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Neue Games über den TodBegleiterin der Seelen

Über das Sterben spricht niemand gerne. Doch dass auch ein spielerischer Umgang mit dem Tod möglich ist, zeigen Videospiele wie „Spiritfarer“.

Sieht sehr lebendig aus, doch hiermit reisen vorwiegend Tote: Das Schiff im Spiel „Spiritfarer“ Foto: Thunder Lotus Games

Die meiste Zeit unseres Lebens halten wir uns den Tod fern. Um zu funktionieren, einen Alltag leben zu können, Ziele zu haben, scheint es nötig, dass wir das unausweichliche Ende mit all seinen schrecklichen Bildern verschließen – in einer metaphorischen Kiste irgendwo unter dem Bett, neben der Winterkleidung.

Videospiele können eine Möglichkeit bieten, sich dieser Kiste zu nähern. In den Spielmechaniken kann uns der Tod etwas näher kommen – es sind kleine Konfrontationen, klein genug, um nicht so viel Angst zu machen, vielleicht sogar Freude zu bringen.

Freilich gehen diese stillen Momente im Medium Videospiel und seinen Marketingkampagnen oft unter. Da ist das Knattern von Motoren und Waffen besser vermarktbar. Der Tod kommt da praktischerweise immer mit einem Zweck, einem Ziel und einer Gewissheit: Man tötet für die gute Sache.

Man kennt Bilder von Schlachtfeldern, Fadenkreuzen, Schüssen. So werden Herausforderungen bezwungen, Reflexe getestet. Der Tod selbst und der Weg dahin, das Sterben, finden in Videospielen allerdings nur selten Raum. Es gibt aber Games, die sich auf ihre eigene Weise diesem Thema nähern. Mechaniken, die aus dem Sterben ein Spiel machen – und eine Möglichkeit, den Tod greifbarer zu machen.

Den Seelen einen schönen Tod bereiten

In „Spiritfarer“ übernehmen die Spieler*innen die Rolle der Protagonistin Stella, die sich ein Schiff zu eigen macht, um fortan die Seelen verstorbener Wesen zur anderen Seite zu bringen. Es ist ein gewaltiger Aufwand, denn die Seelen haben Bedürfnisse: Sie wollen es gemütlich haben, wollen schlafen, essen, sich amüsieren.

Haben Gesprächsbedarf, möchten die letzten Gedanken und Gefühle ihres Lebens mit Stella teilen. Sie erzählen von ihren Sehnsüchten und Ängsten – das kann eine Portion Popcorn ebenso sein wie die Reue eines unerfüllten Lebens. Bis sie Abschied nehmen – für immer. Die neu gewonnenen Freunde gehen ihrer Wege ins Jenseits, sagen lebewohl.

„Spiritfarer“ ist in seiner Grundmechanik ein Managementspiel. Es gilt, genug Ressourcen zu finden, um es den Seelen auf dem Schiff so bequem wie möglich zu machen. Gärten anlegen, Gemüse anbauen oder eine funktionale Küche – all das braucht Holz, Samen oder Steine, die erst auf der Reise über das Meer gefunden werden können.

Die vielen Charaktere in „Spiritfarer“ erzählen still. Wenn Spie­ler*in­nen bereit sind, können sie sich die Geschichten anhören – Anteil daran nehmen. Somit ist das Spiel niemals aufdringlich, lässt den Spieler*innen einen eigenen Raum, das eigene Tempo. Immer ist dabei klar: Diese Freunde und Freundinnen, die ihr hier macht, sie werden wieder gehen. Darum schätzt die Zeit wert, die ihr mit ihnen verbringen könnt.

Das Videospiel „A Mortician’s Tale“ bildet den Ort ab, der nach dem Tod kommt: das Bestattungsunternehmen. DieSpieler*innen übernehmen die Rolle einer Bestatterin (sie ist Berufsanfängerin), die die Körper der einst Lebenden präpariert. Sie gehen mit ihr die ersten Schritte im neuen Beruf.

Geschichten voller Trauer und Wut

Lernen, wozu Schläuche, wozu die Salben da sind und an welchen Stellen lange Nadeln angesetzt werden müssen. Details, mit denen sich in der Realität kaum jemand auseinandersetzen möchte. Bestatter*in ist wohl einer der Berufe, über den eigentlich niemand genau Bescheid wissen möchte. Das Epitom der Angst vor dem Tod: Kalt, dunkel, allein, anonym.

„A Mortician’s Tale“ möchte genau mit dieser Angst spielerisch umgehen. Es soll sich respektvoll damit auseinandergesetzt werden, was übrig bleibt – und auch mit denen, die zurückbleiben. In einem Nebenraum, in dem die Trauernden an der Bestattungsfeier teilnehmen, können Spieler*innen ihren Geschichten über die Verstorbenen lauschen. Es sind Geschichten voller Trauer, Wut oder Gleichgültigkeit. Geschichten, die zu den Toten gehören, sie aber nicht mehr berühren. Geschichten von dem, was mal war.

Auch in „What Remains of Edith Finch“ steht der Tod im Zentrum. Die Spieler*innen übernehmen die Rolle einer jungen Frau, die in ihr Familienhaus zurückkehrt. Ein Haus, in dem jedes Familienmitglied einen unzeitigen Tod gefunden hat. Raum für Raum, Erinnerung für Erinnerung gilt es, diese Geschichten nachzuempfinden, die letzten Minuten oder Stunden im Leben dieser Menschen zu erleben.

Das kann eine Schaukel sein. Die Spieler*innen geben Schwung, die Schaukel geht hoch und höher, bis sie das Kind tief fallen lässt, in seinen Tod. Oder ein Teenager in einer Fabrik. Auf der rechten Seite des Bildschirms steuern die Spieler*innen den Alltag: Fischen die Köpfe abhacken. Auf der linken Seite aber erstreckt sich eine Fantasiewelt emotionalen Reichtums und der Glückseligkeit. Bis die Spieler*innen das Ende der Traumwelt erreichen und damit das Ende des Lebens eines Teenagers, der nicht mehr leben wollte.

Funktionaler Umgang mit dem Tod

„What Remains of Edith Finch“ schafft es, die Spielmechaniken selbst sprechen zu lassen. Im abrupten Ende der einzelnen Episoden, im Versagen der Kontrollen, in der Gewissheit, dass jede Geschichte im Tod enden wird, es kein Entkommen gibt. Hier zeigen sich die Stärken des Videospiels: Geschichten und Schicksale werden erlebbar gemacht– so kreativ und imposant, wie in kaum einem anderen Spiel.

Dass auch Humor ein wichtiges Instrument ist, mit Tod umzugehen, zeigt „Graveyard Keeper“. Die Spieler*innen übernehmen hier die Rolle eines Friedhofswärters, der selbst bereits verstorben ist. Im Jenseits gilt es, einen mittelalterlichen Friedhof zu verwalten. Zunächst muss Gestrüpp und Geröll entfernt und die schon vorhandenen Gräber müssen aufgehübscht werden. In dunklen Gemäuern kämpfen die Spieler*innen gegen Geister und andere Wesen.

Und dann, alle paar Tage, kommen Leichen auf einem von einem Esel gezogenen Wagen und müssen bestattet werden. Spieler*innen können entscheiden, wie sie mit den Körpern umgehen. Direkt vergraben? Verbrennen? Oder vielleicht doch, still und heimlich, das Fleisch weiterverarbeiten, Burger daraus machen und so ein wenig Geld verdienen, um den Friedhof noch schöner zu machen?

Makaber, ja. Aber in dieser Anders-Welt ist auch ein utilitaristischer Umgang mit dem Tod möglich. Das mag für einen Moment verstörend sein, jemand anderen schmunzeln lassen, bis es dann wieder in den Alltag eines Friedhofwärters geht – ein Leben mit dem ständigen Tod.

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