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Neonazi-Aufmarsch in Bad NenndorfEndstation Seitenstraße

In Bad Nenndorf blockiert ein breites Bündnis den Zielort einer Neonazi-Demo. Die Räumung dauert so lange, dass die Rechtsextremen schließlich umkehren.

Links im Bild: Ein rechter Arm. Bild: dpa

BAD NENNDORF taz | Auch nach der dritten Ansage der Polizei, die Straße vor dem Wincklerbad zu räumen, bleiben die Blockierenden sitzen. Die Luftballons fliegen, das Konfetti wird in Bad Nenndorf weiter geworfen. „Wir bleiben hier“, sagt Sigrid Bade, die zweite Vorsitzende des Sportvereins VfL. Nicht ohne zu betonen, etwas „unsicher“ zu sein: „Es ist das erste Mal, dass wir trotz der Ansage der Polizei nicht gehen. Doch wir haben der Antifa gesagt, wenn sie friedlich sind, bleiben wir“. Und die Antifa bleibt friedlich.

Um 16.05 Uhr muss die Polizei in der niedersächsischen Kurstadt erleben, dass ihre Ansage „Ab jetzt wird geräumt“, verbunden mit dem Hinweis, dass, wer sitzenbleibt, ab jetzt eine Straftat begehe, zu keiner Trennung des Protests führt. Über 600 Anwohner, Sportfreunde und Antifaschisten blockieren seit 14 Uhr jene Kreuzung, wo ein „Trauermarsch“ der rechtsextremen Szene enden sollte. Vorm Wincklerbad, das von 1945 bis 1947 ein Internierungslager und Gefängnis der Alliierten war.

Ein Lied wünschen sich die Blockierenden immer wieder vom freien Radio Flora, das gleich an der Straße ein mobiles Studie aufgebaut hat: „Wir sind gekommen um zu bleiben“. Der Song von Wir sind Helden wird zum Motto des Tages.

Erst als die Polizisten mehr und mehr Demonstranten nicht gerade vorsichtig wegtragen, kippt die Stimmung. „Die ruppen ja die Leute weg“, sagt ein älterer Anwohner entsetzt. Ein junge Frau ist erschrocken: „Die schlagen zu“. Ein Mann brüllt einen Beamten an: „Es gibt auch Zivilcourage für Polizisten – unglaublich“. Ein Frau schlägt fassungslos die Hände vor das Gesicht als die Polizei eine andere Frau über die Straße schleift: „Ich habe so etwas noch nie gesehen“.

Sechzig Meter vorm Ziel ist Schluss

So konnten zwar nicht alle, die gekommen sind, bleiben. Aber am Ende ist die gemeinsame Blockade doch erfolgreich, einfach weil die Räumung so lange dauert. Um 18 Uhr sind die Rechtsextremen in Sichtnähe des Bad angekommen – auf sechzig Meter. Und weiter kommen sie nicht. „Haut ab“-Rufe schallen ihnen entgegen. In einer Seitenstraße halten die Rechtsextremen eine Kundgebung ab.

Die Straße wird derweil weiter blockiert, eine Pyramide, 40 mal 40 Zentimeter, an der sich vier Demonstranten befestigt haben, steht auf der Straße. Zwei Gruppen mit jeweils drei Protestierenden haben sich mit Fahrradketten aneinander gebunden. Kurz vor 20 Uhr geben die Rechtsextremen auf. Kehrt Marsch, lautet ihr Kommando.

Seit dem Vormittag waren über 1.600 Demonstranten gegen diesen alljährlichen Marsch auf den Straßen. Nach einem Gottesdienst begann die Demonstration und die Aktionen der Bündnisse „Bad Nenndorf ist bunt“ und „Kein Naziaufmarsch in Bad Nenndorf“. Niedersachsen Innenminister Boris Pistorius (SPD) war unankündigt erschienen. Unter langen und lauten Applaus sagte er zum Auftakt: „Nicht Bad Nenndorf hat ein Problem mit den Nazis, sondern die Nazis haben ein Problem mit Bad Nenndorf.“

