piwik no script img

Nazi-Lied im Unterricht in BerlinSing mir das Lied von Horst W.

Eine Lehrerin soll SchülerInnen eines Gymnasiums zum Singen des Horst-Wessel-Liedes animiert haben. Die Polizei ermittelt wegen Volksverhetzung.

Ansicht zu Horst Wessel. Bild: Isabel Lott

BERLIN taz | Die jüdische Mathematikerin Emmy Noether emigrierte 1933 in die USA, nachdem ihr im Rahmen des Berufsbeamtengesetzes die Lehrerlaubnis entzogen worden war – in dem Jahr, als das Horst-Wessel-Lied zur inoffiziellen Nationalhymne des Dritten Reichs wurde. 82 Jahre später, am 19. März 2015, soll eine Musiklehrerin SchülerInnen einer 11. Klasse zum Singen des verbotenen Naziliedes aufgefordert haben. Zudem seien sie dazu angehalten gewesen, Marschschritte zu imitieren. Der Name der Köpenicker Schule: Emmy-Noether-Gymnasium.

Berlins Polizeisprecher Stefan Redlich bestätigte gegenüber der taz, dass ihm eine Anzeige wegen Volksverhetzung vom 20. März vorliege, die diesen Sachverhalt schildere. Der Anzeigensteller berief sich auf einen Schüler, der bei dem Vorfall dabei gewesen sein soll, jedoch anonym bleiben wolle, so Redlich.

Als die Lehrerin vernommen wurde, berief sie sich auf den Rahmenlehrplan. Der Polizeisprecher wollte gegenüber der taz nicht aus der Vernehmung zitieren. Die betroffene Klasse konnte die Polizei nicht befragen, da die Schule sich weigerte, eine Namensliste der SchülerInnen herauszugeben. Die Schulleitung wolle sich zunächst beraten. Eine Stellungnahme von Seiten der Schulleitung war bisher nicht zu bekommen.

Das Gymnasium ist Mitglied des Verbandes „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Um den Titel zu führen, müssen mindestens 70 Prozent aller SchülerInnen, LehrerInnen und MitarbeiterInnen per Unterschrift dem Selbstverständnis des Verbandes zustimmen. Dessen Geschäftsführer Eberhard Seidel sagte gegenüber der taz, dass eine Mitgliedschaft bei „Schule ohne Rassismus“ nicht bedeute, dass es keine rassistischen Vorfälle gebe. Wenn etwas passiere, gelte es vielmehr, nicht wegzuschauen, sondern die Auseinandersetzung zu suchen. „Die Schule muss nun die Hintergründe aufklären“, so Seidel.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

39 Kommentare

 / 
  • Nach einem sehr kunstvoll gedrechselten Einstieg bietet der Artikel irgendwie keine wirklich fassbaren Informationen.

  • BLEIBEN SIE DRAN! Wir klären SIE auf! Demnächst DIE details auf taz.de.24

  • Welcher Skandal den nun? Schlechte Recherche der taz? Nazi Lehrerin? Taz, welche linke aufklärerische linke Lehrerin in rechte Ecke drängt?

    • @Want Amore:

      "Welcher Skandal den nun?"

       

      Das Lied ist als Verfassungsfeindlich eingestuft. Reicht das?

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        P.S. die taz hat keinen Plan darüber, was vorgefallen ist. Sie weiss nicht ob rechtsradikale Liedspielchen veranstaltet wurden oder ob das Lied z.B. im Rahmen des Musikunterichts auch gesungen gesungen, aber insbesondere analysiert und aufklärerisch auseinander genommen wurde. Insofern ist die Frage nach welchen Skandal schon berechtigt.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Darf die taz über das Lied berichten?

        • @Want Amore:

          Natürlich. Es ist ja nicht verboten, darüber zu berichten. Es zu singen oder es Kindern beizubringen, bewegt sich aber zumindest hart an der Grenze zu einem Straftatbestand.

  • Imo liegt der Skandal ja wohl eher dadrin, dass in der 11.Klasse Schüler mit Klopfen der Füße einen Takt erfassen müssen.

     

    Afair ist der kleine Trompeter im 2/4-Takt.

    Was ist das für eine Schule? Irgendeine Förderschule für Hörgeschädigte oder was? Die Rhythmik höre ich doch. Und ansonsten steht sie auf dem Notenblatt einschließlich der Tempi. Und ansonsten hat ein normaler Musikraum in einer Schule doch ein Klavier oder irgendein Instrument, mit dem man das vorspielen kann.

