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Neue Ethik-Karte im FußballBienchen für Balltreter

Belohnung für Fairplay: Die flächendeckende Einführung der Weißen Karte für Wohltäter könnte den Fußball, nun ja, revolutionieren.

Kartenspiel: Schiedsrichter Christian Fischer zeigt einem Kicker fälschlicherweise Weiß Foto: Imago

I n Australien brauchen Arbeiter eine White Card, um auf den Baustellen des Landes zu arbeiten. Eine Green Card gilt als Eintrittsbillet in den US-amerikanischen Arbeitsmarkt. Der Sport hat eigene Signalfarben, allen voran Gelb und Rot für Regelverstöße im Fußball. Hier gab es aber auch einmal die Grüne Karte. Sie wurde bei einem bedeutungslosen Turnier jenen Spielern vor die Nase gehalten, die ein Foul begangen hatten, das irgendwo zwischen Gelb und Rot lag, also quasi im Bereich von Orange.

Warum diese Farbe seinerzeit nicht genutzt wurde, ist rätselhaft, jedenfalls setzte sich die Grüne Karte, die den Delinquenten des Platzes verwies, aber Ersatz zuließ, nicht durch, denn Grün steht für Umweltschutz und Weltrettung und so. Mit dieser Farbe bestraft man nicht, mit ihr wird mobilisiert. In anderen Sportarten, zum Beispiel Rollhockey, wird bisweilen die Blaue Karte gezückt – für Zeitstrafen eines Spielers.

Mit dem farbigen Karton (oder ist es Plastik?) wird also seit jeher sanktioniert. Kramt der Schiedsrichter in seinen Taschen, steigt der Puls des Ballspielers, denn er muss augenblicklich damit rechnen, bestraft zu werden für ein Vergehen, eine Grätsche oder eine Unsportlichkeit. In der Dynamik des Wettbewerbs ist es unvermeidlich, dass man Spielräume bis zum Regelbruch ausreizt, den eigenen Vorteil sucht und den Gegner auch mit manchmal unlauteren Mitteln versucht niederzuringen.

Wer Sport schaut oder ihn gar betreibt, weiß, dass Mikroaggressionen oft nahtlos in Makroaggres­sio­nen übergehen. Kurzum: Dass es ganz schön wild zugeht in der Sphäre des Sports. Nun leben wir aber in einer Welt, in der Zumutungen mehr und mehr minimiert werden. Alles soll knuffiger, milder, gesünder, verständiger, egalitärer werden, weswegen es wohl an der Zeit war, das bunte Sanktionswesen im Sport zu konterkarieren – mit einer Weißen Karte.

Pionierleistung in Lissabon

Die Weiße Karte bestraft nicht, sie belobigt. Die Weiße Karte bekommen besonders faire Sportlerinnen und Sportler. Oder Außenstehende wie die beiden Mannschaftsärzte der Frauenfußballmannschaften von Benfica und Sporting Lissabon, die in dieser Woche einem maladen Fan mit ihren Medizinköfferchen helfen konnten. Schiedsrichterin Catarina Campos zückte die Weiße Karte und deutete jeweils auf die Medizinmänner. Im Rund jubelte man, alles waren’s zufrieden, und die Pionierleistung von Frau Campos ging um die Welt.

Die Weiße Karte gibt es nun leider nur in Portugal, aber das Potenzial scheint immens zu sein. Die guten Taten der Stollenträger springen einem zwar nicht sofort in die Augen, aber so eine Weiße Karte wäre ja zum Beispiel angebracht, wenn Spieler X dem Rivalen aufhilft nach einem Stolperer. Wenn er ihm den Ball zum Einwurf reicht. Wenn er beim Stand von 5:0 absichtlich vorbeischießt. Wenn er nicht trash-, sondern smalltalkt. Wenn er einen Foulpfiff klaglos akzeptiert.

Ach, die Möglichkeiten sind unendlich, und die Wohltäter sollten nicht nur mit einer leeren Geste ihr Bienchen bekommen, nein, materielle Anreize müssen her. Das würde auch den Initiatoren der Weißen Karte gefallen, einer Organisation mit dem Namen Sport und Frieden mit Sitz in Monaco. Die gibt es seit 2007, und der monegassische Prinz Albert II. hat die Schirmherrschaft übernommen.

Die Mitarbeiter zücken, darauf wurden sie abgerichtet, bei jeder Gelegenheit die Weiße Karte und lächeln in die Kamera. Alle Erdenbürger halten sie dazu an, es ihnen gleichzutun. Hoch mit der ethisch wertvollen Weißen Karte! Auf dass der Sport seine hässliche Fratze des Kompetitiven verliere und endlich menschenwürdig werde. Ein Weiter-so ist unmöglich. Das haben wir jetzt Weiß auf Schwarz. Markus Völker

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Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
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3 Kommentare

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  • Ist es nicht eigentlich so, dass wir uns Fußball gerne anschauen, weil es aggressiv und hart zugeht, wegen der Erotik ungezähmter Männlichkeit? Wollen wir nicht Blut, Schweiß und Tränen sehen? Ist nicht die Dramatik, die sich aus Fouls und Schwalben, aus Roten Karten und Strafstößen ergibt, das, was ein Spiel wirklich interessant macht? Muss denn jede Form der Unterhaltung weich, lieb und nett sein? Irgendwie passt diese Fairness-Karte da nicht rein, das will den Fußball im eine Richtung führen, die ihn langweilig macht, ihm das Drama nimmt.

    • @Ruediger:

      Wenn es Ihnen wirklich um Blut, Schweiß und Tränen geht, sind andere Sportarten für Sie interessanter.



      Genauso schaut man wegen der Unfälle nicht Formel1 sondern andere Rennformate.

    • @Ruediger:

      "Wir"? Nee!



      Ich schau hauptsächlich Frauenfußball, da wird Härte zwar auch häufiger, ist aber immer noch nicht die Regel.



      Derartige "Dramatik" will ich auch gar nicht sehen, ist ja ein Spiel, keine Schlacht.



      Ich finde all die freundlichen Gesten in der Womans Champions Leage immer besonders nett, wenn Kameradinnen aus diversen Nationalmannschaften in verschiedenen Vereinen aufeinander treffen.



      Langweilig ist mir da eher selten.