Jürgen Uebel vom Bündnis verwies auf eine Studie des Landesverfassungsschutzes: „25 Seiten in denen dargelegt wird, das bei dem Marsch der Nationalsozialismus verherrlicht werden und das ein Verbot Bestand haben könnte“, sagte er und meinte: „Das wirft mehr als Fragen auf.“

Die NPD als Unterstützer

Im achten Jahr in Folge richten in der Kurstadt Freie Kameradschaften den vermeintlichen „Trauermarsch“ aus – immer unterstützt von der NPD. Unter dem Motto „Für die Opfer alliierter Kriegs- und Nachkriegsverbrechen – Gegen die Lüge der Befreiung“ hat in diesem Jahr das rechtsextreme „Gedenkbündnis Bad Nenndorf“ um den Anmelder Matthias Schulz den Marsch veranstaltet.

Mit dem jährlichen Marsch zum Wincklerbad wollen die Kader aus dem Spektrum der Freien Kameradschaften einen festen Termin etablieren. Im Bad hatte der britische Geheimdienst von 1945 bis 1947 eine Verhörzentrale eingerichtet. Nachdem Misshandlungen von ehemaligen Wehrmachts- und SS-Angehörigen bekannt wurden, schlossen britischen Behörden die Einrichtung.

Zu diesem Zeitpunkt bildeten „die Roten“ allerdings längst die Mehrheit der Insassen, stellen Utz Anhalt und Steffen Holz 2011 in ihre Studie „Das verbotene Dorf“ fest. „Die kurze Phase der Dominanz antifaschistischen Bestrebungen“, so Anhalt und Holz, wurde durch einen „militanten Antikommunismus abgelöst“. Das in dem Bad nicht alleine Gesinnungskameraden inhaftiert waren, blenden die Rechtsextremen heute aus.

Vom Bahnhof achthundert Meter hoch zum Wincklerbad waren die Rechtsextremen schweigend in den vergangenen Jahren marschiert. Achthundert Meter, die hart umkämpft waren: Den Straßenrand hatten Anwohner stets mit Anti-Nazi-Parolen an Häusern und Laternen verschönert. In den Gaststätten fanden Privatfeiern statt, deren Gastgeber nichts dagegen hatten, dass ihre geladenen Gäste vor der Tür eine Sitzblockade bildeten. Und auf der Straße gelang es Gegendemonstranten, sich mit Betonpyramiden zu platzieren.

Verzögerung schon am Bahnhof

In diesem Jahr hatte „Bad Nenndorf ist bunt“ vor dem Verwaltungsgericht Hannover jedoch selbst diese Route zugeteilt bekommen, wogegen das „Gedenkbündnis Bad Nenndorf“ geklagt hatte – und eine Alternativstrecke erhalten haben.

Doch schon am Bahnhof gab es eine Verspätung. Eine Frau und ein Mann hatten sich nach dem Stop einer S-Bahn zwischen einem Waggon und dem schmalen eingleisigen Steg an einer braunen Bio-Tonne, gefüllt mit Beton, angekettet. Die Folge: Der Zugverkehr musste über Stunden eingestellt werden.

Erst nach Stunden konnten die knapp 270 Rechtsextremen, unter ihnen die verurteilte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck, losmarschieren. Ihr Ziel erreichten sie nicht an diesem Tag.

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26 Kommentare

 / 
  • NS
    nur so

    Es hat sich übrigens bei den Leuten, die sich aneinander geschlossen haben, nicht um Fahrradketten gehandelt sondern um Bügelschlösser, sogenannte D-Locks.

  • TA
    Traurig aber wahr

    Zu Bad Nenndorf einfach mal "guardian nenndorf" googlen. Da gibt dann nicht mehr viel zu diskutieren. Es gibt einfach Sachen, die das primitive links/rechts Schema sprengen. Dazu noch ein paar Filmchen von Iraq und das Bild ist vollstaendig. Thats war.

  • Mich wundert es, dass die NPD durch Bundesverfassungsgericht oder durch den Bundespräsidenten noch nicht verboten wurde. Die NPD verstößt ständig gegen die Grundrechte unserer Verfassung. Darüber gibt es vielfach Beiträge in der Presse. Somit muss die Partei NPD in Anlehnung an Artikel 18 und Artikel 21 Absatz 2 im Grundgesetz verboten werden.

