Neue Nationale Sicherheitsstrategie: Greenwashing von Waffen
SPD und Grüne wollen die deutsche Rüstungsindustrie stärken. Unternehmen sollen künftig auch mit Nachhaltigkeitsfonds finanziert werden. NGOs sehen das kritisch.
Darauf haben sich gerade Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geeinigt. Mit zwei Monaten Verspätung und ohne den inzwischen entlassenen FDP-Finanzminister Christian Lindner hat das Kabinett am Mittwoch die neue Nationale Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie der Bundesregierung beschlossen. Die soll die deutsche Rüstungsindustrie stärken, gerade auch wegen der Ukraine, die militärisch weiter unterstützt werden soll. Ziel müsse sein, „hochmoderne Waffensysteme – auch gemeinsam mit unseren Verbündeten – zu entwickeln und vor allem auch in ausreichender Stückzahl zu produzieren“, so Pistorius, der in der Strategie „ein neues Kapitel in den Beziehungen zwischen Staat und Industrie“ sieht, „ganz im Sinne der Zeitenwende“.
Einen Schwerpunkt legt die Strategie darauf, die Finanzierung von Rüstungsunternehmen „durch Banken und Kapitalmärkte“ zu verbessern. Und da kommt die Nachhaltigkeit ins Spiel: ESG-Fonds, die für Umwelt (Environment), Soziales (Social) und gute Unternehmensführung (Governance) stehen, könnten „selbstverständlich auch in Unternehmen der SVI investieren“, heißt es dort mit Bezug auf die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie.
Damit geht ein lang gehegter Wunsch der deutschen Rüstungsindustrie in Erfüllung, die massiv Lobbyarbeit dafür gemacht hatte. Die Strategie enthält weitere Neuerungen, die in dem Rohentwurf, den das Portal Politico geleakt hatte, noch gar nicht vorgekommen waren. So macht sich die Bundesregierung für eine „restriktive Rüstungsexportpolitik“ stark, „für die Menschenrechte ein entscheidender Maßstab sind“, so Wirtschaftsminister Habeck.
Industrie freut sich
Käuferländer sollten sich dennoch finden lassen: in EU- und Nato-Staaten, der Nato gleichgestellten Ländern oder auch „ausgewählten Partnerstaaten“, womit von Israel über Indien bis Südkorea einiges abgedeckt werden könnte. Umstritten dürften Exporte dennoch bleiben, etwa bei Rüstungsgütern, die in mehreren europäischen Ländern produziert werden, wie der Eurofighter. Hier will sich die Bundesregierung für eine „Weiterentwicklung des EU-Regelwerks“ einsetzen.
Gleichzeitig setzt die Rüstungsstrategie aber auch nationale Prioritäten. So werden Schlüsseltechnologien definiert zur „Aufrechterhaltung und Stärkung der strategischen Souveränität“ sowie der Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik. Auch soll bei ausländischen Investitionen in Deutschland der „Abfluss von Know-how ins Ausland erforderlichenfalls“ verhindert werden. Staatliche Beteiligung an Rüstungsfirmen soll „ausnahmsweise in besonderen strategischen Fällen“ möglich sein.
Als „wichtigen Zwischenschritt“ lobte die Industrie den Entwurf, den Pistorius und Habeck am Donnerstag bei einem Treffen persönlich präsentierten. „Einige unserer Vorschläge“ fänden sich in der Strategie wieder, teilten der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) und der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) mit. Nun müsse das Beschlossene schnell umgesetzt werden, mahnte BDSV-Hauptgeschäftsführer Hans Christoph Atzpodien. Man dürfe „die Zeit bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung nicht verstreichen“ lassen.
Gar nicht einverstanden mit der neuen Richtlinie ist dagegen Thomas Küchenmeister von der NGO Facing Finance, die sich für soziale und ökologische Geldanlage einsetzt: „Auch wenn Rüstungsexporte politisch notwendig erscheinen, bedeutet das noch lange nicht, dass sie auch nachhaltig sind.“ Sollte sich das durchsetzen, „dürfte das ohnehin schon beschädigte Vertrauen in nachhaltige Finanzprodukte noch mehr erschüttert“ werden. Er mahnt, auch auf international verbindliche Verträge zu achten: Unternehmen, die Antipersonenminen oder Streubomben herstellen oder gegen den Arms Trade Treaty (ATT) verstoßen, dürften von Banken nicht finanziert werden. Davon seien dann auch Firmen betroffen, deren Waffen „wissentlich für Kriegsverbrechen eingesetzt werden“.
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