Neben- und Hauptdarsteller bei der WM: Rollen im großen WM-Roman
50 Spiele sind bei diesem Turnier absolviert, doch noch lange sind nicht alle Geschichten erzählt. Zeit für ein Personenregister.
W enn diese WM ein Roman wäre, dann müsste man ihr unbedingt eine Personenlegende voranstellen. Es sind ja nicht nur die möglichen Protagonisten auf dem Feld, die sich so unerbittlich vermehren. Dieses Mal sind es 832 Fußballprofis, in vier Jahren werden es nach der Erweiterung des Teilnehmerfelds schon 1.248 sein. Dazu kommt noch die Funktionärs- und Politikergilde, die bei diesem Turnier eine viel größere Rolle gespielt hat.
In der deutschen Ausgabe müsste etwa unbedingt Nancy Faeser vorab vorgestellt werden. Eine Legende in der Legende sozusagen. Die Frau mit der bunten One-Love-Armbinde, die als deutsche Innenministerin angereist war, auch um den Protest der DFB-Elf zu unterstützen. Aber um genau zu sein, sollte man auch Bundesfamilienministerin Lisa Paus nicht vergessen, welche die DFB-Elf gelobt hat, weil sie sich vor dem Spiel den Mund zugehalten hat.
Unterschlagen sollte man ebenso wenig den SPD-Bundesvorsitzenden Lars Klingbeil und seine Forderung nach einer politischen Aufarbeitung im DFB, weil die Fifa gerade den Fußball kaputt macht. Natürlich gehören noch unzählige mehr in diese Personenlegende, die an dieser Stelle nicht alle genannt werden können. Einerseits würde so sofort klar, dass das ein sehr ulkiger Roman sein könnte, andererseits würde aber auch offensichtlich werden, dass das ein völlig überladenes Werk ist.
Fünfzig Spiele hat es nun in zwei Wochen gegeben mit unzähligen Nebenschauplätzen und schrillen Anekdoten, und wir sind erst in der Mitte angekommen? Der eigentliche Höhepunkt soll erst noch bevorstehen? Man ist geneigt, diesen opulenten Wälzer zur Seite zu legen. Was soll jetzt noch kommen? Diese fad gewordene Fortsetzungsgeschichte um die alten Helden Messi und Ronaldo, die wieder einmal vor allem um ihre Ehre kämpfen? Oder werden Kylian Mbappé und seine Teamkameraden die tragenden Figuren für das Happy End? Die Geschichte kennen wir doch schon.
Vielleicht gelingt es Marokko ja noch, ein besonders Kapitel zu schreiben. Der ganze Nahe Osten soll dem Team die Daumen drücken. So kann Teilhabe an einer WM nämlich auch aussehen. Je mehr Nationalteams dabei sind, desto nationalistischer wird die Veranstaltung. Bei der ganzen Geschichte sind einfach zu viele Figuren im Spiel. Warum nicht ein paar europäische herausnehmen? Wenn das nicht das zahlungskräftige Publikum dort verprellen würde, Gianni Infantino wäre gewiss sofort dabei.
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