    • KA
      Karl Auer
      @Stefan Mustermann:

      Ich denke, wir wissen warum die noch nicht verboten sind, oder?

      • VL
        Vergebliche Liebesmueh
        @Karl Auer:

        Du willst wohl sagen, dass die "Linken" dann nichts mehr zu meckern haetten, oder?

  • S
    Stefan

    Mich wundert es, dass die NPD durch Bundesverfassungsgericht oder durch den Bundespräsidenten noch nicht verboten wurde. Die NPD verstößt ständig gegen die Grundrechte unserer Verfassung. Darüber gibt es vielfach Beiträge in der Presse. Somit muss die Partei NPD in Anlehnung an Artikel 18 und Artikel 21 Absatz 2 im Grundgesetz verboten werden.

  • @ Blockierer: Dank und Applaus.

     

     

     

    @ Polizei: langweilig und doof.

     

     

     

    @ Nazis: kackt ab.

     

     

     

    @ taz: Euer neues Layout ist merkwuerdig.

  • Da gewinnt man doch mehr und mehr den Eindruck, dass die Polizei in diesem Land ihre Hauptaufgabe darin sieht, Neonazis und Gangster im Nadelstreifen zu beschützen.

     

    In der derzeit regierenden Nachfolgeorganisation der NSDAP geben sich offenkundig Wirtschaftskriminelle und Rechtsextreme ein Stelldichein.

     

     

     

    Bürger von Bad Nenndorf, ich bin stolz auf Euch!

  • T
    telmo2

    Ha, ha, fast genauso gelaufen in Lübeck 2012 zur Palmsonntags-Veranstaltung. Dort konnten die Braunen 120 m in einer Wohnstrasse auf- und abmarschieren; direkt in Hauptbahnhofsnähe..und dann Abgang

  • K
    Klarsteller

    Ich stelle mir mal für einen Augenblick die Situation mit vertauschten Rollen vor.

     

    Hei, wäre das ein Gedöns, hörbar bis Timbuktu.

    • E
      Enkel
      @Klarsteller:

      Ja, so ist das naemlich, sagte der alte Onkel Fritz Ossenbuehl seinen Studenten. Aber was will man machen, sie fuehlen sich eben stark und sind dumm.

  • Die Polizei hat mal wieder die Gelegenheit genutzt, und gezeigt, was sie am besten kann.

     

    Glückwunsch an das Protestbündnis.

    • C
      Carsten
      @vic:

      Bullen sind halt Arschlöcher. Egal, in welchem Land der Erde

  • L
    Lukaz

    Rechtsschreibfehler anprangern ist immer ein Totschlagargument, wenn man selber nichts gehaltvolles zu einer Diskussion beitragen kann.

     

    Viel wichtiger ist die Information im Text und Schulen freuen sich bestimmt darauf, wenn dieser Text durch "KREIDEHOLEN" verbreitet wird. So kann das braune Gedankengut einfacher bekämpft werden und viel mehr für eine gute Erziehung des Miteinanders aller Kinder gesorgt werden.

     

     

     

    Ich bin froh das es so viele Menschen gibt die gegen diese Ideologie kämpfen. Keiner will mehr diese Nationalisten haben und zum Glück gibt es nur ein paar verfaulte Pflaumen die man mit ehrlichen, friedlichen und intelligenten Menschen stoppen kann.

     

    Gut fand ich auch, dass die AntiFa sich diesmal zurück gehalten hat, denn es geht auch ohne Gewalt. Die Rechten haben einfach keine Chance mehr, sie sind unerwünscht und werden es auch bleiben.

     

    Merken tun sie es allerdings nicht.

     

    Ob es an der fehlenden Intelligenz liegt?

     

     

     

    Die Menschheit braucht keine Nationalsozialisten, Kommunisten und Religionen, einzig die Wissenschaft im Sinne des Friedens und der Umwelt ist wichtig, um in Freiheit, Frieden und Glück mit allen anderen Menschen zusammen zu leben.

  • H
    hiho

    hi deutsche medien,

     

     

     

    sry für OT, aber wenn ihr rechte andauernd als Neonazis bezeichnet wird das am ende dazu führen, dass die sich stolz selbst als NN bezeichnen - und alle anderen "rechtspopulisten" und rechtsextreme werden isipisi damit spielen können.

