Nachtleben im Libanon: Die Sorgen wegfeiern

Trotz der drohenden Eskalation zwischen Israel und der Hisbollah wird im Osten Beiruts getanzt und getrunken. Auch, um die Realität zu vergessen.

Gerade im Osten Beiruts, und in den östlich anknüpfenden Bergen, finden sich viele Bars und Clubs Foto: Amr Alfiky/reuters

BEIRUT taz | Die einen drängen sich in der Abflughalle des Beiruter Flughafen und versuchen aus dem Land zu kommen. Die anderen, Anhänger der Hisbollah, huldigen in der südlichen Vorstadt der libanesischen Hauptstadt ihrem Chef Hassan Nasrallah. Der hielt jüngst eine Rede, in dem er Israel mit einer bisher noch nie dagewesenen militärischen Antwort drohnte, wiederum als Antwort auf die Tötung des Hamas-Chefs Ismail Haniyeh und des Hisbollah Kommandeurs Fuad Shukr.

Ganz Libanon bereitet sich auf eine Eskalation und einen möglichen Krieg vor. Ganz Libanon? Nein, auch dort gibt es gallische Dörfer – und die liegen in den Bergen im Osten Beiruts, und im Osten der libanesischen Hauptstadt.

Dort oben in den Hügeln, beispielsweise in Broumana, gibt es ganze Straßenzeilen, die gesäumt sind mit Restaurant, Bars und Clubs. Die laute Musik aus den Bars schallt über die Straße, etwa aus der Trumpet-Bar. Drinnen geht der Bär ab. Die Menschen trinken, lachen, einige tanzen neben den Tischen, während der DJ sich langsam in Hochform bringt, zwischen arabischem Pop und einem Remix von Boney M’s Daddy Cool.

„In den letzten 30 Jahren haben sie den Libanon viele Male zerstört. Und jedes Mal war es unsere libanesische Seele, die uns wieder von neuem angefangen lassen hat“, sagt Fadi, der Manager der Bar. „In all den Kriegen haben die Libanesen Party gemacht und waren die ganze Nacht aus. Wir weigern uns, uns hinzusetzten und zu heulen“, schließt er und zeigt auf seine weiträumige Bar, die bis zum letzten Tisch und Stuhl ausgebucht ist.

„Während der schlimmsten Kriege waren wir feiern“

Dort tanzt die 60-jährige Giselle mit ihren Freunden. Sie gehört zur libanesischen Oberschicht, viele Libanesen können sich ein solchen Nachtleben nicht leisten. „Sie wollen uns brechen, aber das werden sie nicht schaffen“, meint Giselle. „Wir Libanesen sind unverwüstlich. Wir leben so, als ob es kein Morgen gibt, niemand kann uns aufhalten unser Leben zu leben“, erklärt sie.

Wenn sie vor einem Krieg Angst haben, dann überspielen sie es. Oder ertränken es mit Alkohol an der Bar oder in der lauten Musik. Das gilt auch für Faruk, der ebenfalls in einem Alter ist, mit dem er sich persönlich an den 15-jährigen libanesischen Bürgerkrieg, die israelische Invasion 1982 und den Krieg zwischen Israel und der Hisbollah 2006 erinnert. „Selbst während der schlimmsten Kriege waren wir feiern, haben getrunken, sind an den Strand schwimmen gegangen“, erinnert er sich. Der Libanon werde niemals sterben. „Wir werden uns auch nicht jetzt herunterziehen lassen.“

Sie feiern hier irgendwo zwischen Trotz und Realitätsverweigerung – oder besser gesagt, dem Wunsch die Realität zu vergessen. „Krieg, welcher Krieg, worüber redest du?“, fragt Bilal und lacht laut gegen die Musik an. Nur um dann zuzugeben, dass sich der Libanon derzeit natürlich in einer gefährlichen Krise befindet, die jederzeit eskalieren könnte. „Aber der Libanon ist wie ein Phönix“, sagt Bilal. Er könne nicht sterben, das sei verboten. „Immer wenn wir sterben, steigen wir wie Phönix aus der Asche wieder auf“, gibt er sich zuversichtlich.

Bilal, Barmanager

„Immer wenn wir sterben, steigen wir wie Phönix aus der Asche wieder auf“

In diesem Land des Phönix ist die wohl mächtigste Kraft im Land – die Hisbollah – bereit zuzuschlagen. Auf der anderen Seite der Südgrenze liegt Israel, in dem manche Politiker drohen, Beirut wie Gaza in Schutt und Asche zu legen, um die Hisbollah zu zerstören. Und im Mittelmeer liegt die US-Flotte, die bereit ist, Israel zu verteidigen. Aber in der Trumpet-Bar feiern sie durch die Nacht.

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