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Nachverdichtung in HamburgDer Traum von grünen Magistralen

Hamburg will seine Hauptverkehrsachsen lebendiger und grüner gestalten. Das wird ohne Verkehrswende nicht klappen, beklagen Nabu und Opposition.

Hier sollen blühende Landschaften entstehen: die Kieler Straße in Hamburg Foto: Henning Angerer/Imago

Hamburg taz | Dichter bebaut, belebter, aber auch grüner: So sollen die zwölf großen Hamburger Ein- und Ausfallsstraßen werden, wenn es nach dem Hamburger Senat geht. Zumindest hat er am Dienstag die generationenübergreifende Grundlage für die Entwicklung von Hamburgs Hauptverkehrsachsen mit dem „Masterplan Magistralen 2040+“ beschlossen; Bausenatorin Karen Pein (SPD) und Oberbaudirektor Franz-Josef Höing stellten diesen im Rathaus vor. Die Kritik an den Plänen ist jedoch schon jetzt groß.

Die Stadtplanung habe die Magistralen in den vergangenen Jahrzehnten vernachlässigt und nur in Mosaikstücken entlang von ihnen gedacht, sagte Baudirektor Höing bei der Vorstellung des Plans. Deshalb gebe es dort streckenweise sehr spröde Gebiete ohne erkennbaren Zusammenhang. An diesen Stellen soll nun eingegriffen werden: Wo sich heute lose ein Baumarkt, Einfamilienhäuser und Brachflächen aneinanderreihen, sollen zukünftig also nachverdichtete, begrünte und zusammenhängende Areale entstehen.

Dafür wird in dem Masterplan für jede der zwölf Magis­tralen eine eigene Erzählung entwickelt. Die als M5 deklarierte Magistrale im Norden etwa soll so zu „Hamburgs grüner Visitenkarte“ werden, die M2 im Westen dagegen zum „Grünen Wissensboulevard – zwischen neuen und gewachsenen Stadtquartieren“.

Laut der Baubehörde lässt sich noch nicht konkret absehen, wie viele neue Wohnungen im Rahmen des Masterplans entstehen werden. Der Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen scheint allerdings optimistisch: „Entlang der Hauptausfallstraßen gibt es noch reichlich Flächen, auf denen hochwertige und bezahlbare Wohnungen geschaffen werden können“, erklärte Verbandsdirektor Andreas Breitner.

Verkehrsfluss gewährleisten

Die größte Schwierigkeit des Plans dürfte darin liegen, seine Ziele mit der Natur seines Gegenstands zusammenzubringen: Die Magistralen zählen zu Hamburgs am meisten befahrenen Straßen. Das enorme Verkehrsniveau steht dem Ziel von lebenswerten Wohnquartieren und mehr Grün auf den ersten Blick entgegen.

„Man muss nicht erst mal verkehrsberuhigen und dann erst anfangen, Stadtentwicklung zu betreiben“, sagte dazu Oberbaudirektor Höing. Bausenatorin Pein ging noch weiter und sagte auf Nachfrage der taz: „Es ist nicht beabsichtigt, jetzt im großen Stil den Verkehr zu beruhigen.“ Das sei im Moment gar nicht möglich. Auch enthalte der Plan keine klare Setzung, Fahrspuren zukünftig zu reduzieren, denn der Verkehrsfluss müsse gewährleistet bleiben.

Dieser Aspekt wird vom Hamburger Naturschutzbund hart kritisiert: „Es macht den Anschein, als würde der Hamburger Senat sich blind stellen für einen dringend notwendigen Wandel in der Stadtentwicklung“, erklärte er in Bezug auf die offene Verkehrsfrage in den Plänen des Senats. „Wie groß mag die Wohnqualität sein, wenn die Luft mit Abgasen belastet, die Umgebung durch massive Versiegelung hitzebelastet und es dazu laut ist? Da kann doch irgendwann niemand mehr wohnen. Stattdessen müssen die Magistralen mit Blick auf die Zukunft klimaangepasst gestaltet werden. Konkrete Ziele hat sich der Senat dafür aber nicht gesetzt.“

Auch die Opposition blickt weniger euphorisch als der Senat auf den Masterplan. „Die jetzt vorgestellten Pläne enthalten – außer fantasiereichen Bezeichnungen für die Magistralen – wenig Neues“, erklärte die Hamburger CDU-Fraktion. Nach Jahren der Planung sei kein einziger rechtskräftiger Bebauungsplan entstanden.

