiesenen Nitratwerte folgen (wenn es daher kommt) aus Düngungen, die wahrscheinlich Ende der 90er Jahre ausgebracht wurden. Ebenso bildet sich Nitrat, wenn organische Masse zersetzt wird. Das ist dann Humus. Ganz sicher gibt es da natürliche Schwankungen.



          2. Alternative Fakten wittere ich auch. Allerdings eher auf Seiten des Umweltministeriums und des UBA. Warum mehren sich die Berichte, dass Grundwassermessstellen reihenweise als unbrauchbar beanstandet werden? 1/3 aller Messbrunnen in Bayern. 2/3 in Nordrhein Westfalen. Niedersachsen ist noch in der Prüfung. Es sieht hier aber ähnlich aus. Aufgrund der Werte dieser Messbrunnen wird Deutschland von der EU verklagt und die Landwirtschaft von (beispielsweise) Herrn Maurin immer und immer wieder an den Pranger gestellt.

          • @Le Kralle:

            zu 1. Ich bin selbst in der Landwirtschaft tätig und mir ist der Stickstoffkreislauf durchaus geläufig. Wo an der Stelle aber starke natürliche Schwankungen vorkommen sollen, hätte ich gern nochmal ein bisschen präziser erklärt. Ist mir so nämlich nicht klar.



            Dass es dauert bis der Stickstoff im Grundwasser ankommt ist doch unstrittig.



            zu 2: Fragen Sie mal die Wasserversorger, die beproben Landesweit und sprechen auch von steigenden Nitratwerten.

        • @this.is.ridiculous:

          Sicher gibt es Hotspots, aber dafür 250000 Betriebe von Nord nach Süd dafür büßen zu lassen ohne jeweils die Gründe zu erforschen ist doch sehr fraglich. Wir haben in unserem Betrieb keine Probleme mit hohen N-Salden und die Brunne in unserer Flur liegen lt. Wasserwerk unter 15 mg Nitrat. Also wieso werde ich dafür bestraft und so eingeschränkt? Das ist so wie wenn Sie aus Ihrer Wohnung fliegen nur weil der Nachbar die Miete nicht bezahlt! - was soll das?

          • @Farmer:

            Na wenn Sie bisher wenig düngen, dann wird Sie die neue Regelung wohl kaum betreffen... und wenn Ihr Grundwasser noch Trinkwasserqualität hat, kann man Ihnen nur gratulieren.



            Wenn ich recht gelesen habe, werden die Beschränkungen nicht deutschlandweit gelten, sondern in besonders belasteten Gebieten sowie angrenzend an Gewässer.

            Auf den Mietvergleich gehe ich erst gar nicht ein, das ist er nicht wert.

  • Dieses unsägliche Gesetz von Heute zusammen mit dem Einreisestopp der Erntehelfer wird Hamsterkäufe und den Menschenhass voran treiben. Der Kampf im Supermarkt ist eröffnet, es wird an dem Grundrecht auf Nahrung gesägt. Das ist sehr gefährlich.

    • @Farmer:

      Was sägt da so gefährlich an den Grundrechten? Ein Grundrecht auf Nahrung?



      Das gibt es so wenig, wie ein Grundrecht anderen das Grundwasser versiffen. Es gibt zum Thema Grundrechte aber die Verpflichtung (GG Art.14) Eigentum zum Wohle der Allgemeinheit zu gebrauchen, will heißen: "ein bisschen aufpassen wieviel Scheiße wo hingeschmissen wird"- das kann man doch in 30 Jahren lernen.

      • @noncarnnever:

        Naja so lange der Supermarkt voll ist, alles ok für Dich - oder? Nahrungsmittel wachsen ja bei ALDI im Regal...

    • @Farmer:

      Die Apokalypse naht, weil Deutschland sich an eine EU-Richtlinie von 1991 halten soll? Bitte etwas weniger Farmer-Propaganda...

  • Es wird doch immer noch Gülle importiert aus den Benelux-Staaten. Die Bauern lassen sich von NL Agrarkonzernen dafür bezahlen, dass die ihre Fäkalien über deutsche Felder kübeln. Was genau drin ist in den Tanks weiß keiner und überprüft auch keiner. Das sollte strafbar sein. Die Zahl der Tiere zu verringern hilft doch nicht gegen diese verbrecherische aktive Vergiftung der Böden.

    www.agrarheute.com...okumentiert-548730

    • @el presidente:

      Grundsätzlich bin ich teilweise ihrer Meinung. Die Gülle sollte im Herkunftsland verwendet werden. Da bekommen die Niederländer dann schon Probleme. In Holland leben (rein statistisch) ca 290 Schweine und 41 Rinder pro Quadratkilometer. In Deutschland ca 72 Schweine und 4,5 Rinder. Die Niederlande exportieren jedes Jahr ca 3 Millionen Tonnen tierischer Fäkalien nach Deutschland. Das ist ganz wunderbar für unsere Nachbarn. So machen wir es mit unserem Kohle- und Atomstrom. Outsourcing rules.

  • "Im Schnitt bringen die Bauern mehr Stickstoff aus, als die Pflanzen aufnehmen können."

    Wer die Doku vor Wochen auf der ARD? verfolgt hat weis: auch mit der neuen Düngeverordnung bleibt es erlaubt mehr zu düngen als die Pflanzen benötigen. Die Politiker sind weit über dem von der Wissenschaft als oberstes maximales Limit bei maximalem Mangel genannten Wert geblieben. Auch in Gebieten ohne Mangel bleibt dieser zu hohe Wert erlaubt!