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Nahostkonflikt in BerlinZu große Koalition gegen Hamas

Breites Allparteien-Bündnis demonstriert gegen Palästina-Konferenz. Veranstalter bestreitet, der Hamas nahe zu stehen.

Gegen die gezielte Tötung des Hamas Gruenders Scheich Ahmed Jassin demonstrierten 2004 Palästinenser in Berlin. Bild: dpa

Das Bündnis „Berlin gegen Hamas“ ist inzwischen breiter, als ihm lieb ist. Den von der Amadeo Antonio Stiftung und dem American Jewish Committee (AJC) initiierten Aufruf gegen die 13. Konferenz der Palästinenser in Europa, die am heutigen Samstag in der Treptower Arena stattfindet, haben nicht nur zahlreiche Politiker aller im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien unterzeichnet. Auch die rechtspopulistische „Bärgida“ unterstützt die Kundgebung auf ihrer Facebook-Seite. Das Anti-Hamas-Bündnis will sich diese Vereinnahmung nicht gefallen lassen. „Wir bieten Bärgida und Co keine Plattform!“, stellt es – ebenfalls auf Facebook – klar.

Die jährlich stattfindende, vom Palestinian Return Center (PRC) organisierte Konferenz mit mehreren tausend Teilnehmern findet nach 2004 und 2010 zum dritten Mal in Berlin statt. Nach Erkenntnissen des Berliner Verfassungsschutzes steht das PRC mit Sitz in London der Hamas nahe, die wiederum auf der EU-Terrorliste steht. Der Co-Veranstalter, die „Palästinensische Gemeinschaft in Deutschland e. V.“ (PGD), wird von den Sicherheitsbehörden laut Senatsinnenverwaltung als eine Organisation von Hamas-AnhängerInnen eingestuft.

Suhail Abu Shammala, Vorsitzender der PGD, bestreitet das. Die Hamas sei eine palästinensische Partei, „wir sind ein deutscher Verein, der zum großen Teil deutsche Mitglieder hat“, sagte er am Freitag der taz. Hauptthemen der Konferenz sei das Rückkehrrecht der vertriebenen Palästinenser gemäß UN-Resolution 194 von 1948, sowie Geschichte und Leiden der Palästinenser. Die derzeitige Debatte um die Konferenz nannte er eine „Medienkampagne“.

Von CDU bis Piraten

Tatsächlich ist in den vergangenen Tagen viel über das Thema berichtet worden – unter anderem, weil angeblich zwei Bundestagsabgeordnete der Linkspartei auf der Konferenz reden sollten. Den Aufruf „Berlin gegen Hamas“ haben die Fraktionen von CDU und Piraten geschlossen unterzeichnet, ebenso die Landesvorsitzenden der Parteien SPD, Linke und Grüne.

Auch die Grünen-Abgeordnete Clara Herrmann ist dabei. „Wir müssen uns menschenverachtenden Positionen entgegen stellen“, sagte sie der taz. Auf früheren Palästina-Konferenzen sei es öfter zu antisemitischen Äußerungen gekommen. Auch das Logo der Konferenz, das die Länderumrisse von Israel und Palästina komplett mit den palästinensischen Farben füllt, zeige, „dass sie nicht für eine friedliche Zwei-Staatenlösung eintreten“.

Abu Shammala erklärt, das Logo sei ein Symbol für das Rückkehrrecht ins historische Palästina, „das Existenzrecht Israels stellt es nicht in Frage“. Auch akzeptiere sein Verein „keine antisemitischen Äußerungen in unseren Reihen“.

Andernfalls dürfte die Konferenz auch ganz schnell zu Ende sein. Sollte es zu volksverhetzenden oder antisemitischen Äußerungen kommen, werde die Veranstaltung aufgelöst, hat Innensenator Frank Henkel (CDU) am Donnerstag im Abgeordnetenhaus angekündigt. Ein Sprecher der Berliner Polizei erklärte, man sei „mit themen- und sprachkundigen Beamten“ vor Ort. Spannend dürfte es auch vor der Tür werden. Dort ist ab zehn Uhr neben der Kundgebung des Anti-Hamas-Bündnis auch eine pro-palästinensiche Demonstration angekündigt.