Wohnen in Lärm

Die Linkenabgeordnete Heike Sudmann kritisiert, dass der Plan auf keine schnellen Verbesserungen für die vielen Ham­bur­ge­r*in­nen hoffen lasse, die bereits jetzt unter dem vielen Autoverkehr und Lärm an den Magistralen leiden würden.

Diesbezüglich sieht Sudmann auch die Entwicklung von Wohnraum an den Magistralen kritisch und benennt eine „erkennbare Tendenz, den geförderten Wohnungsbau vor allem als Lärmriegel an den Straßen zu nutzen“ – soll heißen: Menschen mit wenig Geld leben in geförderten Wohnungen direkt an der Straße, während die ruhigere Lage in den hinteren Reihen denen vorbehalten bleibt, die es sich leisten können.

Auch die Stadtgesellschaft soll sich in die Gestaltung des Masterplans einbringen können. Dafür soll im November eine Planwerkstatt stattfinden.

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13 Kommentare

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  • Das klingt ganz gut, aber mal praktisch, um eine U-Bahn zu bauen, sperrt die Behörde für den HVV gewaltige Flächten,so dass der HVV mehrere Buslinien andere Wege fahren lässt.



    =Konnte ich früher sicher und bequem zur Arbeit mit dem Bus fahren, geht das nicht mehr.



    Aber das reicht nicht, wenn ich einen lange Fußmarsch mache, warte ich trotzdem auf den Bus. Und der fällt aus, der fällt um 7.00 morgens aus, selbst auf dem Weg zurück fällt er um 16.20 einfach aus.



    Kommt auch kein Ersatz. Der nächste Bus platzt dann aus allen Nähten.

    Und diese Themen habe ich Politikern mal geschrieben, nun ja, freundliche Antworten, aber alles ist gleich geblienen.

    Die Verkehrswende mache ich gerne mit, aber wenn es die nicht gibt, kann ich sie auch nicht mitmachen.

    Dann fahre ich Auto. Ich bin in meinem Leben noch nie so viel Auto gefahren, wie jetzt und ich will das eigentlich gar nicht.

    Und deswegen kan ich nur sagen, dass ist erstmal nur eine Ankündigung, die auch heiße Luft sein kann. Es gibt viele Leute, die Nachts arbeiten, die müssen da irgendwie hinkommen, Menschen im Schichtdienst müssen zur Arbeit. Magistralen und Verkehrswende hin oder her, bislang bietet der HVV kaum Lösungen an.

  • Wenn sich jemand dafür interessiert was im „Masterplan Magistralen 2040+“ konkret drinsteht, kann sich den hier www.hamburg.de/pol...t-gestalten-934736 herunterladen.

    Bzw. hier, die direkten Links sollten funktionieren, die Langfassung www.hamburg.de/res...ngfassung-data.pdf und die Kurzfassung www.hamburg.de/res...rzfassung-data.pdf.

    • @serious?:

      Hab mich jetzt noch nicht groß in den Bericht eingelesen, aber der Absatz des Artikels

      „„Man muss nicht erst mal verkehrsberuhigen und dann erst anfangen, Stadtentwicklung zu betreiben“, sagte dazu Oberbaudirektor Höing. Bausenatorin Pein ging noch weiter und sagte auf Nachfrage der taz: „Es ist nicht beabsichtigt, jetzt im großen Stil den Verkehr zu beruhigen.“ Das sei im Moment gar nicht möglich. Auch enthalte der Plan keine klare Setzung, Fahrspuren zukünftig zu reduzieren, denn der Verkehrsfluss müsse gewährleistet bleiben.“

      wirkt auf mich nicht Vertrauensfördernd. Wäre da erst mal bei der Position des Hamburger Naturschutzbunds und, was die Bebauung an den Magistralen anbelangt, bei Heike Sudmann.

      Bei den letzten Baustellen, die es bei mir in der Nähe in Hamburg gab, wurden auch Stellen wo man hätte leicht Bodenversiegelung aufheben oder Grünfläche anlegen können, auch nur wieder stumpf zugepflastert.

  • taz-Foto: *Hier sollen blühende Landschaften entstehen: die Kieler Straße in Hamburg*

    Die Autos sollte man dann auch aus der Stadt verbannen, denn es ist ja schon alles für eine Verkehrswende da, wie man gut auf dem obigen Foto erkennt. Die beiden äußeren Auto-'Straßen' werden zu Fahrrad-'Straßen' und die beiden inneren 'Straßen' zu Straßenbahn-'Straßen', wo umwelt- und klimafreundliche Straßenbahnen im 3-Minuten-Takt fahren. In den Mittelstreifen kommen die Haltestellen, und zwischen den Haltestellen ist dann auch noch genug Platz für Grünanlagen. Durch einige kleinere und engere Straßen fahren dann E-Busse mit 20 Km/h (damit man keine spielenden Kinder gefährdet) und überall sind Fahrrad-'Straßen'. So sollte eigentlich eine moderne Stadt im 21. Jahrhundert ausschauen, besonders wenn man es mit der Verkehrswende wirklich ernst meint.

    Wie man sieht, muss das Wort 'Straße' nicht zwangsläufig immer etwas mit Autos zu tun haben, auch wenn die Autolobby uns das seit Jahrzehnten einreden möchte und den Klimawandel anscheinend mit noch mehr CO2-Autos "bekämpfen" will.

    • @Ricky-13:

      *Die beiden äußeren Auto-'Straßen' werden zu Fahrrad-'Straßen' und die beiden inneren 'Straßen' ...*

      Ja, ich habe auch die Parkplätze (an den Seiten links und rechts) als 'Straße' gesehen, denn parkende Autos verbrauchen auch viel 'Straßen'-Raum. Vier (4) 'Straßen' in die eine Richtung und vier (4) 'Straßen' in die andere Richtung macht nach Adam Riese acht (8) 'Straßen'. Und die engen Gehwege, die man auf dem Foto nur erahnen kann, müssen sich Fußgänger und Fahrradfahrer teilen. Tja, so sieht heutzutage eine Großstadt aus. Im Grunde muss man sich nur das Foto oben mal genauer betrachten, dann weiß man auch, was in den vergangenen Jahrzehnten in den Städten schief gelaufen ist. Kaum Raum für Menschen, aber sehr viel Raum für Autos. Wenn man jetzt ein paar Mittelstreifen begrünen möchte, wird das wahre Problem nur mit etwas Gras und Sträuchern bedeckt, aber nicht behoben.

  • Die Verkehrswende ist nicht nur in Hamburg überfällig, wenn man noch etwas retten will.



    Die braucht man auch in Mumbay, Kairo, Mexico-City, Lagos, Hintertupfingen.....

    • @Erfahrungssammler:

      Ich weiß was Sie meinen, aber anscheinend wird immer noch von Politikern darauf gewartet, dass die anderen Länder (besonders die großen Umwelt- und Klimasünder China, USA, Indien und Brasilien) mit Klima- und Umweltschutz anfangen. Wenn aber keiner mit Klima- und Umweltschutz anfängt und immer nur sagt, "die anderen sollen doch erst mal anfangen", dann wird der Klimawandel den Homo sapiens in absehbarer Zeit von diesem Planeten fegen. Und der erste Schritt zum Klimaschutz ist nun einmal eine vernünftige Verkehrswende, und zwar ohne das CO2-Töff-Töff.

      Wenn ich aber diesen Satz lese, *Bausenatorin Pein ging noch weiter und sagte auf Nachfrage der taz: „Es ist nicht beabsichtigt, jetzt im großen Stil den Verkehr zu beruhigen.“ Das sei im Moment gar nicht möglich. Auch enthalte der Plan keine klare Setzung, Fahrspuren zukünftig zu reduzieren, denn der Verkehrsfluss müsse gewährleistet bleiben.*, dann glaube ich allerdings auch nicht mehr an eine Verkehrswende in Deutschland.

  • Das heißt doch jetzt nur, es soll aus dem Auto gesehen "schöner" aussehen, wenn Pendel-Bonzen die Straßen nutzen???



    Der Lärm und der Feinstaub müssen aber runter, dass man auch mal nachts das Fenster auflassen kann.



    Der Raum muss von außen erst für Fußgänger, Räder und Busse, ggf. Straßenbahnen stimmen, bevor noch etwas dem Auto gegeben wird. Der Ansatz sollte doch inzwischen bekannt sein. Danach ist übrigens oft auch Platz für Grün, denn nichts verschwendet Platz pro Person so wie Autostraßen.



    Verkehrsplanung fürs Auto ist so 1960er, man darf auch als Verkehrsplaner kurz vor der Rente mal Vernunft statt Autoflussfixierung walten lassen.

  • Hamburg braucht dringend mehr Wohnungen. Aber bei jedem Plan wird von der Opposition links und rechts gemäkelt und gemeckert, sei es Oberbillwerder, Nachverdichtungen in Hinterhöfen, die Bebauung von Parkplätzen oder jetzt der Magistralenplan. Konstruktive Lösungsvorschläge: Fehlanzeige. Natürlich kann es nicht nur Wohnungen in 1A-Lagen geben, aber Lärmschutzfenster sind heutzutage sehr gut, natürlich ist nicht alles sofort umsetzbar, um so wichtiger, dass man jetzt mit der Planung anfängt. Und es werden doch neue S- und U-Bahnen geplant und gebaut, zum Beispiel wird die geplante S-Bahn zum Osdorfer Born über weite Strecken an einer solchen Magistrake entlang führen. Die Kritik ist einfach schwach, es fragt sich, warum sich der Artikel überwiegend mit der Kritik beschäftigt, statt mit dem Lösungsansatz.

    • @Ruediger:

      Der Plan basiert auf der Idee, dass die Menschen sich keine Autos mehr kaufen, sondern mit ÖPNV unterwegs sind und dieser Verkehr auch deutlich leiser wird.

    • @Ruediger:

      Man hat schon auch noch Abgase und Feinstaub neben der Lärmbelästigung. Fragen die mit Flächenversiegelung einhergehen, wie Regenwassermanagement und Wärmemanagement, bzgl. der Aufheizung von Gebäuden Baustruktur, bleiben auch noch. Es ist auch eine Frage wie gut/ weit der Plan in solchen Punkten durchdacht ist.



      Die Aussagen von Höing und Pein sind, was Stadtentwicklung anbelangt, eher nicht „zukunftsweisend“.

      Bzgl. der CDU, im zurückliegenden Artikel taz.de/Neuer-Hambu...llwerder/!6019652/, gibt es die Aussage Therings (CDU) „Zudem müssen Bestandsgebäude in geeigneter Lage um ein bis zwei Stockwerke aufgestockt werden oder auch Neubauten entsprechend höher genehmigt werden“ an der generell nichts einzuwenden ist.

      Die Stadtgesellschaft soll sich, ja auch über eine im November stattfindende Planwerkstatt, in die Gestaltung des Masterplans einbringen können. Da müssen vorher Anmerkungen, berechtigte Kritik und konstruktive Vorschläge geäußert werden. Wenn das mit fragwürdigen wahlkampftechnischen Manövern zusammenfällt/einhergeht, ist das kritisch zu sehen und zu benennen, gleiches gilt wenn es Plänen und Agieren des Senats, an Substanz mangelt.

    • @Ruediger:

      Gegen Wohnungen sollten wir dort nicht sein. Wir sollten die Autos von den Panzerstraßen wegbekommen, dass ein Fenster auch mal auf sein kann, ohne dass Lärm und Feinstaub hineinblasen.

      Und was beim Wohnen auch hilft: mal wieder etwas zusammenrücken, Einliegerwohnungen/-zimmer, WGs, ...



      Der wuchernde Platzverbrauch hierzulande ist nicht nur mit den mehr Single-Haushalten zu erklären,

      • @Janix:

        Viele Menschen wollen um jeden Preis ein eigenes Haus kaufen, das schaffen viele dann nur im Umland der Stadt und dann fahren sie mit ihren Autos in die Stadt zu ihren Arbeitsplätzen. A) Das kann man schlecht verbieten B) Man kann S-Bahnen etc ausbauen, aber reicht das aus? C) Das Auto ist das Prestigeobjekt für viele, kann man diesen Drang durch Politik wirklich einschränken?



        Ich glaube, dass Ganze ist eine sehr gute Idee, ob das am Ende funktioniert?