Netzbetreiberchef über Stromtrassen: „Wir sind einmalig transparent“
Martin Fuchs ist Deutschlandchef des Stromnetzbetreibers Tennet. Er will die Bürger bei der Planung neuer Stromtrassen beteiligen.
taz: Mit dem neuen Gesetz können Bürger kaum noch gegen eine neue Stromtrasse klagen. Das Bundesverwaltungsgericht ist die einzige Instanz. Geht der Netzausbau jetzt wenigstens schneller?
Fuchs: Das Wichtigste ist, dass die Verfahren insgesamt beschleunigt werden, und das geht schon sehr viel früher los. Für die Raumordnungsverfahren sind im Gesetz sechs Monate vorgesehen. Das wird oft deutlich überschritten, und so geht es in den folgenden Verfahrensschritten weiter. Bis gebaut werden kann, vergehen dann acht bis zehn Jahre. Die wesentliche Beschleunigungsmöglichkeit besteht also schon am Anfang, und dazu gehört für uns auch die frühe Bürgerbeteiligung.
Bei früheren Bauprojekten hat Tennet aber erst auf Druck der Anwohner Informationsveranstaltungen organisiert. Wie werden Sie die Öffentlichkeit bei den neuen Trassen des Bundesbedarfsplans einbeziehen?
Wir haben dazugelernt. Wir haben in diesem Jahr schätzungsweise 500 Informationsmärkte für Anwohner, runde Tische oder Arbeitskreise mit Gemeinden und Bürgerinitiativen. Wir verschließen uns also in keiner Weise. Wir wollen die Bürger sogar noch vor den Planungsverfahren beteiligen, die nun durch die Bundesnetzagentur und die Länder durchgeführt werden. Schon als wir für den Bundesbedarfsplan die Start- und Endpunkte der neuen Leitungen ermittelt haben, wurde die Öffentlichkeit konsultiert. Dieser Prozess war in seiner Transparenz einmalig.
Wann werden Sie erste Vorschläge für den Verlauf der Leitungen machen?
Wir beginnen so früh wie möglich mit den Planungen. Wir identifizieren sensible Gebiete und diskutieren mögliche Alternativen mit betroffenen Bürgern und Gemeindebehörden. Man darf aber nicht vergessen, dass wir jetzt schon mit etwa 500 Kilometern an bestehenden Leitungsprojekten in Genehmigungsverfahren sind. Ich wäre dankbar, wenn wir die Genehmigungen dafür zügig bekämen, auch damit wir uns auf die Leitungen aus dem Bundesbedarfsplan konzentrieren können. Bis mögliche Trassenverläufe für die neuen Leitungen feststehen, werden sicher noch zwei bis drei Jahre vergehen.
geboren 1953, ist Chef der Firma TSO GmbH, der Deutschlandtochter des niederländischen Stromnetzbetreibers Tennet.
Tennet plant eine der drei „Stromautobahnen“ mit leistungsfähiger Gleichstromtechnik, die Windenergie von Meereswindparks in den Süden transportieren sollen. Der Bau dieser Windräder stockt aber. Müssten Sie dann nicht weniger Leitungen bauen?
Der Netzausbau zielt auf die Situation im Jahr 2022, und zu der gehört beileibe nicht nur die Offshore-Windenergie. Es geht vor allem um die Einspeisung von norddeutschen Windparks an Land; von diesen wird es eher mehr geben, als 2011 in den Szenarien für den heute verabschiedeten Plan unterstellt wurde. Die Bundesnetzagentur hat nur Leitungsprojekte bestätigt, die auch bei einer langsameren Entwicklung der erneuerbaren Energien notwendig sind. Das sind etwa 70 Prozent der von den Netzbetreibern berechneten Maßnahmen.
Die Bundesnetzagentur hat tatsächlich 1.000 Kilometer neue Trassen weniger genehmigt, als Sie ermittelt hatten. Experten glauben aber, dass sich noch mehr Leitungen sparen ließen, wenn das Netz nicht auch noch jenen Windstrom aufnehmen müsste, der nur bei seltenen, optimalen Wetterbedingungen erzeugt wird.
Es ist politisch gewollt, dass wir das Netz so ausbauen, dass 100 Prozent der erneuerbaren Energien transportiert werden können. Wenn das nicht so wäre, wäre der Ausbaubedarf wahrscheinlich etwas geringer.
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