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4 Kommentare

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  • Ich mußte mich schon ins Internet zum RBB bemühen, um herauszufinden, was sich heute im fernen Berlin, also dieser Kleinstadt in der Provinz, die Bundeshauptstadt geworden ist, zugetragen hatte.

     

    Ob die Zahl von 180 Teilnehmern nicht zu hoch gegriffen war, angesichts der dabei gelieferten Bilder? Ein Kurzinterview mit einem Jan Stöß, der sich die Tage als gewiefter Kenner in der Bestimmung des Daseinszwecks einer Hamas darstellte, war der Hauptinhalt.

     

    „Zu große Koalition im Hass gegen eine Hamas“, dieser Titel wäre dennoch gerechtfertigter gewesen. Und wer hätte daran gezweifelt, dass eine solche „Gegendemonstration“ in den Niederlanden nicht auch von einem Geert Wilders begleitet worden wäre?

     

    Der inquisitatorische Eifer, mit dem dabei ein Dämon mit dem Namen „Hamas“ aufgebaut und verwendet wurde, obwohl diese offenbar selbst, auch nicht in Gestalt eines Dämon, dort als Veranstalter auszumachen war, somit nicht ausgetrieben werden konnte, zeichnet jene aus, die nicht nur das kritische, sondern das Denken schlechthin im Palästinakonflikt ausgeschaltet sehen wollen oder aber dem willig hinterherlaufen. Die Unterzeichner des Aufrufs für diese „Gegendemonstration“ haben sich trefflich geoutet.

     

    Ich bin weiter gespannt, wie über die Inhalte und den Verlauf des Kongresses berichtet wird. Erste Ansätze, die erkennen lassen, man sei nun gewillt auch Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen z.K. zu nehmen, lassen hoffen. Ob man allerdings weiß, daß auch der Teilungsvorschlag der Generalversammlung von 1948 eben eine solche war, im Übrigen wie die mit der Nr. 194 nie umgesetzt wurde. darf jedoch bezweifelt werden.

     

    Immerhin, die Geschehnisse im osmanischen Reich und das Schicksal der Armenier von vor hundert Jahren standen dieser Tage auf der Tagesordnung, Aufarbeitung wurde gefordert, dass wird hoffentlich Folgen für weit weniger zurückliegende Ereignisse haben, die auch dieser Palästinenserkongress angesprochen hat.

  • wie menschenfreundlich siedler-kolonialismus ist, zeigt ein (1)blick nach australien....

    wenn mer's schon nicht am beispiel Israel verstehen möchte.

  • der bundesarbeitskreis " gerechter friede in nahost hat folgendes geschrieben:

     

    stellungnahme bundesarbeitskreis gerechter friede in nahost - http://www.palaestina-portal.eu/2015%2004%2022.html:

     

    "...Uns wird erzählt, dass das Londoner Palestinian Return Center und die Palästinensische Gemeinschaft Deutschland eigentlich nur der verlängerte Arm der Hamas seien. Tatsache ist, dass die gesamte Bandbreite der palästinensischen Gesellschaft bei der Konferenz vertreten sein wird. Referieren sollen unter anderem der schottische Europaabgeordnete Pat Sheehan, der marokkanische Justizminister Mustafa Ramid, Pater Manuel Musallam aus Gaza und die palästinensische Botschafterin Dr. Khouloud Daibes. Dazu drei Angeordnete des britischen Oberhauses. Das einzige Interesse des Palestinian Return Center ist das Thema des Rückkehrrechts der vertriebenen PalästinenserInnen, es ist keiner einzelnen Partei oder Organisation zuzuordnen..."

     

    das rückkehrrecht der vertriebenen palästinenser - siehe dazu den beitrag von micha brumlik hier in der taz-http://taz.de/Neues-Buch-ueber-Israels-Linke/!156667/ - ist das wirkliche thema.

    die botschaft ist klar: ja, ihr wurdet vetrieben und enteignet, aber da israel ein jüdischer staat ist und bleiben soll, könnt ihr nicht zurückkehren.

  • zeige, „dass sie nicht für eine friedliche Zwei-Staatenlösung eintreten“.

    dies könnte man auch Israel vorwerfen, wo ist der Unterschied...,?