     

     

     

    nur so als tipp

     

    nach 15 jahren...

     

    ..egal...

  • N
    Naziblockierer

    @Frau Cometh: "Unglaublich" mutig war's vielleicht nicht: Aber ich fand die Menschen, die sich den Nazis erfolgreich in den Weg gesetzt haben, schon ziemlich mutig. Vor allem auch die, die sich zum ersten Mal von teils korrekten, teils ziemlich gewaltbereiten Polizeibeamten wegtragen/ -schleifen ließen.

     

    Wirklich wichtig war's auf jeden Fall. Denn den Kameraden des Nazimördertrios darf mit Bad Nenndorf kein neuer Wallfahrtsort entstehen. Und jetzt haben die, um mit Pistorius zu sprechen, ein echtes Problem mit der Stadt.

     

    Und, Claudia Cometh: Radio Flora ist ein Radiosender aus Hannover, nix Rote Flora, nix Hamburg.

     

    Manchmal hat sogar Diter Nuhr Recht: Wenn man keine Ahnung hat ...

    • KK
      Kritischer Kritiker
      @Naziblockierer:

      Ich fuerchte oder hoffe, dass der Zusammenhang der Demonstraten mit jenem Trio nicht groesser ist als der enagierter Beatlesfans mit Charles Manson. Es ist nicht immer das gleiche, auch wenn sie alle lange oder kurze Haare haben. Der durchschnittliche Nazis ist ziemlich harmlos, aber eben kein Rolling Stonesfan.

    • @Naziblockierer:

      Ich muss mich wirklich entschuldigen, aber ich war einfach so froh, dass es die "rote Flora" noch gibt und wenn es sogar einen Sender "Radio Flora" gibt, der offenbar auch dieses Milieu bestrahlt, ist es doch noch besser und es zeigt, dass sich die Ideen einer gerechten Gesellschaft grenzenlos verbreiten.

       

       

       

      Danke für die gute Nachricht und revolutionären Gruss an die Genossön (= korrekte Schreibweise, die auf das 3. und 7. Geschlecht meint) in Hannover.

       

      C.

  • C
    @Claudia

    Das Ding heißt Radio Flora (www.radio-flora.de) und ist ein Bürgerradio aus Hannover.

     

     

     

    Für die Nicht-Hannoveraner. ;)

  • A
    Al

    @claudia claudumm

     

     

     

    warste Opfer?

  • K
    Kreideholen

    Wahnsinn... in einem einzigen Artikel 15 Fehler (davon einige schwachsinnige Wortstellungen).

     

     

     

    Wurde der Autor im Deutschunterricht immer zum Kreideholen geschickt...?

     

     

     

    Das schick ich mal an Linguisten, die solchen Schrott für den Unterricht sammeln :-)

  • Das war unglaublich mutig und wirklich wichtig. Ich hätte mich aber noch über eine Predigt von Pfarrer König gefreut.

     

     

     

    Es gibt also noch die rote Flora. Für die Nicht-Hamburger: Das ist ein seit den 90er Jahren besetztes und mit Graffiti beschmiertes ehemaliges Theater in einem In-Viertel, in dem Neosozis (Nozis) gerne herumlungerten und, wenn sie sich langweilten, Leute bepöbelten und mit Steinen beschmissen.

     

     

     

    Ich dachte, die sind jetzt alle entweder Lehrer oder sonstige Beamte und grillen sich ihrem Zweithaus in der Toscana. Gut, dass die noch da sind und uns vor dem Bösen bewahren.

    • @Claudia Cometh:

      Manchmal führt mangelhafte Eigenwahrnehmung auch zu verschrobenem Ansichten und amüsanten Kommentaren, das ist dann aber eher traurig denn lustig.

    • F
      Fragender
      @Claudia Cometh:

      Irre mutig. Was schlägst du vor: Tapferkeitsorden?

      • J
        Jojo
        @Fragender:

        Wie wärs einfach mit Anerkennung, dass es Leute gibt, die sich Nazis in den Weg stellen? Mit Polemik auf diesen Wunsch zu reagieren ist hier mehr als unangemessen.