     

    Ich habe seit Jahren nur noch mit Schülern auf E-, L- oder G-Förderschulen zu tun. Aber offenbar ist die Inklusion doch schon viel weiter wie man denkt.

    • @Age Krüger:

      als man denkt, bei vergleichen immer als

      • @Gerald Müller:

        Danke für den Hinweis.

         

        Aber ich dachte, bei Vergleichen geht auch dann "wie", wenn man etwas vergleicht, was eben z.B. nicht "größer als", sondern eben "genau so groß wie" ist. In dem o.g. Falle wäre es aber eher eine Redewendung, wobei sich da mittlerweile das "als wie man denkt..." wohl sprachlich durchsetzt.

        • @Age Krüger:

          Nach dem Komparativ (Steigerungsstufe mit -er) benutzt man bei Vergleichen immer zwingend das Wort "als".

          Weil dies sehr häufig falsch gemacht wird, benutzt man in manchen Gegenden gern ein "als wie", sozusagen als faulen Kompromiss für alle, die sich da nicht ganz sicher sind.

          • @Rainer B.:

            Mach weiter wie bisher und weiter als bisher...

            • @Peter Mueller:

              "Weiter wie bisher" ist nunmal kein Vergleich, weil ja alles so bleibt, wie es ist und gar kein anderer Zustand eintreten wird, den man vergleichen könnte. Lediglich ein Motto zur zeitlichen Festlegung.

        • @Age Krüger:

          "... wobei sich da mittlerweile das 'als wie man denkt...' wohl sprachlich durchsetzt."

          Na, hoffentlich nicht.

           

          Leicht zu merken:

          Anders, als ... / Genauso, wie ...

           

          In diesem Fall: "schon viel weiter ..."

           

          - nämlich nicht genauso weit, wie man denkt, sondern WEITER > also ANDERS > deshalb ALS -

           

          "... als man denkt."

           

          Mit freundlichen Grüßen

          Marzipan

          • @Marzipan:

            "Anders, als ... / Genauso, wie ..."

             

            Nicht immer: Doppelt soviel wie....

            Bei rechnerischen Vergleichen mit unterschiedl. Mengen i.d.R wie

          • @Marzipan:

            Alles schuld von Goethe und der Metrik, wie der überkandidelte Bildungsbürger weiß.

             

            ...und bin so klug (als) wie zuvor.

        • @Age Krüger:

          Geht's noch ? Oh Maria hilf !

  • Solange die beteiligten Schüler und die Musiklehrerin nicht in die Debatte eingreifen (dürfen), sollte man sich bei seinen Kommentaren zurückhalten und auch den politisch-pädagogischen Zusammenhang berücksichtigen. Vor Jahren wurde ich als Musiklehrerin eines Oberstufenkurses "Musik im Nationalsozialismus" mit der Schülerfrage konfrontiert, wie der psychische Mechanismus einer Unterwerfung des Körpers unter die Dynamik und Rhythmik von Marschmusik überhaupt funktioniert. Wir entschlossen uns zu einem Experiment: Mit Zustimmung von Schulleitung und Eltern wurde im Atombunker unserer Schule eine Marschordnung simuliert, Gleichschritt geübt und das alte HJ-Lied "Es zittern die morschen Knochen" eingeübt - das Ergebnis: Die Schüler marschierten und sangen sich in einen Rausch und wollten überhaupt nicht mehr aufhören. Danach waren wir alle über uns selbst erschrocken...in der gemeinsamen folgenden Reflektion ist es uns aber gut gelungen, die emotionalen und körperlichen Formierungsprozesse, die bei der politisch konnotierten Marschmusik der Nazis zu beobachten sind, intensiv aufzuarbeiten. Es war ein gelungenes Experiment - unter anderen Bedingungen hätte es allerdings auch schief gehen können.

  • Wieso hat sich die besagte Lehrerin das Leben so schwer gemacht? Vielleicht gefiel ihr nur die eingängige Melodie so gut und der Text war ihr weniger wichtig?

     

    Dann hätte sie zu derselben Melodie auch andere Textvarianten auswählen können und hätte somit einen Haufen Ärger vermieden: Nämlich die Fassung von 1925: „Das Lied vom kleinen Trompeter“, das damals von den Kommunisten gesungen wurde.

