Nato-Manöver in Hamburg: Vier Tage Ernstfall
In Hamburg übt die Nato mit „Red Storm Bravo“ für einen Konflikt mit Russland. Die Arbeitsagentur nutzt das erstmals für den Test eines Zwangsgesetzes.

Beim Manöver werden keine Panzer durch Hamburg rollen, kein Schiff werde fahren und kein Flugzeug fliegen, sagte Leonards. Die Übung solle zeigen, wie die Zusammenarbeit von Bundeswehr, Polizei, Feuerwehr und anderen relevanten Akteuren im Fall der Bündnisverteidigung organisiert werden müsse. „Es ist wichtig, dass wir uns kennen, bevor wir uns brauchen.“
Konkret wird geübt, wie die im Hafen angelandeten Truppen über Straßen und Autobahnen Richtung Osten fahren. Dies passiert am Donnerstag recht öffentlich. Angemeldete Journalisten können in einem Bus neben der Kolonne herfahren. Am Freitag gibt es dann für die Medien in der Reichspräsident-Ebert-Kaserne eine „Leistungsschau Drohnenabwehr“.
Es folgt ein „Übungsszenario Personenschutz durch Feldjäger“ gemeinsam mit Polizei und Landeskriminalamt. Am Samstag wird im Hafen auf dem Gelände von Blohm + Voss die Lage „Massenanfall von Verwundeten“ geprobt, dabei eingesetzt werden Hubschrauber. Und die wären dann schon zu hören und zu sehen, sagte Leonards, „zumal unsere Hubschrauber leider etwas lauter sind“.
Nato-Übung in Hamburg nicht so groß
Es sei keine sehr große Übung, aber eine, „die man in der Stadt schon merken wird“, ergänzte Innensenator Andy Grote (SPD). Von einem Journalisten gefragt, warum man ständig die Bedrohung durch Russland betone, sagte Grote, dass die baltischen Staaten Nato-Mitglieder sind, damit unter deren Schutz stehen. Leonards ergänzte, man müsse sich auf denkbare Szenarien vorbereiten. Grote bat die Hamburger inständig, sich damit zu beschäftigen, was im Ernstfall zu tun sei. „Jeder muss sich vorbereiten.“
Kurt Leonards sagte später dem Hamburger Abendblatt, dass die Wahrscheinlichkeit für hybride Attacken etwa in Form eines Stromausfalls in einem Stadtteil steige. In Finnland und Schweden sei es üblich, Vorräte mit Lebensmitteln, Akkus, Kerzen, Konserven und Bargeld anzulegen. „Wenn man sich heute auf die Angriffe auf unsere Infrastruktur vorbereitet, ist man kein schräger Prepper mehr.“
Arbeitsagentur probt auch den Ernstfall
Auch die Arbeitsagentur Hamburg probt in dieser Woche den Ernstfall. Sie nehme zwar nicht am Manöver teil, nutze aber den Rahmen von „Red Storm Bravo“, um das „Arbeitssicherstellungsgesetz“ zu erproben, teilte sie mit. Das stammt von 1968, war Teil der Notstandsgesetze und besagt, dass im Spannungs- und Verteidigungsfall Beschäftigte in kriegswichtigen Bereichen zum Dienst herangezogen werden können. Angewandt wurde es bisher nie. Nun hat die Agentur die notwendigen Informationsunterlagen „versandfertig gemacht“.
Die Linkspartei ruft mit dem Bündnis „Gemeinsam gegen Red Storm Bravo“ für Freitag, 18 Uhr, zu einer Demo auf, die vom Rathausmarkt zu den Landungsbrücken führen soll. „Wir lehnen das Manöver in dieser Form ab“, sagt der friedenspolitische Sprecher David Stoop. „Wir lehnen nicht die Bundeswehr als solche ab. Eine auf Verteidigung ausgelegte Armee ist notwendig. Aber wir wünschen uns mehr globalen Austausch statt Panikmache und Hochrüstung.“
So sei es kritisch zu sehen, dass nun mit dem Arbeitssicherheitsgesetz ein bisher nie angewandter Teil der Notstandsgesetze aktiviert werde. Laut dem Gesetz könnten Beschäftigte in kriegswichtigen zivilen Bereichen unter Androhung von einem Jahr Haft zum Dienst gezwungen werden. „Wesentliche Freiheitsrechte und Gewerkschaftsrechte würden dabei ausgesetzt. Das lehnen wir ab“, so Stoop. Zudem kritisiert er, dass bei dem Manöver auch der Umgang der Bundeswehr mit zivilen Protesten geprobt wird. Das hatte die Bundesregierung auf eine Linken-Anfrage geantwortet.
Kurt Leonards, Bundeswehrkommandant
Es gibt ein weiteres Bündnis „Kein Nato-Hafen Hamburg“, an dem der Asta der Hochschule für Angewandte Wissenschaften, die Ver.di-Jugend Hamburg und weitere Gruppen beteiligt sind, das für Samstag gar zu einer bundesweiten Demo ab 13 Uhr vom Hauptbahnhof zu den Landungsbrücken aufruft. Es solle bei dieser zivil-militärischen Zusammenarbeit geprobt werden, „inwieweit sich die Bevölkerung in die Kriegspolitik einspannen lässt“, heißt es im Aufruf, der weitere Aktionen ankündigt.
Eine davon war die tägliche Aufhängung eines riesigen Banners am „Kriegsklotz“ am Bahnhof Dammtor durch die Künstlergruppe Olmoo. Seit dem 19. September waren dort nachmittags für drei Stunden die Worte „Nein zu Kriegsübungen in Hamburg“ zu lesen. Am Dienstagabend wurde das Tuch von der Polizei abgehängt und zur Wache gebracht, wie Olmoo-Sprecher René Senenko berichtet. „Mein Eindruck ist“, sagt er, „die Polizei wird immer rigider, je näher das Manöver kommt.“
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