Neue Marvel-Serie bei Disney+: Der Held aus der zweiten Reihe
Die neue Marvel-Serie „Moon Knight“ setzt auf neue Erzählmuster und Figuren. So bleibt die Geschichte unerwartbar – aber auch kompliziert.
Ohne Markenbekanntheit geht heutzutage in Sachen Film und Fernsehen eigentlich nichts mehr. Gerade im Hause Marvel wird immer daran gearbeitet, das eigene Universum zu erweitern und die Popularität bereits etablierter Figuren und Handlungsstränge wieder und wieder gewinnbringend zu verwerten.
Der jüngste „Spider-Man“-Film mit seinem Aufeinandertreffen von gleich drei Peter Parkers trieb das Ganze auf die Spitze, aber auch die drei hauseigenen Serien im vergangenen Jahr entsprachen diesem Konzept: „WandaVision“, „Loki“ und „Hawkeye“ setzten allesamt Protagonist*innen aus dem Avengers-Kontext und bezogen sich konkret auf Ereignisse, die ein Millionenpublikum auf der Leinwand gesehen hatte. Mit „Moon Knight“ verabschiedet sich Marvel vorübergehend von dieser Erfolgsformel und wagt in überschaubarem Rahmen etwas Neues.
„Moon Knight“,
ab Mi., 30. 3.
bei Disney+
Moon Knight also, der Titelheld dieser sechsteiligen Serie, tauchte als Figur erstmals 1975 in einem Comic auf und bekam ab 1980 seine erste eigene Reihe, ist aber als Marvel-Held doch eher einer aus der zweiten oder dritten Reihe, der in der deutschen Wikipedia noch nicht einmal einen eigenen Eintrag hat. Wer sich, in Ermangelung von Comic-Vorkenntnissen, anderswo schlau macht, erfährt, dass sich hinter dem Namen ein jüdisch-amerikanischer Söldner namens Marc Spector verbirgt.
Doch zu Beginn von „Moon Knight“ begegnen wir erst einmal einem Briten namens Steve Grant (Oscar Isaac), ein unbedarft wirkender Museumsangestellter in London, der sich bestens mit ägyptischer Geschichte auskennt, aber trotzdem nur im Gift Shop arbeitet und dort regelmäßig von der Chefin rundgemacht wird.
Nicht ganz unkompliziert
Dass Steve sich selbst in seiner Wohnung nachts ans Bett kettet, hat seine Gründe. Er neigt zum Schlafwandeln und wacht schon mal an den unpassendsten Orten auf; furchterregende Visionen und Blackouts plagen ihn obendrein. Ob der sehr echt wirkende Albtraum, bei dem er in den Alpen auf einen unheimlichen Sektenguru (Ethan Hawke) und dessen Schergen trifft, nicht vielleicht doch Realität war, lässt sich auch nicht ohne Weiteres sagen.
Und was hat es mit dem Handy auf sich, dass er versteckt in seinem Apartment findet, auf dem sich eine gewisse Layla (May Calamawy) meldet, die ihn für ebenjenen Marc Spector hält und behauptet, seine Ehefrau zu sein? Bald stellt sich heraus: Steve ist eine der Persönlichkeiten des unter einer dissoziativen Identitätsstörung leidenden Marc, der obendrein ein mit Superkräften ausgestatteter Handlanger des ägyptischen Mondgottes Khonshu ist.
Klingt kompliziert? Ist es auch durchaus, und man braucht in „Moon Knight“ eine ganze Weile, bis man durchsteigt und ahnt, wohin die Reise geht. Das ist manchmal spannend und originell, eben weil erzählerisch nicht unbedingt auf etablierte Muster gesetzt wird und so eine Unerwartbarkeit Einzug hält, für die Marvel nicht gerade bekannt ist.
Ein wenig Overacting
Mitunter ist die Serie, zumindest in den ersten der Presse vorab gezeigten Folgen, allerdings auch einigermaßen anstrengend, weil Showrunner Jeremy Slater („The Umbrella Academy“) und der hauptverantwortliche Regisseur Mohamed Diab (bekannt geworden durch den ägyptischen Spielfilm „Kairo 678“) ihrerseits nur bedingt erfolgreich darin sind, sich auf einen Tonfall für die Serie festzulegen.
Humor wird hier deutlich kleiner geschrieben als sonst bei Marvel, doch ganz darauf zu verzichten trauen sich die Macher dann doch nicht. Und richtig konsequent wollte man sich dann wohl doch auch nicht auf die Düsternis und Brutalität einlassen, die der Serie in manchen Ländern immerhin eine Altersempfehlung ab 16 einbrachte, so dass letztlich eine manchmal unausgegorene Mischung aus „Indiana Jones“-Abenteuer und Psycho-Horrorthriller entstanden ist.
Der stets charismatische Oscar Isaac in der Hauptrolle ist natürlich ein guter Grund zum Einschalten, auch er wenn hier mitunter so sehr aufdreht, dass er dem Overacting bedenklich nahe kommt. Für die echten Glanzpunkte in „Moon Knight“ ist die Schauspielerin May Calamawy zuständig, die man bislang aus der Serie „Ramy“ kennt, auch die Musik von Hesham Nazih oder die Spezialeffekte überzeugen. Und es lässt sich nicht leugnen, dass es vor allem sehr erfreulich ist, mal eine Marvel-Serie zu sehen, in der man Referenzen an das sogenannte MCU (Marvel Cinematic Universe) mit der Lupe suchen muss und die bewährten Pfade verlassen werden. Selbst wenn das dann nicht immer ganz trittsicher geschieht.
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