     

    Später, in der DDR, wurde es von den „Jungen Pionieren“ und den „Thälmann-Pionieren“ geträllert, wobei eine weitere Strophe zur DDR-Glorifizierung angehängt wurde. Wäre aber heutzutage genauso wenig „politisch korrekt“.

     

    Oder die völlig unpolitische Urfassung von 1915.

     

    (Alles Weitere unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Der_kleine_Trompeter)

    • @Pfanni:

      Das ist schon sehr interessant.

       

      Aber obwohl ich mich immer für recht musikalisch hielt, kann ich, abgesehen von dem natürlich völlig unterschiedlichen Texten, keine musikalischen Gemeinsamkeiten zwischen den beiden textlich unterschiedlichen „Ur-Versionen“ incl. dem „Thälmann Lied“ und dem „Horst-Wessel-Lied“, wie in Wikipedia beschrieben, erkennen.

       

      https://www.youtube.com/watch?v=9RbddbJTOXM

       

      https://www.youtube.com/watch?v=QSdgpUDuACw

       

      Wie kommt das?

      • @Eilige Intuition:

        Also, ich finde die Ähnlichkeit schon im Rhythmus sehr deutlich spürbar.

         

        Die sind natürlich völlig anders arrangiert und durch die unterschiedlichen Worte kommt die Melodik etwas anders rüber. Kann sein, dass die auch leichte Veränderungen in der Harmonik vorgenommen haben, aber ansonsten ist das schon sehr identisch.

        Der Trompeter wird in dieser Version etwas in Richtung Belcanto gesungen, bei den Nazis ist das natürlich wagnerisch staccato. Kurz und abgehakt.Ist im Original, soweit ich das sehen kann, auch nicht punktiert.

        • @Age Krüger:

          Interessanter Weise ist hier:

           

          http://de.wikipedia.org/wiki/Horst-Wessel-Lied#Ursprung_der_Melodie

           

          der Ursprung der Melodie anders erklärt. Die Melodie des "Kleinen Trompeters" stammt dagegen von Thomas Hagedorn.

           

          Allerdings sind beides politische Kampflieder aus der selben Zeit und klingen deshalb vielleicht ähnlich.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            All zu viele Möglichkeiten gibt es da auch nicht.

            Für so ein Mitmarschierlied muss ein eingängiger Rhythmus vorhanden sein. Jazz-Rhythmen würden da nur verwirren.

            Die harmonische Vorgehensweise ist auch beschränkt. Agit-Ptop-Lieder in Schönbergscher Zwölf-Ton-Technik dürften nicht so der Renner sein. Das Ton-Spektrum ist auch begrenz, da sollte man was einfaches wählen, was sowohl Honecker und Merkel bei den Jungen Pionieren auf der Schalmei spielen können wie auch Gunter Grass bei der Waffen-SS auf der Maulorgel. Am besten c-dur, da muss man nicht lange bei denken. Und schon haben Sie so ein Lied fertig. Das wird sich immer alles irgendwo ähneln.

            Hier sind die Ähnlichkeiten aber imo deutlich zu hören.

            • @Age Krüger:

              Wie auch immer. Es wäre nur ein weiteres Beispiel dafür, wie die Nazis ihre ganze Symbolik zusammengeklaubt haben.

  • In Weßenburg/Bayern durfte doch die Rektorin einer Schule ungestraft bei einer Veranstaltung "Sieg Heil" wünschen.

    http://www.nordbayern.de/region/wei%C3%9Fenburg/rektorin-feuert-schuler-mit-sieg-heil-ruf-an-1.3495946

  • Oh Gott. Wie peinlich ist das denn ???

     

    Die halbe Wahrheit ist mitunter auch gelogen. So ist das offenbar bei dieser Geschichte.

     

    Ich empfehle statt einer eigenen Recherche ausnahmsweise mal ganz einfach die Lektüre des Tagesspiegel. Dort steht, wie die Sache wirklich war. Von Skandal keine Spur.

     

    http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/anzeige-in-berlin-koepenick-horst-wessel-lied-im-unterricht/11634750.html

    • @Summerhill:

      Die Schilderung und die Kommentare im neuen-deutschland waren dort und etliche Stunden zurückliegend um Klassen besser. Dort fiel der Begriff "Kälberlied".....

