Nationalismus in der Ukraine: Aufmarsch in Kiew
Rund 3.000 Rechte versammeln sich in Kiew zu ihrer jährlichen Kundgebung. Eine ihrer Forderungen: Weg mit dem Waffenstillstand in der Ostukraine.
Es waren vor allem junge Leute, oftmals unter 20 Jahren, die sich gegen 14 Uhr auf den Weg zur Statue des ukrainischen Nationaldichters Taras Schewtschenko im Schewtschenko-Park, direkt gegenüber der Universität, gemacht hatten. Die Stimmung war euphorisch, aus Lautsprechern dröhnte ukrainische Rockmusik.
Einige trugen Maske. Doch den in Corona-Zeiten üblichen Abstand wollte kaum jemand einhalten.Überall waren Fahnen zu sehen – von der Partei Swoboda, des rechten Sektors, zahlreicher Freiwilligen-Bataillons und der UPA-Armee.
Die Aufmärsche der ukrainischen Nationalisten finden seit 2005 jedes Jahr am 14. Oktober statt. Dieses Mal war er vom „Rechten Sektor“, der rechtsradikalen Partei „Swoboda“ und dem „Nationalen Chorps“ organisiert worden. Erstmals mit dabei war auch die Gruppe „Nationaler Widerstand – White Lives matter“, die „den Genozid an den Weißen stoppen will“.
Konkrete Forderungen
Doch zum ersten Mal richteten die Veranstalter konkrete Forderungen an die Regierung. Insbesondere sind die Nationalisten mit dem derzeitigen Waffenstillstand in der Ostukraine nicht einverstanden. „Unsere Hauptforderung ist es, den ukrainischen Militärs zu erlauben, mit der ganzen Bandbreite der Möglichkeiten das Feuer des russischen Aggressors beantworten zu dürfen.“ zitiert das Internet-Portal kp.ua den Pressesprecher des Rechten Sektors, Artjom Skoropadskij. Außerdem, so Skoropadskij, müssten „antiukrainische“ Medien und Parteien verboten werden. Gleichzeitig will man ein Gesetz, das Kollaborateuren die Ausübung öffentlicher Ämter verbietet.
Sollten sich die Nationalisten mit ihrer Kritik an der Verhandlungsbereitschaft der Regierung und dem aktuellen Waffenstillstand durchsetzen, wäre neues Blutvergießen an der Front die Folge.
Seit Anfang August wird an der Front in der Ostukraine kaum noch geschossen. Am 12. Oktober hat die OSZE 15 Verletzungen des Waffenstillstandes registriert. Ähnliche Zahlen liegen praktisch jeden Tag seit Anfang August vor. 2019 hingegen, so die OSZE, sei der Waffenstillstand pro Tag ungefähr 800 mal verletzt worden.
Der Aufmarsch der ukrainischen Nationalisten dürfte auch in Polen negative Assoziationen wecken. Dort ist man irritiert über die Verehrung, die dem Partisanenführer Stepan Bandera von der UPA in der Ukraine zuteil wird. Am 13. Oktober hatte der polnische Präsident Andrzej Duda die Ukraine nach einem dreitägigen, ungewöhnlich langen, Besuch verlassen.
Polen macht die UPA für Morde an der polnischen Bevölkerung in Wolhynien verantwortlich. Dabei waren zwischen 1942 und 1944 in Wolhynien zwischen 35.000 und 60.000 ethnische Polen ermordet worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Absagen vor Kunstsymposium
Logiken der Vermeidung