Neue Musik aus Berlin: Göttliches Toben
Ruhestörung mit Niveau: „NERR – Filling Open Spaces“ ist das Resultat eines Ad-hoc-Konzertes und einer Aufnahmesession am nächsten Tag.

G rollen und Poltern als schöne Kunst praktiziert: „Rumbling“, das erste von insgesamt vier Stücken dieses 41-minütigen Albums, steigt ein als lebhafte Diskussion zwischen Schlagzeuger Mark Holub, Kontrabassistin Johanna Pärli und Baritonsaxophonistin Sofía Salvo. Sie sind Protagonisten neuer Jazzimprovisation; ihre Vorgänger wissen sie hörbar zu schätzen und machen Eigenes daraus.
Zwei Minuten, und es kommt zur ersten Lockerung. In der vierten Minute ist dann Luftholen angesagt, bevor sich das göttliche Toben, das keiner Religion bedarf, wieder verdichtet. „NERR – Filling Open Spaces“ ist Ruhestörung mit Niveau, doch hat der Höhenflug Bodenhaftung. Auf Unruhe folgt Einkehr.
„Elsewhere“, das zweite Stück, enthält eine Passage, in der das kurz unbegleitete Schlagzeug dezenten Besuch vom Bass bekommt, das Saxophon haucht und brummt, bis sich alle drei zwanglos austrudeln.
„Neverending“ beginnt mit einem zweifachen Ruf- und Antwort-Spiel von Trommel und Saxophon, Trommel und Bass und gerät knifflig. „Regardless“ läuft auf einen Mittelteil und Ruhepol hinaus, aus dem sich eine windschiefe Hymne entwickelt und den Kreis zum Anfang des Stücks wie der Platte schließt.

Die drei füllen eben nicht zwanghaft offene Räume, sondern bauen sie aus. „NERR – Filling Open Spaces“ ist Resultat eines Ad-hoc-Konzertes und einer Aufnahmesession am nächsten Tag. Getroffen hat sich das Trio in einem Weddinger Hinterhof. Es ist ihm zu wünschen, dass seine Bravour sich nicht bedrängt sehen muss.
Hinweis: Am 5. April war Johanna Pärli zu Gast bei Cashmere Radio, am 3. Mai wird Sofía Salvo dazu stoßen, und am 31. Mai dann Mark Holub – jeweils zu hören auf cashmereradio.com, von 19:30 – 21 Uhr.
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