Namenswahl bei neuem Geschlechtseintrag: Nur so semi selbstbestimmt
Das Selbstbestimmungsgesetz sollte trans Menschen ermächtigen, Geschlecht und Namen selbst zu wählen. Viele Standesämter legen das Gesetz anders aus.
Im November soll das Selbstbestimmungsgesetz das Transsexuellengesetz von 1980 ablösen – und endlich, so verspricht es der Name, für Selbstbestimmung sorgen. Das eigene Geschlecht kann im Pass dann einfach durch eine Erklärung an das reale Empfinden angepasst werden. Es braucht keine intimen Befragungen mehr, keine Gerichtsurteile; allein die Erklärung der Betroffenen soll zählen.
Explizit benennt das Gesetz das Ziel, „die personenstandsrechtliche Geschlechtszuordnung und die Vornamenswahl von der Einschätzung dritter Personen zu lösen“. Doch bei der Namenswahl ist das mit der Einschätzung dritter Personen so eine Sache: Seit dem 1. August dürfen sich Betroffene für ihren Novemberantrag anmelden. In Bremen haben das mehr als hundert Menschen bisher getan; allein bei der Bremer Beratungsstelle Trans*Recht sind dabei schon jetzt acht Fälle bekannt, in denen Namen nicht akzeptiert wurden.
Schuld ist laut Beraterin Freyja Pe* von Rüden vor allem ein Rundschreiben aus dem Innenministerium. Eine Abteilungsleiterin gibt dort eine Art Interpretationshilfe des Gesetzes für Standesämter heraus; sie entwickelt dabei Thesen zu der Frage, ob sich bei der Namensgebung die Zahl der Vornamen ändern lässt (Nein), und wie die Vornamen gestaltet sein müssen: eindeutig geschlechtsspezifisch, und zwar für sämtliche gewählte Namen.
Geschlechtsneutrale Namen abgelehnt
„Jamie Leano Mika“ hatte Leano als neue Namen in seiner Anmeldung eingetragen. Die letzten vier Jahre hat er als Jamie gelebt. Gerade die Geschlechtsambiguität des Namens war dafür ausschlaggebend. „Es ist erst einmal leichter sich bei einem Elternabend als Jamie vorzustellen, wenn man noch sehr eindeutig als Frau gelesen wird“, erklärt er.
Er hätte den Namen auch jetzt gerne mitgenommen: Viele Bekannte nutzen ihn weiter. Aber er kann auf ihn verzichten. „Jamie war für einen Übergang gedacht.“ Schwerer fällt es ihm bei „Mika“: „Den Namen hat mir mein Sohn gegeben“, erklärt Leano. „Er sagte, es sei nur richtig so, ich hab ihm einen Namen gegeben, er jetzt mir.“ Auf diesen Namen zu verzichten, das sei hart.
Leano hatte auch deshalb Pech, weil er bei Geburt nur einen – weiblichen – Vornamen bekommen hat. Nach der Interpretation des Innenministeriums war ein zweiter Name somit ausgeschlossen. Das Standesamt in Bremen räumte ihm zwar die Möglichkeit ein, einen zweiten Namen über eine Bindestrichkonstruktion einzubauen: Leano-irgendwas. Die Kombination mit Mika aber wurde untersagt: Dieser Name sei nicht geschlechtseindeutig.
Tatsächlich heißt es auch im Gesetz selbst: „Mit der Erklärung nach Absatz 1 sind die Vornamen zu bestimmen, die die Person zukünftig führen will und die dem gewählten Geschlechtseintrag entsprechen.“ Für Deutschland ist das auf Gesetzesebene eine Neuerung: Gesetzlich war es hierzulande noch nie vorgeschrieben, dass Vornamen männlich oder weiblich zu sein haben.
Aileen Pinkert, Hamburger Gleichstellungsbehörde
Vielen ist zwar die Regelung bekannt, dass ein geschlechtsneutraler Vorname für ein Kind einen zweiten eindeutigen Namen erfordert. Doch diese Regel war nie ein Gesetz, nur eine Verwaltungsanweisung. 2008 wurde diese Anweisung dann auch noch vom Bundesverfassungsgericht gekippt. Nun gibt es nur noch eine Vorgabe mit Verweis auf das Kindeswohl: Ein Name ist nur dann abzulehnen, wenn er es dem Kind unmöglich macht, „sich anhand des Vornamens mit seinem Geschlecht zu identifizieren“, heißt es.
Für Erwachsene, die ihren neuen Namen bei Veränderung des Geschlechtseintrags bewusst und selbst wählen, interpretiert von Rüden das so, dass jeder Name funktionieren müsste: „Ob ein Name zur Geschlechtsidentität passt, das kann ja niemand besser beurteilen, als die Person selbst“, sagt sie. Das Selbstbestimmungsgesetz, denkt sie, lasse diese Möglichkeit zu. Nur die Interpretation aus dem Innenministerium biete diesen Spielraum nicht.
Standesämter sind nicht weisungsgebunden – doch faktisch orientieren sich wohl die meisten an der Interpretation aus dem Innenministerium. Auch in Weyhe, in Hannover, in Emden schreiben die Standesämter auf ihren Webseiten, dass sich die „Zahl der Vornamen“ bei der Eintragung nicht ändern lasse.
In Bremen hat Kai Wargalla für die Grünenfraktion in der Bürgerschaft eine Anfrage zu den abgelehnten Fällen gestellt. Doch die Antwort des Senats bleibt im Vagen. Man verweist darauf, dass es „im Interesse der Betroffenen“ sei, dass sich Standesämter bei der Auslegung an einer gemeinsamen Linie orientierten.
Anders in Hamburg
In Hamburg positioniert sich die Stadt klarer. „Wenn eine Person empfindet, dass ihr Name zum Geschlechtseintrag passt, sollte sie ihn behalten dürfen“, sagt die Sprecherin der Gleichstellungsbehörde, Aileen Pinkert. „Das Gesetz sollte ja gerade diese unwürdige Fremdbestimmung verhindern.“ Man habe Standesbeamte durch Fortbildungen sensibilisiert. Probleme würden trotzdem auch in Hamburg gemeldet, sagt sie: „Das sind neue Regeln“, sagt Pinkert. „Die werden von den Beamten noch unterschiedlich interpretiert.“
Für Personen mit dem gewählten Geschlechtseintrag „divers“ erfolgten noch „Abstimmungsprozesse auf Bundesebene“ für eine Liberalisierung der Namenswahl, sagt die Bremer Innenbehörde in ihrer Antwort auf die Grünen-Anfrage. Die Regeln hier könnten sich also noch lockern. Bei der Anzahl der Namen hat sich die Abteilungsleiterin des Innenministeriums bereits korrigiert: Ein neues Rundschreiben erlaubt bis zu fünf Vornamen. Die meisten Standesämter haben das in ihren FAQ noch nicht geändert.
„Irgendwie wird das Selbstbestimmungsgesetz zum Standesamtsbestimmungsgesetz“, sagt Leano. Er glaube, dass es für viele Probleme geben werde: Schließlich kenne er mehrere Menschen, die wie er zunächst einen genderneutralen Namen gewählt hätten. „Die leben teilweise seit 15 Jahren damit. Einen anderen wollen sie nicht.“
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