Namibia gedenkt des Völkermords: Die unerfüllte Hoffnung auf Reparationen aus Deutschland
Vor 117 Jahren endete der deutsche Völkermord an den Herero und Nama. Jetzt gibt es erstmals einen staatlichen Gedenktag dazu in Namibia.

Der „Genocide Remembrance Day“ am 28. Mai wurde vergangenes Jahr festgelegt als Jahrestag des Datums, an dem das Deutsche Reich auf internationalen Druck hin die Konzentrationslager im damaligen Deutsch-Südwestafrika schloss. Die Bundesrepublik Deutschland hat im Jahr 2015 die Massaker an 85.000 Herero und Naman als Völkermord anerkannt, aber aus namibischer Sicht ist das nicht ehrlich, denn bis heute gibt es keine Vereinbarung zwischen beiden Ländern über die Konsequenzen aus dieser Anerkennung.
Namibias Regierungen verhandeln darüber seit Jahren mit Deutschland, beteiligen aber die Überlebenden der vom Völkermord betroffenen Gruppen nicht an diesen Gesprächen. Manche ihrer Vertreter nehmen auch nicht an den Gedenkfeiern an diesem Mittwoch teil.
Die namibische Regierung spricht dennoch vom „Beginn eines Prozesses der nationalen Heilung“ und einem „Augenblick der nationalen Besinnung“. Die Feierlichkeiten sollten in der Hauptstadt Windhoek in den Parliament Gardens stattfinden. „Wir erwarten, dass alle kommen“, sagt ein Offizieller vor Ort.
Für die Präsidentin oben auf der Agenda
Präsidentin Netumbo Nandi-Ndaitwah soll vor Staatschefs des südlichen Afrika die Hauptrede halten, tausende Namibier aus dem ganzen Land werden erwartet. Es wurden 33 Sammelstellen eingerichtet, von denen aus man zur Gedenkfeier gebracht werden kann. Für die Teilnahme musste man sich vorab beim jeweiligen Regionalgouverneur anmelden.
Nandi-Ndaitwah ist die erste Präsidentin in der Geschichte Namibias und ist seit Ende März im Amt. Sie hat die Frage der Reparationen von Deutschland zu einem vorrangigen Thema ihrer Amtszeit erklärt. Als Außenministerin von 2012 bis 2015 war sie bereits mit dem Thema befasst und als Vizepräsidentin 2024/25 leitete sie den zuständigen Kabinettsausschuss für Genozid, Entschuldigung und Reparationen.
Namibias Gedenkfeiern folgen auf den jährlichen „Africa Day“ der Afrikanischen Union am 25. Mai, der dieses Jahr unter dem Motto „Gerechtigkeit durch Reparationen für Afrikaner und Menschen afrikanischer Abstammung“ stand. Zu dieser Gelegenheit hatte Namibias Regierung die Notwendigkeit betont, das Erbe von Kolonialismus, Apartheid, Sklaverei und Völkermord aufzuarbeiten. Die tiefen Wunden der Vergangenheit müssten anerkannt werden, aktives Handeln zur Wiederherstellung der Würde der Afrikaner sei nötig. „Namibia strebt weiterhin nach Reparationsgereichtigkeit“, sagte Nandi-Ndaitwah.
Diese klare Haltung weckt Hoffnungen, dass Namibias neue Präsidentin von Deutschland das erreichen kann, was ihren Vorgängern versagt blieb. Die Verhandlungen zwischen beiden Regierungen begannen 2015. 2020 wurde aus deutscher Sicht ein Abschluss in Form einer Entschuldigung erzielt, was in Namibia allerdings vom damaligen Präsidenten Hage Geingob als „inakzeptabel“ zurückgewiesen wurde.
2021 bot Deutschland an, 1,1 Milliarden Euro über 30 Jahre für Entwicklungsprojekte in vom Völkermord betroffenen Gemeinschaften zu zahlen. Auch dies wurde in Namibia bislang nicht angenommen. Berichten zufolge sind weitere Gespräche geplant.
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