Neue Klima-Kochbücher: CO2 in der Pfanne

Die Ernährung verursacht 20 Prozent der Treibhausgase in Deutschland. Neue Bücher zeigen, wie sich dieser Anteil reduzieren lässt. Klar ist: Die Flugmango ist tabu.

Zwei Eier, Öl – und wie viel Co2? Bild: madochab/photocase

Zwei große Auberginen in die Pfanne - macht 150 Gramm Kohlendioxid. Dazu ein bisschen Olivenöl - 156 Gramm des klimaschädlichen Gases. Am schlimmsten sind die Pizzatomaten: Produktion und Transport verursachen 408 Gramm Treibhausgas. Insgesamt belasten also vier Portionen "Süßsaurer Auberginen-Tomaten-Auflauf" aus Bettina Goldners Rezeptbuch "Umweltfreundlich vegetarisch" das Klima mit 997 Gramm CO2.

Bei jedem ihrer Rezepte hat Wissenschaftsjournalistin Goldner die Klimabilanz ausgerechnet und in einem Balkendiagramm für die Zutaten aufgeschlüsselt. Neben die Schaubilder für ihre fleischlosen Gerichte hat sie stets einen Balken für vier Portionen Rindfleisch gesetzt - der ist natürlich viel höher. Tierische Produkte sind eben eine echte Klimasünde.

Genau davon will "Umweltfreundlich vegetarisch" die Leser abbringen. Auf die Idee, das Buch zu schreiben, kam Goldner, als sich ihre Umweltgruppe in Bayern an einer Ausstellung zu "Ernährung und Klimawandel" beteiligte. "Es ist das erste Kochbuch, das zu jedem Rezept die CO2-Werte nennt", sagt die Autorin, die seit zwanzig Jahren vegetarisch kocht. Aber es ist nicht das einzige Buch dieser Art. Gerade haben Mitglieder der Umweltschutzorganisation BUND das "Klimakochbuch" herausgebracht. Und schon länger gibt es "Das Nichts Wegwerfen Kochbuch" - schließlich ist Wegschmeißen auch sinnlose CO2-Vergeudung.

Bettina Goldner: "Umweltfreundlich vegetarisch. Genussrezepte mit CO2-Berechnungen". Haedecke Walter Verlag, September 2009, 151 Seiten, 16,90 Euro

Karl von Koerber u. a.: "Das Klimakochbuch. Klimafreundlich einkaufen, kochen und genießen". Kosmos Verlag, September 2009, 120 Seiten, 12,95 Euro

Patrik Jaros, Günter Beer: "Das Nichts Wegwerfen Kochbuch". Paragon Köln, November 2007, 256 Seiten, 4,99 Euro

Wer selbst überprüfen möchte, wie hoch seine CO2-Emissionswerte liegen, kann hier online recherchieren: www.oeko.de/service/gemis/de/index.htm

"Im deutschsprachigen Raum geht der Trend zum klimafreundlichen Essen", stellt die Ernährungsexpertin Hanni Rützler vom Zukunftsinstitut fest. Die Gründe sind für sie klar: "Wir hatten unendlich viele Debatten zur Nachhaltigkeit", inzwischen sei Klima spürbar für jeden. "Das Thema ist intuitiv verständlich", immer mehr Menschen wollen nun auch Konsequenzen für ihr eigenes Leben ziehen.

Beim Essen lohnt sich das: Ein Fünftel der Treibhausgas-Emissionen in Deutschland gingen auf das Konto der Ernährung, heißt es in Goldners Buch. Das seien fast so viel, wie der gesamte Straßenverkehr verursacht. Jeder Mensch, so Goldner, verursache in Deutschland mit seiner Ernährung zwei Tonnen CO2 im Jahr. Allein damit habe er schon jene Menge erreicht, die er höchstens freisetzen darf, um die Folgen der Klimaerwärmung beherrschbar zu halten.

