Netanjahu bildet Kabinett um: Weiterer Rechtsruck in Israel
Der ultranationale Hardliner Avigdor Lieberman soll neuer Verteidigungsminister werden. Die Annäherung an Ägypten ist damit wohl hinfällig.
„Extremisten und gefährliche Elemente haben Israel und die Likud-Partei übernommen“, kommentierte Jaalon die jüngsten Entwicklungen. Lieberman seinerseits machte die Einführung der Todesstrafe für Terroristen zur Bedingung. Ob Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dieser Forderung nachgibt, blieb vorerst offen.
Der absehbare Wechsel im Verteidigungsministerium dient Netanjahus Machtposition in der Regierung und gleichzeitig einem Machtausbau seiner Regierung gegenüber der Armee.
Hochrangige Militärs äußerten sich jüngst immer lauter gegen die zunehmende Gewalt und Intoleranz im Land. Im Gegensatz zu Netanjahu, der die Kritik nicht hören will, motivierte Jaalon die Armeeangehörigen, weiter ihre Meinung öffentlich zu äußern und nach gutem Gewissen zu handeln.
Botschaft ans Ausland
Mit der Koalitiionseinladung an Liebermans ultranationale Partei Israel Beteinu sendet Netanjahu zudem eine Botschaft über die Landesgrenzen hinweg. Sowohl in Paris als auch in Kairo gibt es das Bestreben, den Friedensprozess zwischen Israel und der Palästinensischen PLO wiederzubeleben.
Netanjahu hatte die französische Initiative zwar schon vor Monaten abgelehnt, gerät aber unter Druck, da nun auch die USA ihre Unterstützung ankündigten und die für Ende Mai in Paris geplante Außenministerkonferenz eigens verschoben wurde, um US-Außenminister John Kerry die Teilnahme zu ermöglichen.
Die Initiative der Ägypter stieß zunächst auf eine überraschend positive Reaktion bei Netanjahu. Eine Regierung mit Lieberman als Verteidigungsminister macht es für Kairo allerdings nahezu unmöglich, die Annäherung fortzusetzen. Lieberman, der einst drohte, den Staudamm von Assuan in die Luft zu sprengen, gilt in Ägypten als Persona non grata.
Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi werde vorerst nicht von seiner Unterstützung für neue Friedensverhandlungen ablassen, hieß es in Kairo, allerdings wolle Ägyptens Führung in Zukunft „bei jedem Schritt und jeder Entscheidung“ Garantien von dritter Seite zur Bedingung machen.
Den Palästinensern in schlechter Erinnerung
Auch den Palästinensern dürfte der frühere israelische Außenminister in nicht allzu guter Erinnerung sein. Lieberman schimpfte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas einst eine „Kuh, die keine Milch mehr gibt“ und rief dazu auf, Ismail Hanijeh zu ermorden, den politischen Chef der Hamas im Gazastreifen.
Anfang dieser Woche hatte es noch so ausgesehen, als stünde in Israel eine Einheitsregierung bevor. Binnen weniger Stunden machte Netanjahu dann eine überraschende Kehrtwende, sagte dem Sozialdemokraten Herzog ab und lockte den ultranationalen Lieberman mit wichtigen Ministerposten.
Dass sich Herzog überhaupt zu Koalitionsverhandlungen mit Netanjahu hinreißen ließ, könnte nicht nur seiner Karriere ein rasches Ende bereiten, sondern auch seinem Zionistischen Lager, einem Bündnis aus der Arbeitspartei und Ex-Justizministerin Tsipi Livni, die zuletzt die Friedensgespräche im Auftrag Israel leitete.
Aktuelle Fernsehumfragen zeigen, dass die Arbeitspartei infolge von Herzogs Manöver zwischen sieben und elf Mandate einbüßen würde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind