Neue Fabrik für Tarnkappenbomber: Rheinmetall geht in die Luft
Die deutsche Rüstungsbranche boomt seit dem Ukrainekrieg. Branchenprimus Rheinmetall will jetzt im Luftraum mitverdienen.
Hier sollen bald Rumpfmittelteile für den US-Tarnkappenbomber F-35 gebaut werden. 400 Jobs entstehen. Rheinmetall investiert nicht nur über 100 Millionen Euro, sondern stampft mit den Flugzeugteilen auch gleich ein neues Geschäftsfeld aus dem Boden. Bislang ist der Konzern mit Panzern, Artillerie, Flugabwehr und Munition im Geschäft. Nun stößt er in den zukunftsträchtigen Luftfahrtbereich vor, zu dem auch Drohnen und Satelliten gehören.
Rheinmetall steht stellvertretend für die ganze Branche. Vom mittelgroßen Zulieferer hat sich der Konzern in den vergangenen drei Jahren zu einem der wichtigsten Ausrüster im Ukrainekrieg gemausert. Rheinmetall-Chef Armin Papperger wird von der Politik hofiert. Der Börsenkurs seines Unternehmens ist seit dem Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 um das 18-Fache gestiegen, Auftragsbestände und Geschäftserwartungen haben sich seitdem auf 62 Milliarden Euro fast verdreifacht. Umsatz und Gewinn gehen steil nach oben, die Mitarbeiterzahl soll binnen zwei Jahren um ein Viertel auf 40.000 steigen.
Pappergers Schritt ist nicht überraschend, Drohnenhersteller haben für die Fachwelt derzeit das größte Wachstumspotenzial. Das spürt auch Helsing aus München. Obwohl die Firma mit 400 Mitarbeitenden relativ klein ist, sammelte sie kürzlich weitere 600 Millionen Euro von Investoren ein. Auch die Bundeswehr ist an der Kamikaze-Drohne HX-2 von Helsing interessiert, die bereits in der Ukraine fliegt.
Euphorisch die Stimmung bei Dynamit Nobel Defence & Co
Es ist ein auch von Steuergeldern bezahlter Aufstieg. Als Folge des Ukrainekrieges wird die Bundeswehr modernisiert und Waffenbestände werden aufgestockt. Ausgaben für das Militär sind teilweise von der Schuldenbremse ausgenommen, ein 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen wurde beschlossen. Nun will der Bund den Engpass beim Ankauf von Rüstungsgütern beseitigen: Dafür sollen besonders dringliche Aufträge künftig nicht europaweit, sondern nur noch national ausgeschrieben werden.
Die Branche dankt. Die Bundeswehr werde bis 2035 bis zu 1.000 neue Radpanzer brauchen, „hinzu könnten jeweils bis zu 600 neue Kampf- und Schützenpanzer kommen“, sagte Renk-Konzernchef Alexander Sagel am Dienstag zum Handelsblatt. Die ersten Aufträge erwarte er bereits Anfang kommenden Jahres, der Bedarf sei riesig. Der Augsburger Konzern ist außerhalb von Russland und China globaler Marktführer für militärische Präzisionsgetriebe, zum Beispiel für Panzer oder auch Fregatten.
Ähnlich euphorisch ist die Stimmung auch bei Dynamit Nobel Defence, Diehl, Heckler & Koch – oder bei Hensoldt aus dem bayerischen Taufkirchen, einem Anbieter von Sensoren und Radarsystemen. Der Umsatz stieg in den vergangenen drei Jahren etwa um die Hälfte auf 2,2 Milliarden Euro. 2025 möchte die Firma mit ihren rund 9.000 Beschäftigten mindestens 2,5 Milliarden Euro einnehmen, 2030 satte 6 Milliarden.
Radare von Hensoldt stecken im Kampfjet Eurofighter und kommen auch in der Ukraine zum Einsatz, um die Bevölkerung vor Luftangriffen zu schützen. Die Firma fertigt zudem Periskope für gepanzerte Fahrzeuge und U-Boot-Sehrohre.
Akuter Fachkräftemangel
Auch die Kieler Tochter des Industriekonzerns Thyssenkrupp ist mit der Bundeswehr im Geschäft. Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) ist nach eigenen Angaben mit 8.500 Mitarbeitenden Weltmarktführer für nicht nuklear betriebene U-Boote – und bis Anfang der 2040er Jahre voll ausgelastet. Im Dezember bewilligte der Bundestag den Bau von vier weiteren U-Booten der Klasse 212 CD für die Marine. Insgesamt sollen zehn solcher Boote bei TKMS gebaut werden – sechs für Deutschland, vier für Norwegen. Kürzlich bekam der Konzern zudem einen 800-Millionen-Euro-Auftrag zur Modernisierung von sechs U-Booten der Marine.
Längst leidet die Branche mit nach eigenen Angaben etwa 100.000 Beschäftigten unter akutem Fachkräftemangel. Weil in der Autoindustrie Stellen gestrichen werden, hat der Rüstungsverband BDSV ein Konzept namens „Auto2Defence“ ersonnen. Aber nicht nur aus der Autobranche direkt kommen die Arbeitenden. Den Anfang machte der Autozulieferer Continental, dessen Beschäftigten im niedersächsischen Gifhorn Jobs in einer Munitionsfabrik von Rheinmetall im 50 Kilometer entfernten Unterlüß angeboten wurden. Im einstigen Alstom-Waggonwerk im sächsischen Görlitz baut der Panzerbauer KNDS jetzt Teile für den Kampfpanzer Leopard 2, den Schützenpanzer Puma und den Radpanzer Boxer.
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