Nazis auf dem ostdeutschen Land: Uneingeschränkte Gewaltperformance

Es scheint, als könnten Nazis im Osten machen, was sie wollen. Was wäre, wenn die Linke mit Gegengewalt käme? Ein fiktives Gespräch im fernen Hamburg.

Ein Teilnehmer am Wahlkampfauftakt der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative sitzt auf einer Treppe vor der Stadthalle.

Rechtsextreme Dauerpräsenz: Teilnehmer einer Veranstaltung der Jungen Alternative 2019 in Cottbus Foto: dpa/dpa-Zentralbild | Zentralbild

„Wer ist denn da bei euch eigentlich zuständig für die Nazis?“, brüllt die junge Frau nach Mitternacht auf dem Schulterblatt dem jungen Typen aus der Lausitz zu.

„Wie jetzt zuständig?“, fragt er und steckt sich eine Zigarette in den Mund.

„Na, warum hält die keiner in Schach?“, fragt sie und gibt ihm Feuer.

„Ja, genau, da is doch grad ’ne Familie zurück nach Berlin, weil die von Nazis bedroht wurden!“, ruft eine andere.

„Habt ihr keine aktive Polizei?“

„Eher passiv, hab mich unter anderem deshalb für’n Studienplatz in Hamburg entschieden.“

Lausitz, Brandenburg und so weiter, haben Nazis da außerhalb der Großstädte Narrenfreiheit?“

Der Typ zuckt die Schultern:

„Is’ irgendwie normal, wir sind so aufgewachsen, dass man sich vor denen selbst beschützen oder eben weg muss.“

„Wie jetzt?“, fragt ein Junge, „ihr seid dem da echt mehr oder weniger ausgeliefert?“

„Na ja, wird schon mal ermittelt, aber so richtig Ehrgeiz, defensiv gesagt, hat die Polizei nicht. Kommt vor, dass man die ruft und die sagen, ihr habt provoziert oder da war nix, ab nach Hause oder wir erteilen ein Platzverbot.“

„Und was dann?“

„Wir haben Nachrichtengruppen, Warnsysteme, organisieren uns selbst, holen uns irgendwo ab.“

„Was ist mit Bürgermeistern und so?“

Die wollen meist keinen Ärger mit Nazis, viele Lehrer und Lehrerinnen und die Schulleitung auch nicht.“

„Und die machen, tun, drohen weiter wie sie wollen, mit Gewalt und Gewaltbereitschaftsperformance?!“

„Tagein, tagaus.“

„Und da fragt noch jemand, warum immer mehr Leute extrem rechts wählen!“

„Scheint, als wären Nazis in Teilen des Ostens Superhelden, für die es keine Grenzen und Gesetze gibt!“

„Die eklige Seite der Macht!“

„Der Hype des Abgrunds!“

„Gibt eben Leute, die haben platt-pauschal Bock auf Helden!“

„Manchmal wird jemand gewählt, einfach weil der voll gut aussieht!“

„Oder eben die ausführende Gewalt ist!“

„Wenn die Antifa in gleichem Maß mit Gegengewalt käm’, wird die politische Linke dann wieder attraktiver und gewählt?“

„Gefährlicher Gedanke, würd’ ich sagen.“

„Dann wär’ auf sicher Krieg im Karton!“

„Deutschland ist doch kein Karton!“

„Dann schon irgendwie.“

„Genau das wollen die!“

„Die Antifa?“

„Die Nazis!“

„Mann gegen Mann und so.“

„Gewalt ist auch keine Lösung.“

„Aber keine Gewalt ist ja auch keine Lösung!“

„Na ja, wenn die richtigen sie mal ordentlich ausführen würden, vielleicht schon.“

„Ja, hier Gewaltenteilung, gesetzlich verankert, grad Abi drüber geschrieben.“

„Aber wenn das nie so richtig klar passiert?“

„Dann schmeißen Nazis Fenster ein, brüllen Nazi-Zeug wie in Lieberose und die Leute hauen ab nach dahin, wo es sicher ist!“

„Die Familie war echt nach drei Tagen wieder in Berlin!“

„Was hätten die sonst machen sollen? Ihre Kinder in ’ner Rüstung in die Schule schicken?“

„Am Ende muss es der Kapitalismus regeln.“

„Aber der hat es doch 1990 mit angerichtet.“

„Und jetzt muss er wieder ran!“

„Wegen der Fachleute aus dem Ausland!“

„Der Touris!“

„Niemand will neben Nazis zelten oder nach Feierabend auf dem Stepper neben der Nazibraut trainieren.“

„Und ihr meint, Geld regelt das so einfach?“

„Eher drucken die Nazis unbehelligt ’ne ­eigene Währung.“

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Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr neuer Roman Roman „Auf Wiedersehen“ ist im April 2023 im Weissbooks Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

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