Neue Musik aus Berlin: Im Feedbackraum der Pilze
Das Berliner Duo Spill assoziiert mit seinem Album „Mycelium“ das Wurzelsystem der Pilze und deren Verständigung mittels elektrischer Signale.
D er Soundtrack zur Pilzsaison beginnt dezent, vermutlich so, als würden die Lamellen einer Spieluhr einmal kurz angetippt oder der Messton des Testbilds sich im Raum verlieren.
Als gesichert kann gelten, dass Magda Mayas (Piano, Clavinet, Rhodes und Orgel) und Tony Buck (Schlagzeug, Perkussion, Gitarre, Waterphone und Monochord) vor zwanzig Jahren das in Berlin ansässige Duo Spill gegründet haben. Zum runden Geburtstag gibt es jetzt ein neues Album.
Sein Titel „Mycelium“ assoziiert das Wurzelsystem der Pilze, ihren weithin unbeachteten Teil, der enorme Ausmaße, beachtliche Masse und ein hohes Alter erreichen kann. Es heißt, das Mycel diene der Verständigung mittels elektrischer Signale.
Ein schönes Bild für die Improvisationsmusik von Mayas und Buck: Sie lassen in ruhige Pianofiguren jähe Schlagzeugmomente einbrechen, sie verdichten Klangblöcke, lockern wieder auf und arbeiten mit den Lücken, ohne sie zuzukleistern. Es wird gemorst und getastet, aber auch geknurrt und gefaucht.
Spill: Mycelium (Corvo Records); Live: 9. 10., 20.30 Uhr, Morphine Raum, Köpenicker Str. 147, mit den Gästen John Butcher und Olaf Rupp
Das erste Stück „Aerate“ bringt es mit 20 Minuten auf die übliche Länge bei Spill. Die B-Seite überrascht dann mit drei Stücken, die im Vergleich fast schon Vignetten sind: das fünfminütige „Pure“ mit feingliedriger Perkussion, tiefen Trommeln, flächigen Sounds und einer Feedback-Coda, die Trommelwirbel im achtminütigen „Patina“ oder aber die sechs Minuten „Residue“, eine mustergültige Elegie.
Diese Musik lässt sich Zeit und spielt auf selten begangenen Pfaden. An denen finden sich die erstklassigen Pilze.
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