Goldner zeigt in ihrem Buch Rezepte, die besonders klimafreundlich sein sollen - und natürlich vegetarisch. Käse und und andere tierische Produkte enthalten einige zwar immer noch, aber die Autorin schlägt dann auch eine vegane Alternative vor: statt Crème fraiche aus Kuhmilch beispielsweise Soja-Joghurt. "Man kann die Leute nicht überrumpeln, dass man ihnen sagt: Ihr müsst euch jetzt vegan ernähren", erklärt Goldner. Sie baut lieber darauf, dass ihre Leser zuerst aufs Fleisch verzichten und dann dank der Alternativvorschläge im Buch auch die Treibhausgas-intensive Kuhmilch weglassen.

Anhand der CO2-Werte in Goldners Rezeptbuch soll jeder erkennen können, wie viel er mit welchem Gericht verursacht. Bärlauch-Risotto ist vor allem wegen des Parmesankäses mit 1.325 Gramm Kohlendioxid schlechter als Fenchel aus dem Ofen. Dieses Gericht kommt nämlich nur auf 655 Gramm. Selbst wenn man statt frischer Tomaten Pizzatomaten nimmt, ist die Bilanz des Fenchels mit 745 Gramm günstiger.

So genau rechnet Goldner das vor, doch damit begibt sie sich auf Glatteis. Denn sie unterscheidet nicht, wann und wo zum Beispiel die Tomaten gepflückt wurden. Dabei zitiert sie Statistiken, wonach Gemüse aus beheizten Gewächshäusern zehnmal so viel Treibhausgase verursachen kann wie Saisongemüse vom Feld, selbst wenn es über eine weitere Strecke transportiert wurde.

Goldner entschuldigt diesen Mangel mit der schlechten Datenlage. Sie hat die CO2-Bilanz ihrer Rezepte anhand von Emissionswerten aus dem Computerprogramm Gemis des Öko-Instituts und der Gesamthochschule Kassel errechnet. "Es gibt bei Gemis nichts Genaueres", sagt die Köchin. Für Obst zum Beispiel spucke die Software nur einen allgemeinen Wert von 460 Gramm CO2 pro Kilo Frucht aus - egal welcher Art und Herkunft. Goldner sieht dennoch kein Problem in ihren Rezeptbilanzen: "Es geht uns darum, den Unterschied zwischen pflanzlichen und tierischen Produkten hervorzuheben." Da spielten die genauen Zahlen keine so große Rolle. Wichtig sei die Tendenz: Vegan schneidet besser ab.

Die Verfasser des "Klimakochbuchs" haben sich von vornherein gegen CO2-Bilanzen be iihren Rezepten entschieden. Grund seien die unvollständigen Daten, sagt Mitherausgeber Christian Noll, Energieeffizienzexperte des BUND. Stattdessen setzen seine Rezepte auf die Vielfalt regionaler Produkte und weniger Fleisch.

Auch hier sind eingeflogene Mangos tabu. Und es gibt Tipps zum klimafreundlichen Kochen: weniger Rindfleisch, beim Kochen den Deckel auf dem Topf lassen, saisonal einkaufen.

Doch lässt sich in der Küche wirklich das Klima retten? "Anders zu kochen ist nicht verkehrt. Aber erst, wenn sich ganz viele Menschen klimafreundlich ernähren, bringt das was", wendet Christiane Groß, Sprecherin der Verbraucherorganisation Foodwatch, ein. Es ist halt so wie beim Bioessen: Ist umweltfreundlich, aber trotz des Booms in den vergangenen Jahren liegt der Anteil von Ökoprodukten am gesamten Lebensmittelmarkt nur bei 3 Prozent. Und so wird wohl auf absehbare Zeit nur eine kleine Minderheit ihren Fleischkonsum freiwillig reduzieren.

"Um wirklich etwas im Klimaschutz in der Landwirtschaft zu machen, müsste die Politik handeln", sagt Groß. Sie fordert zum Beispiel, die Bauern zu verpflichten, ihre Emissionen um eine bestimmte Menge zu senken. Oder Umweltvorgaben, die Fleisch verteuern.

Dem kann Bettina Goldner nur zustimmen. Aber sie glaubt noch viel stärker an "die Macht des Verbrauchers". Sie hofft, dass eine Minderheit vorangeht und das Thema Klima und Ernährung populärer macht. "Dann", prophezeit sie, "wird die Politik nachziehen."

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