Neonazi-Subkultur im Netz: Forscher warnen vor „Terrorgram“
Rechtsextreme nutzen den Messenger-Dienst Telegram für Gewaltaufrufe. Laut einer Studie gibt es dafür ein loses Geflecht aus Chatgruppen und Kanälen.

Laut der Studie der Berliner Organisation, über die am Mittwoch zuerst der Spiegel berichtete, handelt es sich bei dem Netzwerk um ein loses Geflecht aus Kanälen und Chatgruppen, das unter dem Begriff „Terrorgram“ bekannt sei. In diesem Netzwerk werde der sogenannte „militante Akzelerationismus“ propagiert, eine Ideologie, die gewaltsam den Zusammenbruch westlicher Demokratien durch einen Rassenkrieg herbeiführen will.
Seit 2022 zählten die Forscher:innen 651 deutsche User in 164 Chat-Gruppen des Terrorgram-Netzwerks und werteten deren Aktivitäten aus. 83 dieser User – laut Untersuchung sind es meist junge Männer mit stark ausgeprägtem Hass gegenüber Frauen und queeren Menschen – wurde ein rechtsterroristisches Gefahrenpotenzial zugeschrieben, „das sich in den letzten Jahren immer wieder durch Anschläge und Anschlagsplanungen bestätigt hat“, wie es in der Studie heißt.
Thilo Manemann, Autor der Untersuchung
Der Autor der Untersuchung, Thilo Manemann, geht von einem „riesigen Dunkelfeld“ aus. „Dass wir in dieser ersten Analyse bereits eine so hohe Aktivität feststellen konnten, zeigt die Gefahr, die potenziell von diesem Netzwerk in Deutschland ausgeht“, so Manemann.
Journalist:innen erhielten Einblicke in Chats
Laut Spiegel weisen einige Anhänger:innen des Netzwerks weitere politische Verbindungen auf. So etwa Luka Z., ein junger Mann, der online mit dem Hitlergruß posierte, bei einem Aufmarsch der rechtsextremen Gruppe „Deutsche Jugend Voran“ teilnahm und in einer Chatgruppe den Spruch „Verteidige die weiße Rasse“ postete. Dem Spiegel zufolge war Z. zeitweise Mitglied der AfD in Brandenburg.
Weiter erhielten die Journalist:innen Einblick in einen Chat, in dem Mitglieder im Oktober 2024 einen Anschlag auf eine Synagoge in Berlin ankündigten. Als die Polizei einschritt, stellte sich heraus, dass der Tatverdächtige ein 13-jähriger Junge aus Nordrhein-Westfalen war.
Die Cemas-Untersuchung gibt auch Ratschläge für Gegenmaßnahmen. Besonders effektiv seien Sperrungen solcher Kanäle, doch Telegram mache dies zu selten. Umso wichtiger sei die Arbeit der Behörden. „Die Communitys müssen engmaschig beobachtet werden“, so Manemann. Nur dadurch könnten Entwicklungen frühzeitig erkannt werden. Um den Ermittlungsdruck zu erhöhen, wäre es laut Manemann wichtig, militant akzelerationistische Gruppen und Zusammenschlüsse als terroristische Vereinigungen einzustufen. Bisher gibt es in Deutschland keine einheitliche juristische Einstufung solcher Gruppen.
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