Nachruf auf Udo Ulfkotte: Der gekränkte Journalist
Für den einstigen FAZ-Redakteur gab es irgendwann nur noch ein Thema: die Überfremdung Deutschlands. Am Freitag, den 13. Januar ist er verstorben.
Am Ende war nur noch Verbitterung. Über „Migrantenbanden“, twitterte Udo Ulfkotte in den letzten Tagen, über „zugewanderte Sex-Monster“ und „südländische Pisser“. Es gab für ihn längst nur noch ein Thema: die vermeintliche Überfremdung Deutschlands und ein, nach seiner Sicht, drohender „Bürgerkrieg“.
Es hatte anders begonnen. Ulfkotte, 1960 im westfälischen Lippstadt geboren, landete nach seinem Rechtsstudium bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Er reiste viel, berichtete aus Afrika und dem Nahen Osten. Schon da aber entwickelte er ein Faible für Geheimdienste – und kühne Thesen. So sei der BND im Besitz von Videos deutscher Abgeordneter, die diese mit Prostituierten im Ausland zeigten, schrieb er einmal. Oder dass die Ukraine der EU mit radioaktivem Haschisch drohe.
Bei der FAZ ging man zunehmend auf Distanz. 2003 war, nach 17 Jahren, dort für Ulfkotte Schluss. „Sehr verletzt“ habe ihn der Abgang, hatte er immer wieder betont. Fortan wird Ulfkotte zum frühen Lautsprecher des Wutbürgertums. Seine Buchtitel rufen einen Alarm nach dem anderen aus: „Der Krieg in unseren Städten“, „Propheten des Terrors“, „Albtraum Zuwanderung“.
Vor einer „schleichenden Islamisierung“ warnt Ulfkotte, reist mit Vorträgen durchs Land. Er will eine Anti-Islam-Partei gründen, wozu es nicht kommt. Immer weiter verrennt sich Ulfkotte in rechten Verschwörungstheorien, schreibt von Geheimbünden und „wahren Mächten“ im Hintergrund.
Seine letzten Bücher veröffentlicht er im Kopp-Verlag, der auch über Ufos oder Freimaurer publiziert. Im Januar 2015 steht Ulfkotte bei Pegida in Dresden auf der Bühne. Sein Groll richtet sich auch gegen frühere Kollegen. „Gekaufte Journalisten“ ist eines von Ulfkottes letzten Werken. Es wird ein Bestseller. Aus seiner früheren Redaktion werden ihm da längst „bizarre Fantasien“ attestiert.
Am Ende lebte Ulfkotte zurückgezogen, wie er sagte, als autarker Selbstversorger. Wo, hielt er geheim. Er passe „nicht in Schubladen“, sagte er. Am Freitag starb er laut seiner Familie an einem Herzinfarkt. Seine Anhänger reagierten, wie Ulfkotte es wohl selbst getan hätte, und fragten: „War es Mord?“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs