Naturschutz in Tschechien: Ponys statt Soldaten
In einem ehemaligen militärischen Sperrgebiet in Böhmen werden jetzt wild lebende Pferde angesiedelt. Sie sollen die Landschaft schützen und pflegen.
PRAG taz | Seine Begeisterung will Dalibor Dostal gar nicht verbergen: „Dies ist eines der bedeutendsten Ereignisse in der Geschichte des tschechischen Naturschutzes.“ Der Direktor der Naturschutzorganisation „Ceska krajina“ (Tschechische Landschaft) freut sich über die Rückkehr der Wildpferde nach Böhmen.
Aus England wurden Ende Januar 14 Exmoor-Ponys nach Tschechien geliefert. Sie werden jetzt in Milovice angesiedelt, einem ehemaligen militärischen Sperrgebiet rund 40 Kilometer nordöstlich von Prag. Fast ein Jahrhundert lang lebten der Ort und seine Umgebung vom Militär. Den Soldaten des österreich-ungarischen Kaiserreiches folgten die Besatzer: 1939 kam die Wehrmacht nach Milovice, nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 die Rote Armee. Rund 100.000 sowjetische Soldaten samt Familien lebten noch 1989 in dem mittelböhmischen Ort.
Seit ihrem Abzug Anfang der 1990er Jahre gibt es verschiedene Bemühungen, das Gebiet nicht verkommen zu lassen. Die einstigen Kasernen wurden renoviert und zu günstigem Wohnraum für junge, sozial schwächere Familien gemacht. Ein Konzept, das aufzugehen scheint: Die Einwohnerzahl von Milovice wächst konstant und hat 2013 sogar die 10.000er Grenze überschritten.
Doch während das Städtchen floriert, drohte das Umland zu verwildern. Seitdem die offene, ebene Landschaft nicht mehr vom Militär genutzt wird, wuchern aggressive Pflanzen und Gehölz und bedrohen so seltene, heimische Tierarten. Abhilfe soll jetzt die kleine Wildpferdherde schaffen. „Exmoor-Ponys wurden schon immer dazu eingesetzt, Landschaft und Vegetation vor Verwilderung zu schützen und Weideland zu erhalten“, erklärt Naturschützer Dalibor Dostal. Zusammen mit der tschechischen Akademie der Wissenschaften, der Prager Karlsuniversität und der Südböhmischen Universität in Budweis (Ceske Budejovice) hat er das Projekt ins Leben gerufen.
In der Tschechischen Republik leben seit Jahrhunderten keine Wildpferde mehr
„Ihrem Aussehen, ihrer Größe und ihrer Farbe nach entsprechen Exmoor-Ponys am ehesten den Wildpferden, die einst in Mittel- und Westeuropa lebten“, weiß Dostal. „Es gibt keine andere Rasse, die in den vergangenen 1.000 Jahren wild gelebt hat, ohne sich mit anderen Rassen zu kreuzen“, sagt er. In der Tschechischen Republik leben schon seit Jahrhunderten keine Wildpferde mehr.
Es dauerte ein paar Jahre der Planung und 20 Stunden Fahrt, bis die kräftigen Ponys aus den südenglischen Mooren in die mittelböhmische Elbniederung kamen. Zur Eingewöhnung wurden die 14 Stuten erst einmal in einem zwei Hektar großen Gebiet losgelassen. „Zur Sicherheit haben wir ihnen auch etwas Heu bereit gelegt, selbst wenn sie das wahrscheinlich gar nicht wollen“, sagt Jaroslav Jandl, der das Wohl der wilden Ponys im Auge behalten wird. Sorgen macht ihm wie auch den Naturschützern der Gedanke, dass die Ponys zu einer Touristenattraktion werden und von Besuchern gefüttert werden könnten.
„Dann verlieren sie ihre naturgegebene Schüchternheit“, sagt Jandl. Dass die Pferde Opfer von Dieben werden könnten, macht ihm weniger Kopfzerbrechen. „Jedes Tier hat seinen Eintrag im Zuchtbuch. Der wird im Falle eines Diebstahls gelöscht, was das Pferd dann für Züchter wertlos macht“, sagt Naturschützer Dostal.
Wenn die Eingewöhnungsphase Anfang März vorbei ist, ziehen die Ponys in ein 40 Hektar großes Wildgehege. Dann wird auch ein Hengst hinzukommen. Denn im ehemaligen Sperrgebiet ist noch Platz: In Zukunft soll sich die Anzahl der Wildpferde in Milovice verdoppeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Die Wahrheit
Der erste Schnee