  • Die Sprecherin der Senatsbildungsverwaltung, Beate Stoffers, sagte, die Lehrerin habe angegeben, dass sie das Lied im Zusammenhang mit der Behandlung von Bertolt Brechts Gedicht „Der Kälbermarsch“ durchgenommen habe. Das Brecht-Gedicht sei eine Parodie auf das Horst-Wessel-Lied und ohne dieses nicht verständlich. In einer Stellungnahme für die Schule und die Schulaufsicht habe die Lehrerin gesagt, dass die Schüler den Rhythmus des Liedes durch Klopfen mit dem Fuß erfassen sollten und die Melodie mitsummen sollten. Ziel ihres Unterrichts sei es gewesen, dass die Schüler begreifen, wie politische Lieder in verschiedenen geschichtlichen Kontexten eingesetzt werden. Die Schüler sollten die manipulative Wirkung der Musik begreifen. Es habe sich um einen Grundkurs gehandelt. Im Lehrplan gibt es u. a. die Vorgabe, „hörpsychologische Wirkungen“ zu untersuchen, dies könne anhand von politischen Liedern erfolgen.

    • @der_nun_wieder:

      Was wird man tun, um die Wirkungsweise der Filme von Leni Riefenstahl im Zusammenhang mit der NS-Propaganda aufzuzeigen.

       

      Da wird man am Anschauen schwer vorbeikommen.

      • @Tecumseh:

        Puh, nicht auszudenken - die Riefenstahl ist doch voll 'Autobahn'...!

  • Könnte es sein - daß die Musiklehrerin -

    Besitzerin eines Exemplars des wunderbaren "Das kleine dicke Liederbuchs" - (Gießen) ist -

    &ihren SchülerInnen das "Umsingen"

    näher bringen wollte?

    "1. Die Preise hoch,

    Die Schnauze fest geschlossen

    Hunger marschiert

    In ruhig festem Schritt

    Hitler und Goebbels

    Unsre beiden Volksgenossen,

    Hungern im Geist

    Mit uns Proleten mit.…ff"

     

    So gehts hals - auch,

  • 'Dessen Vorsitzender Eberhard Seidel sagte gegenüber der taz, dass eine Mitgliedschaft bei „Schule ohne Rassismus“ nicht bedeute, dass es keine rassistischen Vorfälle gebe. Wenn etwas passiere, gelte es vielmehr, nicht wegzuschauen, sondern die Auseinandersetzung zu suchen.'

     

    Zum Beispiel, indem man eine Befragung der Schüler verhindert.

  • Wahrscheinlich darf man von einer Musiklehrerin keine Geschichtskenntnisse erwarten.

    • @Rainer B.:

      Das Lied steht nicht in einem normalen Liederbuch. Darauf stößt man nicht aus Versehen. Das muss Absicht gewesen sein.

       

      Mich würde die Ausrede interessieren...

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Doch, bei uns stand das im normalen Liederbuch für den Musikunterricht. Wir haben das damals auch gesungen (1998?). Stand im kapitel "Lieder des 3.Reiches/Musik als Propagandainstrument. Der Lehrer hat es auf Klavier begleitet...marschiert sind wir dabei aber nicht. Danach kam noch "Die Moorsoldaten" und "Ich hatt einen Kameraden".Nazi war der Lehrer garantiert nicht, das kann ich beschwören...

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Wir haben in den 90ern "Unsre Fahne flattert uns voran" im Musikunterricht gesungen in der 10ten Klasse, nach eingehender Beschäftigung mit dem Lied und der Thematik.

        Verboten ist es trotzdem auch wenn der Lehrer sicher kein Nazi war. Ihm ging es wohl eher um die psychologische Komponente bzw. wie man sich dabei fühlt, ähnlich wie in "Die Welle".

        Gründe, so etwas zu tun, gäbe es also genug, egal was man davon halten mag.

        • @9943:

          "...wie man sich dabei fühlt..."

           

          Na, hoffentlich haben Sie bei dem Lehrer nicht Auschwitz durchgenommen...

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Wär vielleicht sogar mal ein interessanter Lern-Ansatz.

            • @Rainer B.:

              Na ja. Wenn mir wieder einmal ein rechtes Pamphlet in die Hände fällt, in dem angebliche "Beweise" vorgelegt werden, dass die Gaskammern nicht funktionieren konnten, ist mein erster Impuls auch, den Verfasser die Kammern doch mal ausprobieren zu lassen. Allerdings kommt dann sehr schnell das Menschliche in mir durch und ich plädiere dann doch für geduldige Erklärungen.

               

              Irgendwo sind die Grenzen für das Lernen durch Fühlen. Lehrer sollten wissen, wo diese Grenzen Sitten liegen.