Neue Musik aus Berlin: Spiel mit lauter Gewinnern
Zwei Bläserserenaden von Wolfgang Amadeus Mozart: die Akademie für Alte Musik Berlin hat mit „Gran Partita“ Kammermusik für draußen eingespielt.
D er Sommer ist Zeit der Freiluftkonzerte, genau richtig für die gegenwärtigen Bedürfnisse. Als Veranstaltungsform gibt es diese spezielle Kombination von Klang- und Sauerstoffzufuhr andererseits schon seit ein paar Jahrhunderten, wobei der Sauerstoff damals nicht allein für das Publikum von großer Bedeutung war.
Im Freien nahm man im 18. Jahrhundert gern Instrumente, die sich gut an den Ort der Aufführung transportieren und dort ohne Mühen spielen ließen. Die „Serenade“, wie das abendliche Musikprogramm unterm Himmel genannt wurde, war daher bevorzugt eine Bläserserenade.
Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.
Wolfgang Amadeus Mozart: „Sonatas For Piano Four Hands“ (Myrios/Harmonia Mundi), Kirill Gerstein, Ferenc Rados; Ders: „Gran Partita“ (Harmonia Mundi), Akademie für Alte Musik Berlin
Da es zu dieser Zeit anscheinend auch schon ein Bewusstsein für den „Eventcharakter“ solcher Darbietungen gab, sollte das musikalische Programm etwas Leichtes sein, das sich ungezwungen mit dem Vogelgezwitscher oder anderen umgebenden Geräuschen vermischen konnte.
Die beiden Bläserserenaden von Wolfgang Amadeus Mozart, die von der Akademie für Alte Musik Berlin unter dem EM-tauglichen Titel „Gran Partita“ eingespielt wurden, unterlaufen diesen Ansatz konsequent. Sie sind keinesfalls abgehoben-sperrig, doch hat Mozart mit seinen feinen Variationen dafür gesorgt, dass man in keinem Moment an formal verwandte Dinge wie eine Blaskapelle denken könnte. Ob in Besetzung für acht Instrumentalisten wie in der Serenade No. 11 oder, wie in der titelgebenden Serenade No. 10 „Gran Partita“ für 13 Spieler: Die Kompositionen sind vielmehr Kammermusik für draußen.
Kammermusik für drinnen bieten hingegen die zwei Klaviersonaten zu vier Händen, die der in Berlin lebende Pianist Kirill Gerstein mit seinem Lehrer Ferenc Rados aufgenommen hat. Bei vierhändigem Spiel besteht leicht die Gefahr, dass etwas zu viele Tasten zur selben Zeit im Einsatz sind und das Miteinander in ein Duell der Klangmassierungen ausartet.
Nichts davon bei Mozart, der feine Strukturen ineinander webt, von Gerstein und Rados wunderbar leicht und fein zum Abheben gebracht. Man kann dieses Doppel gar nicht genug loben, Stimmungsaufhellung ist praktisch garantiert. Ein Spiel mit (mindestens) zwei Gewinnern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!