Neonazi-Reaktionen im Internet: "Konstruiert und platziert"
In rechtsextremen Internetforen wird über die Jenaer Terror-Gruppe diskutiert: Mit den Tätern will man nichts zun haben. Die Opfer werden nicht bedauert.
![](https://taz.de/picture/241264/14/photocaseml676q7b52846401.jpg)
BERLIN taz | Nein, echte Nationalisten waren das mit Sicherheit nicht. Mit der NPD habe das Trio schon gar nichts zu tun. Letztlich habe ohnehin der Verfassungsschutz alles inszeniert, um der Nationalen Bewegung eins reinzuwürgen.
Die rechtsextreme Szene in Deutschland hat Diskussionsbedarf, nachdem bekannt geworden ist, dass drei Neonazis aus Thüringen mutmaßlich für neun ausländerfeindliche Morde in den vergangenen Jahren sowie den Mord an einer Polizistin in Heilbronn verantwortlich sind.
Auf einschlägigen Neonazi-Websites gehen sie auf Distanz zur Terrorvereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) und spinnen nebenbei wilde Verschwörungstheorien. Zustimmung oder Unterstützung für die Terrorgruppe gibt es bisher kaum.
Für den Autor auf der Neonazi-Website Altermedia etwa steht fest, dass die drei mutmaßlichen NSU-Mitglieder Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Z. 1998 "die nationale Szene endgültig verließen um nunmehr als Bankräuber ihr Glück zu machen".
Nicht wenige Szeneaussteiger seien im Grund nicht mehr als Kriminelle, schreibt er weiter. Jetzt schiebe man dem Trio "alle möglichen Straftaten in die Schuhe, für die man in der Vergangenheit keine Aufklärung wusste". Abschließend stellt der Autor klar, dass er den Mordopfern "keine Krokodilsträne widmen wird".
Die NPD-nahe Seite deutschlandecho.info versucht ebenfalls mit aller Macht, sich von den mutmaßlichen Terroristen zu distanzieren. So spricht der NPD-Geschäftsführer in Thüringen und frühere Kameradschaftler Patrick Wieschke von den "Berufskriminellen".
"Unpolitische Verbrecher werden zu Nationalisten gemacht"
Mord sei "schlichtweg unentschuldbar", erklärt Wieschke auf der Homepage. Staatliche Stellen hätten ihre Finger im Spiel, zur NPD bestünde keinerlei Kontakt. Einen Ansatzpunkt für die Entwicklung eines Rechtsterrorismus sehe er nicht. "Das hat mit Politik nichts zu tun."
Auch in den Kommentaren ist man sich einig. Hier sollten "unpolitische Verbrecher zu Nationalisten gemacht werden", heißt es etwa. Der Verfassungsschutz wolle dem Volk eine rechte Terrorgefahr vorgaukeln. Es werde "mit drei Verbrechern systematisch und skrupellos gegen Rechts gehetzt".
Im Neonazi-Forum thiazi.net wird seit vergangenem Donnerstag ebenfalls rege diskutiert. "Man kann sich sicher sein, dass die drei keinen Kontakt mehr zur ,rechten Szene' hatten", schreibt ein Kommentator. Auch hier wird der Verfassungsschutz als Drahtzieher gesehen, der dem Trio die Morde angelastet hat.
Auch an der Selbstmordtheorie zweifeln viele. "Es riecht verdammt nach Geheimdienst. Vielleicht aus dem Ruder gelaufene V-Leute", mutmaßt ein Kommentator, ein anderer stellt fest, dass alles "konstruiert und platziert" sei.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird