Nahost-Politik der EU: Risse im Block der 28
Ob Atomabkommen mit dem Iran oder Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels: Die Europäer sind sich uneins.
Diese offiziellen Positionen beteten die Sprecher der EU-Kommission und der Außenbeauftragten Federica Mogherini auch am Montag in Brüssel nach. Doch schon bei Fragen nach dem doppelten amerikanischen und iranischen Ultimatum an die Europäer wussten sie keine Antwort.
„Wir möchten nicht vorgreifen“, beschwichtigte der Sprecher von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Denn am Dienstagabend treffen sich die Außenminister der „großen Drei“ Deutschland, Frankreich und Großbritannien mit ihrem iranischen Amtskollegen in Brüssel.
Und am Mittwoch ist in Sofia ein „Leader’s Dinner“ geplant, bei dem sich die 28 europäischen Staats- und Regierungschefs kurz vor dem Westbalkangipfel am Donnerstag über die neue Nahostkrise beugen wollen. Erst danach, so heißt es in Brüssel, könne man mehr sagen.
Brüssel ist in der Defensive
Dabei ist jetzt schon klar, dass die EU in der Defensive ist. Während die USA und Israel in der Region Fakten schaffen, sind die Europäer noch damit beschäftigt, die neue Lage zu analysieren. Und während die Lage in Gaza eskaliert, hält Brüssel am „Nahost-Friedensprozess“ fest.
Dabei ist hinter der Fassade der Einheit schon einiges ins Rutschen geraten. Im Block der 28 tun sich erste Risse auf. Am deutlichsten ist dies in der Jerusalem-Frage. So schafften es die EU-Staaten in den letzten Tagen nicht mehr, ihre alte Position zu bekräftigen.
Tschechien, Rumänien und Ungarn haben eine kritische Erklärung zum Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem blockiert. „Tschechien sieht keinen Grund, warum sich die EU in diesem Augenblick wiederholt zu diesem Thema äußern sollte“, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums in Prag am Wochenende.
Die Tschechen erwägen nämlich selbst, ihre Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen – und so die EU-Beschlüsse zu durchkreuzen. Am Ende blieb der Außenbeauftragten Mogherini deshalb nichts anderes übrig, als das Statement in ihrem Namen herauszugeben, nicht als Statement aller EU-Mitglieder.
Schafft es die EU, den Handel mit Iran zu schützen?
Meinungsverschiedenheiten zeichnen sich auch in der Iran-Krise ab. Diesmal sind es nicht die Osteuropäer, sondern Deutsche und Franzosen, die den EU-Konsens infrage stellen. Zwar sind sich Berlin und Paris einig, dass das Atomabkommen mit Iran gerettet werden muss. Doch bei den drohenden US-Sanktionen gehen die Meinungen auseinander.
So forderte der französische Finanzminister Bruno Le Maire, die „wirtschaftliche Souveränität“ Europas zu verteidigen und die US-Sanktionen abzuwehren. „Wollen wir ein gehorsamer Vasall sein?“ Während die Antwort aus französischer Sicht nein heißt, äußerte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier Zweifel daran, dass sich die EU tatsächlich schützen kann.
„Wir haben juristisch keine Möglichkeit, deutsche Unternehmen gegen Entscheidungen der amerikanischen Regierung zu schützen oder sie davon auszunehmen“, sagte Altmaier. Europäischen Gegen-Sanktionen erteilte der CDU-Politiker eine klare Absage. Berlin scheint eher zu Zugeständnissen bereit als Paris.
Wenn die Europäer es jedoch nicht schaffen sollten, den Handel mit Iran vor US-Sanktionen zu schützen, dürften sich die Unternehmen schnell zurückziehen – und die Iraner sich nach neuen Partnern umsehen, etwa in Russland oder China. Zudem fiele damit der Hauptanreiz für die Mullahs in Teheran weg, sich weiter auf die EU zu verlassen.
Man darf gespannt sein, wie die Europäer dieses Dilemma lösen. Ausgerechnet beim Sondergipfel in Sofia, bei dem es eigentlich um den Westbalkan gehen soll, könnte sich das Schicksal der europäischen Außenpolitik entscheiden. Die Balkankrise ist übrigens auch noch nicht gelöst.
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