piwik no script img

Neue Corona-Regeln in BerlinDie Maskenpflicht, die keine ist

In Berlin fallen ab Freitag viele Corona-Regeln, darunter die Maskenpflicht. Der Senat setzt auf Eigenverantwortung und „dringende Empfehlungen“.

Wir werden sie noch brauchen, auch wenn FFP2-Masken ab Freitag nicht mehr überall Plficht sind Foto: picture alliance/Christophe Gateau

Berlin taz | Es ist ein wiederkehrendes Dilemma der Pandemie, dass lang ersehnte Schritte Richtung Normalität stets verheißungsvoller scheinen, als sie es schließlich sind. Nach dem ersten Lockdown sind wir uns nicht massenhaft in die Arme gefallen, viele meiden weiterhin das Großraumbüro, und manch ei­ne*n begleitet zu Veranstaltungen noch ein latentes Unwohlsein. Nur weil Regeln auslaufen, ist die Pandemie schließlich nicht vorbei.

5.101 Fälle meldete die Berliner Gesundheitsverwaltung, als der Senat am Dienstag das Ende fast aller Coronaregeln beschlossen hat. Ab Freitag fällt die Maskenpflicht in Gastronomie, Einzelhandel und Schulen. Nur im ÖPNV, in Gesundheitseinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften sind Masken weiterhin vorgeschrieben. Die Testpflicht in Kitas und Schulen, Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Flüchtlingsunterkünften bleibt, ebenso die Quarantäneregeln. Damit übernimmt Berlin den Basisschutz, der ab Sonntag bundesweit vorgesehen ist.

Die Möglichkeit für eine generelle Maskenpflicht sieht der Bund mit der Hotspot-Regelung zwar vor – mangels konkreter Kriterien, was ein Hotspot ist, sei eine rechts­sichere Umsetzung allerdings nicht möglich, klagen die Länder. Einige von ihnen, darunter Berlin, forderten auf einer Sitzung der Ge­sund­heits­mi­nis­te­r*in­nen, bis Mai auf Lockerungen zu verzichten – fanden aber keine Mehrheit. So bleibt der Landesregierung nichts weiter übrig, als Maßnahmen zu empfehlen, die sie nicht mehr umsetzen kann.

Aus Pflicht wird dringende Empfehlung

„Ich rate den Schülerinnen und Schülern sowie dem Schulpersonal dringend, aus Infektionsgründen weiter eine Maske in der Schule zu tragen“, sagt Schulssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD), einst Gegnerin der Maskenpflicht an Schulen. Das sei zwar eine freiwillige Entscheidung, wegen der niemand Nachteile erfahren dürfe, es gebe aber gute Gründe dafür: Schließlich dienen Masken dem Selbstschutz und dem Schutz anderer. Auf gut Deutsch: Macht, was ihr wollt, aber sagt später nicht, ich hätte euch nicht gewarnt.

Auf die viel beschworene Eigenverantwortung wird auch der Handel setzen, so Phillip Haverkamp von der Handelskammer Berlin: „Der Kontrollaufwand für die Maskenpflicht ist ungleich höher, wenn die gesetzliche Grundlage fällt.“ In der Gastronomie hingegen wird auch ohne politische Rückendeckung vieles beim Alten bleiben. Dehoga-Chef Thomas Lengfelder hat den Eindruck, dass viele Betriebe weiter zum Maskentragen auffordern wollen, um Personalausfälle zu verhindern: „Das ist das Hausrecht eines jeden Unternehmers.“

Das Ende der Masken ist also längst nicht besiegelt – auch ohne eine Pflicht.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Über den April hin sollen die Quarantäneregeln noch bestehen bleiben. Danach greift dann das Argument mit dem Schutz vor Personalausfall auch nicht mehr bei über den Sommer hin mehrheitlich wenig symptomaitschen bis asymptomatischen Krankheitsverläufen.

  • In der Gastronomie, und auch im Einzelhandel, wird es demnächst keine Maskenpflicht mehr geben, sonst geben die Kunden ihr Geld woanders aus. Hausrecht hin oder her.