Neue Nationalgalerie ist renoviert: Die Sanierung einer Schnapsidee

Die Neue Nationalgalerie wurde weder für ihren Standort noch für ihre Funktion gebaut. Ber­li­ne­r*in­nen freuen sich dennoch, dass sie fertig ist.

Sie war eine Schnapsidee, dafür sieht sie bis heute gut aus: Die Neue Nationalgalerie Foto: dpa

Die Tankstelle ist fertig. Sechs Jahre hat die Sanierung der Neuen Nationalgalerie mit dem markanten schwarzen Dach, das ihr bei den netten Ber­li­ne­r*in­nen den besagten Spitznamen beschert hat, gedauert. Die Brandschutzmaßnahmen, die Sanierung der Gebäudehülle, die Beseitigung der Ursachen des Glasbruchs, die Betonsanierung des Rohbaus und die Erneuerung der Haustechnik von Klimatisierung bis Beleuchtung hat statt der ursprünglich anvisierten 100 nun 140 Millionen Euro gekostet – im Vergleich zu anderen Berliner Sanierungs- und Bauprojekten wie der Deutschen Oper ist es also geradezu übersichtlich geblieben.

Die 1968 eröffnete Nationalgalerie ist ein symbolisch aufgeladenes Prestigeprojekt für Berlin, denn immerhin ist der wuchtige Bau gegenüber von Philharmonie, Staatsbibliothek und Gemäldegalerie das einzige Haus, das Ludwig Mies van der Rohe, einer der wichtigsten Architekten der Moderne, nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland noch gebaut hat. Mies war von den Nazis, welche die funktionalen Formen und die flachen Dächer der Moderne bekanntlich ablehnte, immer rigider ausgegrenzt worden und 1938 in die USA emigriert.

Allein deshalb muss die fertige Renovierung mit offizieller Schlüsselübergabe am 29. April zwar digital stattfinden, aber mit so viel Tamtam wie möglich, also in Anwesenheit von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und inklusive musikalischer Darbietung der Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker. Die richtige Eröffnung der Neuen Nationalgalerie, in der bislang vor allem Werke der klassischen Moderne gezeigt wurden, erfolgt dann, so Corona will, wahrscheinlich im August.

Aber was ist wirklich dran an dieser Ikone der Moderne, wie sie von Ar­chi­tek­tur­kri­ti­ke­r*in­nen immer mal wieder hochgejubelt wird – also jenseits ihrer metaphorischen Bedeutung für die Stadt, die nach Krieg und Wiederaufbau endlich wieder in die Zukunft sehen durfte? Unter dem auf acht Pfeilern ruhenden, mehr als 1.200 Tonnen schweren Dach bilden zurückgesetzte Glaswände eine stützenlose, über 3.000 Quadratmeter große und im Grundriss quadratische Haupthalle. Dadurch bekommt der Bau trotz aller Schwere auch etwas Schwebendes, zugegeben.

Kaum zu bespielen

Allerdings ist zumindest diese Glashalle, unter der es ja weitere Ausstellungsräume gibt, kaum zu bespielen, klagen Museumsleute immer wieder. Es gibt keine weißen Wände, an die man Bilder hängen könnte. Schon bei der ersten Ausstellung, einer Mondrian-Schau, wurden die Werke auf hängenden Wandpaneelen ausgestellt. Im riesigen Raum kamen die kleinen Bilder kaum zur Geltung.

Deshalb musste er immer wieder gelinde gesagt kreativ genutzt werden, zum Beispiel durch eine Reihe von Konzerten der Band Kraftwerk im Jahr 2015. Mies hätte das sicher gefallen, er selbst begriff den Raum als völlig freien Universalraum ohne funktionale Festlegungen. „Ich habe gesagt, Menschenskind, macht doch die Bude groß genug, dann kannste hin und her drin laufen, nicht nur in einer vorgezeichneten Bewegung oder was Du Dir gedacht hast, wie es benutzt werden soll“, meinte Mies einmal im Interview.

Es ist außerdem kein Geheimnis, dass die Neue Nationalgalerie auch nicht für diesen Standort, ja nicht einmal nach Berlin konzipiert worden ist. Mies hatte die Entwürfe eigentlich 1957 für das Hauptquartier des Rumherstellers Bacardi in Santiago de Cuba gemacht. Aus diesem Bau wurde dann nichts.

Der britische Stararchitekt David Chipperfield, der für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) auch das Neue Museum restauriert hat und mit der James-Simon-Galerie sogar einen Neubau auf der Museumsinsel bauen durfte, hat dazu gesagt: „Sein Gebäude war gewissermaßen vorgekochtes Essen.“ Er hätte auch sagen können, sie war eine Schnapsidee.

Demnächst im Schatten

Ach, übrigens: Wie viele Ber­li­ne­r*in­nen findet auch Chipperfield trotz alldem überhaupt keinen Gefallen daran, dass die Neue Nationalgalerie demnächst im Schatten ihres Erweiterungsbaus Museum der Moderne stehen wird, das eigentlich Museum des 20. Jahrhunderts heißt. Die Ber­li­ne­r*in­nen nennen das Haus, das wohl 2026 fertig werden und 450 Millionen Euro kosten wird, schon jetzt liebevoll Kulturscheune.

Immerhin aber wird es, anders als die Neue Nationalgalerie, endlich mehr Platz für die großen Sammlungen der SPK bieten.

Und, was fast noch wichtiger ist: Es wird das zugige Kulturforum, neben dem Potsdamer Platz, zwischen Philharmonie und Neuer Nationalgalerie, den Platz also, an dem man derzeit nie verweilen würde und an den Mies van der Rohe keinen Gedanken verschwendet hat, endlich neu strukturieren.

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