Neue Mini-Serie „Blaumacher“: Darf's ein bisschen derber sein?

In sechs Folgen zeigt ZDFneo eine Selbstmord-Comedy. Dabei traut sich der Sender mehr, als man es von den Öffentlich-Rechtlichen gewohnt ist.

Ein Mann steht vor einer Wand. Das Tapetenmuster verläuft auch über sein Gesicht

Frank (Marc Ben Puch) fühlt sich zunehmend unsichtbarer Foto: ZDFneo

Neue Antihelden braucht das Fernsehland: „Mein Name ist Frank Sporbert. Ich bin Mitte 40. Halbzeit. Alles, was ich jemals wollte, war das Leben, das ich jetzt habe. Und jetzt, wo es da ist –. Mein Leben ist so flach, ich kann meinen eigenen Grabstein sehen.“ Also warum nicht gleich die Abkürzung nehmen? Aber es ist gar nicht so einfach, sich mit der Flinte zu erschießen, wie das Vorbild Kurt Cobain.

Die erste Folge der neuen sechsteiligen (Mini-)Serie heißt auch gleich „Teen Spirit“. Und wie bei Cobain ist Geld, zumindest dessen Fehlen, hier nicht das Problem im gehobenen Einfamilienhausidyll.

Der kaum halb so alten höheren Unternehmensberaternachbartochter graut es vor Harvard und Südfrankreich, da will sie sich den Strick nehmen. Treffen sich zwei Seelenverwandte auf einer Wellenlänge. Folge eins endet mit einer Verabredung: „Sehen wir uns morgen? Nur damit keiner von uns auf dumme Gedanken kommt.“

Altes und Gewagtes

Wenn alle (Quoten-)Erwartungen auf dem Erstgeborenen lasten, dann profitiert das jüngere Geschwisterchen oft von der längeren Leine. Oder: Wenn ZDFneo in Tragikomödie macht, darf’s ein bisschen derber sein. Siehe den vierteiligen Sextherapeutenwitz „Komm schon!“ (2015).

Überhaupt kommt einem bei „Blaumacher“ einiges bekannt vor. Nicht nur die (aus Zach Braffs „Garden State“ übernommene) totale Übereinstimmung in Farbe und Muster von Kurzarmoberhemd und Tapetenhintergrund. Und wenn der Schauspieler Josef Heynert – hier als angemessen tumber Durchschnittsdeutscher Thomas Müller – dem Protagonisten Hörner aufsetzt, dann erlebt der Zuschauer ein Déjà-vu, weil genau das auch Heynerts Daueraufgabe im Rostocker „Polizeiruf“ ist. Nachbarstochter: „Mal ehrlich – wegen der Frau n’ Stecker ziehen? Wenn du sie nicht fickst, dann hast du sie doch auch nicht vermisst!“ Ihre eigene sexuelle Vorgeschichte kommt dann in Folge zwei zur Sprache, Titel: „Blasehase“.

„Blaumacher“, sechs Folgen, immer mittwochs um 21.45 Uhr, ZDFneo – oder ab heute Abend, 20.15 Uhr, in der ZDF Mediathek.

Böse pointierte Dialoge sind eine Königsdisziplin – und ein gefährlich schmaler Grat, wenn der Autor nicht Wilder oder Tarantino oder Dietl heißt (sondern Bernd Lange). Und ob all die Redundanzen nun lässig zitiert oder doch eher billig abgekupfert sind – nach zwei Folgen erscheint beides möglich. In jedem Fall muss man der alten Tante ZDF dankbar sein, wenn sie nicht völlig neuen, aber eben noch nicht so ausgelutschten – richtig sagt man wohl: unverbrauchten – Fernsehgesichtern (wie hier Marc Ben Puch und Laura Berlin und zuvor den Ensembles von „Eichwald, MdB“ und „Komm schon!“) eine neue Bühne bereitet. Alldieweil Heino Ferch und seine zehn besten Freunde das Hauptprogramm weiter alleine bespielen dürfen.

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