Neue EU-Sanktionen gegen Russland: Sanktionsspirale dreht sich weiter
Die EU fordert die Freilassung des Kremlkritikers Alexei Nawalny und kündigt neue Sanktionen gegen Russland an. Moskau kündigt umgehend Vergeltung an.
Nawalny war vor drei Wochen bei seiner Rückkehr aus Deutschland verhaftet worden. Die russische Justiz wirft ihm Verstöße gegen Bewährungsauflagen und die Verleumdung eines Weltkriegsveteranen vor. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte in der vergangenen Woche seine umgehende Freilassung gefordert. Darauf berufen sich nun auch die EU-Außenminister: Es gehe darum, internationales Recht durchzusetzen.
Allerdings hat die EU nicht immer so schnell auf Urteile des Menschenrechtsgerichtshofs reagiert. Im Fall des türkischen Oppositionspolitikers Selahattin Demirtaş unternahmen die Außenminister gar nichts, obwohl dessen Freilassung seit Dezember überfällig ist.
Ungewöhnlich ist auch, dass sich die EU-Minister mit Vertrauten von Nawalny abgesprochen haben. Bundesaußenminister Heiko Maas reiste dafür sogar schon am Sonntag nach Brüssel. Details wurden nicht bekannt, Maas stand für Fragen von Journalisten nicht zur Verfügung.
Sanktionen auch gegen Oligarchen?
Umso offener zeigte sich der Nawalny-Mitarbeiter Leonid Wolkow. Er forderte die EU am Montag auf, auch Sanktionen gegen Kreml-nahe Oligarchen zu verhängen. Ohne sie sei die „Unterdrückungsmaschinerie“ nicht vorstellbar.
Diese Auffassung teilt auch eine Mehrheit im Europaparlament. Im Ministerrat gibt es aber rechtliche Bedenken. Es sei kaum möglich, eine direkte Verantwortung von Oligarchen für die Inhaftierung Nawalnys nachzuweisen. Deshalb wollen die EU-Außenminister nun zunächst auf Polizei und Justiz in Russland abzielen.
Es ist bereits das zweite Mal, dass die EU im Fall Nawalny Sanktionen verhängt. Erste Strafen waren im Herbst wegen der Vergiftung des Kremlkritikers – mutmaßlich durch den russischen Geheimdienst – erlassen worden.
Anfang Februar war dann der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach Moskau gereist, um Möglichkeiten für ein Tauwetter auszuloten. Sein russischer Amtskollege Sergei Lawrow ließ ihn jedoch auflaufen, in Brüssel spricht man von einer „Demütigung“. Seither liegen die Nerven blank. 70 Europaabgeordnete forderten Borrells Entlassung, auch ein Stopp der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 wird verlangt. Lawrow wiederum droht mit dem Abbruch der Beziehungen zur EU.
Die neuen Sanktionen dürften die Lage nicht entspannen – im Gegenteil: Russlands EU-Botschafter Wladimir Tschischow hat bereits Vergeltung angekündigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt