Nawalny-Witwe reagiert auf Haftbefehl: Festnahme in Abwesenheit
Ein Gericht in Moskau verfügte die Festnahme von Julia Nawalnaja, Witwe des im Straflager verstorbenen Kreml-Kritikers Nawalny. Nun äußerte sie sich.
Das Gericht habe dem Antrag der Untersuchungsbehörde stattgegeben und sich für eine vorbeugende Maßnahme in Form einer Untersuchungshaft für einen Zeitraum von zwei Monaten entschieden. Die Frist werde ab dem Zeitpunkt der Auslieferung an das Territorium der Russischen Föderation oder ab dem Zeitpunkt der Inhaftierung auf dem Territorium der Russischen Föderation berechnet, heißt es in der Mitteilung weiter. Auf den Straftatbestand „Teilnahme an einer extremistischen Gruppierung“ stehen bis zu sechs Jahre Haft.
Angaben einer Quelle der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge soll Nawalnaja Videos erstellt und im Internet verbreitet haben, die darauf abzielten, die Behörden zu diskreditieren und Spenden für die Antikorruptionsstiftung (FBK) zu sammeln. Die FBK war 2011 von Alexei Nawalny gegründet sowie 2021 als extremistisch gelabelt und in Russland verboten worden.
Infolge dieser Entscheidung wurde einigen von Nawalnys Mitstreiter*innen, vor allem ehemalige Koordinator*innen seiner Arbeitsstäbe der „Teilnahme an einer extremistischen Gruppierung“ beschuldigt. Auch Nawalnys ehemalige Stabschefin in Ufa, Lilja Tschanyschewa, gehört zu den Betroffenen. Sie erhielt eine neuneinhalbjährige Haftstrafe.
Zelle ohne Fernseher
Nawalnajas Kommentar zu der Gerichtsentscheidung ließ nicht lange auf sich warten: „Oh, was wird nicht das übliche Verfahren sein? Ein ausländischer Agent, dann die Eröffnung eines Strafverfahrens, dann eine Verhaftung?“
„Wenn Sie darüber schreiben, vergessen Sie bitte nicht, den wesentlichen Punkt zu erwähnen: Wladimir Putin ist ein Mörder und ein Kriegsverbrecher. Sein Platz ist im Gefängnis und nicht irgendwo in Den Haag, in einer gemütlichen Zelle mit Fernseher, sondern in Russland – in demselben Straflager und derselben zwei mal drei Meter großen Zelle, in der er Alexei getötet hat“, schrieb sie.
Bereits kurz nach dem Tod Nawalnys, die dessen Weggefährt*innen als Mord bezeichnen, hatte Nawalnaja angekündigt, die Arbeit ihres Mannes fortsetzen zu wollen. In einem Interview mit der Times im April, die sie auf ihrer Liste der 100 einflussreichsten Personen weltweit führt, begründete sie ihre Entscheidung damit, den Menschen Hoffnung geben zu wollen. „Vor allem möchte ich, dass der Kreml und seine Beamten verstehen: Wenn sie Alexei getötet haben, werde ich seinen Platz einnehmen“, sagte sie. „Wenn sie mir etwas antun, wird eine andere Person kommen. In Russland gibt es viele Menschen, die gegen diese Regierung sind.“
In der vergangenen Woche über nahm Nawalnaja den Vorsitz der Menschenrechtsorganisation Human Rights Foundation (HRF). Sie löste den Oppositionellen Garri Kasparaow ab. Der Gründer des Forums freies Russland hatte den HRF seit 2012 geleitet. Auch dieser neue Posten soll dabei helfen, das Werk Nawalnys weiterzuführen, so Nawalnaja.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär