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Nato-Gipfel in Den HaagAuf der Schleimspur Richtung 5 Prozent

Der erste Gipfel war für Nato-Chef Mark Rutte ein Erfolg: Das Bündnis beschließt das 5-Prozent-Ziel. Und Donald Trump bleibt bis zum Schluss.

Gute Laune beim men`s club Nato: Generalsekretär Mark Rutte, Bundeskanzler Friedrich Merz und US-Präsident Donald Trump Foto: Kay Nietfeld/dpa

Den Haag taz | Nato-Generalsekretär Mark Rutte hat es geschafft. Sein erster Gipfel als Chef des Bündnisses endet mit einem Erfolg: Die Mitgliedsstaaten einigten sich in Den Haag auf eine historische Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Bis 2035 sollen diese auf fünf Prozent der Wirtschaftsleistung jedes Landes steigen – mehr als das Doppelte des bisherigen Zwei-Prozent-Ziels. Dabei sollen, wie vorab bereits angekündigt, 3,5 Prozent für klassische Militärausgaben und 1,5 Prozent für weitere kriegsrelevante Investitionen zur Verfügung gestellt werden.

In ihrer Abschlusserklärung bekräftigten die 32 Mitgliedsstaaten ihre Treue zur „stärksten Allianz in der Geschichte und dem transatlantischen Bund“. Doch bis zuletzt herrschte große Unsicherheit darüber, wie stark das Bündnis wirklich ist.

Das Ergebnis zeigt, dass Rutte die Mitglieder an einem Tisch vereinen konnte. Dafür nutzte er seine zwei bekannten Gesichter: das für die ernsten Anlässe, angesichts derer er die Menschen zum Zusammenhalt aufruft, und das des jovialen, scherzenden „Jedermanns Freund“. Wenige Spit­zen­po­li­ke­r*in­nen sind so zugänglich wie er, seine Persönlichkeit ist einnehmend, Allüren sind ihm fremd.

„Menschen verbinden ist seine Stärke“, bilanzierte ein Kommentator des niederländischen TV-Senders NOS am zweiten Gipfel-Tag, kurz bevor Rutte die offizielle Besprechung der Re­gie­rungs­che­f*in­nen eröffnete.

Trump veröffentlicht unterwürfige SMS von Rutte

Wie gut Rutte seine Aufgabe bisher meistert, zeigte sich an seinem Umgang mit US-Präsident Trump. Es galt, ihn bis zum Ende des Gipfels in Den Haag zu halten.

Tatsächlich gelang es Rutte, Trump zu umgarnen. Bei einem gemeinsamen Auftritt mit dem US-Präsidenten betonte er die Einheit der nord­amerikanischen und europäischen Nato-Partner. Trump lobte daraufhin: „Mark und ich hatten von Anfang an ein großartiges Verhältnis.“ Das klang, zumindest für den Moment, anders als die Panik, die Europa zu Jahresbeginn erfasst hatte.

Am Ende einer gemeinsamen Pressekonferenz bezeichnete Rutte Trump als „Daddy“, der starke Worte verwende, um die Kriegsparteien Iran und Israel aufzuhalten. Auch eine von Trump veröffentlichte SMS, in der Rutte ihm überschwänglich dankte, offenbarte das ungleiche Verhältnis. Trump habe die Europäer dazu gebracht, erst die alte Zwei-Prozent-Norm zu erfüllen und nun die neuen Ziele von 3,5 beziehungsweise 5 Prozent zu akzeptieren.

Als Trump bei dem gemeinsamen Auftritt in schnoddriger Beiläufigkeit gegen seinen Vorgänger Joe Biden und die Medien New York Times und CNN austeilte, wirkte Rutte sichtlich unwohl, doch er lachte auch dies weg. Dieser Moment verdeutlichte, dass höhere Verteidigungsausgaben allein die Konflikte und Herausforderungen der transatlantischen Beziehungen nicht lösen können.

Zudem muss sich erst noch zeigen, wie sich diese Erhöhung in der Praxis durchführen lässt. Beginnen werden die Diskussionen darüber in den Mitgliedsstaaten mit den Haushaltsplänen für 2026, die spätestens in der zweiten Jahreshälfte aufgestellt werden.

Spanien und Belgien gegen die 5 Prozent

Der spanische Premier Pedro Sánchez blieb unerwartet ruhig. Vor dem Gipfel äußerte er sich kritisch über die geplante Fünf-Prozent-Marke. Dass die Erklärung nun von „Alliierten“ spricht, die sich zu höheren Ausgaben verpflichten, und nicht mehr von „wir“, dürfte ihm helfen, Spanien aus der Pflicht zu nehmen. Sánchez betonte selbst, dass er sein Land nicht in der Vorreiterrolle der Nato sehe. Er werde versuchen, auch mit 2 Prozent des Brutto­inlandsproduktes die Vorgaben der Nato für die Aufrüstung zu erfüllen. Dies sei machbar. Das spanische Militär habe ihm versichert, dass es diesen Anforderungen mit 2 Prozent des BIP gerecht werden könne.

Auch Belgien, wo sich das Nato-Hauptquartier befindet, wird sich äußerst schwertun. Premier Bart De Wever erklärte in Den Haag, dass „5 Prozent unseres BIP für Verteidigung nicht leicht“ seien. Seine Regierung hatte sich Anfang des Jahres verpflichtet, den Haushalt des hoch verschuldeten Landes zu sanieren. Die sozial­demokratische Partei Vooruit, einzige linke Kraft in De Wevers Fünf-Parteien-Koalition, bezeichnete das Ziel als „Wahnsinn“.

Die baltischen Staaten und Polen hingegen begrüßen die Beschlüsse. Sie waren jahrelang die mahnenden Kräfte, die die Bedrohung Russlands vor der eigenen Haustür spürten. Bereits jetzt befinden sie sich auf dem Weg zu Ausgaben, die weit über 2 Prozent liegen. Im polnischen Budget für das Jahr 2025 etwa sind umgerechnet 44 Milliarden Euro für Rüstung und Verteidigung vorgesehen. Dies entspricht rund 4,7 Prozent des polnischen Bruttoinlandsprodukts und stellt einen neuen Rekord dar.

Aus deutschen Regierungskreisen hieß es, man sei mit dem Gipfelverlauf zufrieden. Kanzler Friedrich Merz sprach von einem „historischen Gipfel“. Die Nato habe sich darüber verständigt, dass sich die Bedrohungslage verändert habe. „Russland bedroht nicht nur die Ukraine, Russland bedroht den gesamten Frieden, die gesamte politische Ordnung unseres Kontinents.“ Merz fügte hinzu, dass „es bitte niemand wagen soll, die Nato anzugreifen, und zwar an keiner Stelle“. Er wolle weiterhin die Bundeswehr zur stärksten Armee Europas machen. Dafür hat Deutschland in dem bereits am Dienstag von seinem Kabinett beschlossenen Haushalts­entwurf Ausgaben für 2025 von 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verankert. Bis 2029 sollen sich die Ausgaben mehr als verdoppeln, auf 153 Milliarden Euro. Zu diesem Zeitpunkt wären etwa 3 Prozent des BIP erreicht. Die Nato-Partner lobten Deutschlands Anstrengungen.

In der Nebenrolle: die Ukraine

Auch wenn die höheren Verteidigungsausgaben aufgrund der russischen Bedrohung beschlossen wurden, spielte die Ukraine und ihre Unterstützung durch die Nato kaum eine Rolle. Während die Abschlusserklärung im vergangenen Jahr noch den Absatz beinhaltete, dass der Weg der Ukraine in die Nato „unumkehrbar“ sei, fehlt ein solches Bekenntnis diesmal. Die Ukraine wird nicht einmal erwähnt.

Merz versicherte zwar, die Nato stehe weiter an der Seite des „geschundenen Landes“. Doch eine Mitgliedschaft der Ukraine war kein Thema. Stattdessen äußerte Merz die Hoffnung, die USA würden weitere Sanktionen verhängen.

Ein vereinbartes Treffen zwischen US-Präsident Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj fand am Nachmittag statt. Laut dem ukrainischen Sender Suspilne soll das Treffen nach 50 Minuten geendet haben. Die Staatschefs hätten über eine Feuerpause gesprochen, der ukrainische Präsident bezeichnete das Gespräch als substanziell. In einer dem Gespräch folgenden Pressekonferenz thematisierte Trump erneut, wie bereits in den Gesprächsrunden zuvor, den laut ihm beendeten Krieg zwischen Iran und Israel. Vorige Berichte des US-Geheimdienstes, die vermuten lassen, dass der US-Angriff die iranischen Atom­anlagen nicht zerstörte, dementierte Trump. „Man hatte einen großen Sieg dort und einen großen Sieg.“

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11 Kommentare

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  • Der Sanchez hat doch recht. Geld verteidigt gar nix, außer Rechthaber. Es muss ein Sachplan her und ein Zeitplan. Vllt. sind dann 2 % richtig, vielleicht mal auch ein Jahr lang 7%. Aber diese sture Geldausgeberei ohne praktische Planung ist herzlich bescheuert.



    Wichtig scheint aber derzeit: Schulterklopfen.... speziell bei sich selbst.

  • "Auf der Schleimspur Richtung 5 Prozent"



    Toller Titel, der das Problem sehr treffend beschreibt.



    Statt dass Europa endlich selbstständig wird, kriecht es der USA noch mehr in den Allerwertesten.

  • Einfach nur peinlich, der Holländer (und die meisten anderen auch). Hoffentlich holt er sich keinen Hexenschuss vom vielen Katzbuckeln (oder gar - Gott bewahre - eine Speichelvergiftung).

    Wie Länder am Limit (wie Griechenland) das stemmen sollen, würde ich gerne wissen. Außer das kommt aus Uschis großzügigem 800-Milliarden-Verteidigungstopf. Respekt vor Sanchez.

  • Ein Bericht über den NATO Gipfel und kein einziges Wort über das sicherheitspolitisch interessanteste Mitglied mit Grenzen zum Iran, zur Ukraine und zu Russland (wenn auch Seegrenzen), außerdem die zweitstärkste NATO Kraft und der einzige „interkultureller“ Akteur, die Türkei?

    Das hätte mich ja am allermeisten interessiert

  • Zum Glück hat die NATO bisher keine rechtliche Handhabe, um gegenüber den nationalen Parlamenten solcherart ruinöse Festlegungen durchsetzen zu können. Es sollte mich aber nicht wundern, wenn der militärisch-industrielle Komplex auch noch eine formale Verrechtlichung seiner Ansprüche duchzusetzen versucht (über die EU?), bevor das Pendel wieder in eine vernünftige und kooperative Richtung zurückschwingen kann.

  • "Spanien und Belgien gegen die 5 Prozent"

    Und wieso muss das nicht einstimmig beschlossen werden?!

    • @freedomrights:

      "Und wieso muss das nicht einstimmig beschlossen werden?"



      Weil es eine solche Regelung nur in der EU, aber nicht in der NATO gibt.

  • Ich muss Trump mal loben: besonders haben ihn unsere Bäume gefallen! Er würde gerne welche mitnehmen.

    Ja, wirklich: nos.nl/collectie/1...or-elkaar-gekregen



    (Ab 0:25)

    Holland ist ja bekannt für seine exzellenten Bäume - was sind da schon unsere Tulpenfelder, Windmühlen, Deiche und Polder?

    Ich hoffe allerdings nicht, dass wir jetzt das nächste Grönland sind, aber jemand der Bäume mag, kann nicht 100% schlecht sein :-)

    • @Whying_Dutchman:

      „Ich muss Trump mal loben: besonders haben ihn unsere Bäume gefallen! Er würde gerne welche mitnehmen.“

      Das ist doch super, geben wir ihm welche. Wenn man bedenkt, dass er sonst, wenn ihm an einem Land etwas gefällt, gleich das ganze Land annektieren will, ist das doch schon sehr höflich.

    • @Whying_Dutchman:

      Shure. Ich fänds gut - wenn er als nächster nach SM - 🌷 🌷🌷🌷🌷 - in Holland züchten würde!

      unterm——da liegt 💨 die Latte —



      Kaiser Wilhelm II. lebte ab 1918 im niederländischen Exil auf Schloss Doorn und widmete sich dort der Tulpenzucht. Er nutzte die Zeit, um sich intensiv mit der Gartenarbeit und speziell der Tulpenzucht zu beschäftigen, was ihm half, seinen Ruhestand zu gestalten…



      Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Kaiser Wilhelm II. im Exil in den Niederlanden nicht nur eine neue Heimat, sondern auch eine erfüllende Beschäftigung in der Tulpenzucht fand, die ihm half, seinen Lebensabend zu gestalten.



      images.app.goo.gl/mDudKesYAZazgKi37



      Ähnlichkeiten mit noch lebenden Personen sind rein zufällig - aber beabsichtigt •

  • Trump hat was er wollte. Ganz Europa kauft militärische Güter in den USA ein. Und in Deutschland ...